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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (1. Februar 1901 - 28. Februar 1901)
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Montag, 11. Fevruor 1901.

Erstes Blatt.

XXXXIH. Jahrgang. — Xr. 35.




Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SO Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Durch die Postche-
Heidelberger Zeitung

Die jüngste Verleihung des Schwarzen Adler-
Ordens.
Wie sehr die Verleihung des Schwarzen Adlerordens
an Lord Roberts in Deutschland mißfällt, kann man
daran ersehen, daß selbst ein so gemäßigtes Blatt wie der
„Schwäb. Merk." erklärt: Die Anschauungen im deutschen
Volk werden im Gegenteil einhellig dahin gehen, daß der
Orden entschieden nicht an die richtige Stelle gekommen
ist. Eine Ordensverleihung, die für unfern hochverdienten
Reichskanzler fast zu früh kam, konnte für Lord Roberts
nicht spät genug kommen, d. h. es wäre uns lieber ge-
wesen, wenn er ihr überhaupt nicht teilhaftig geworden
wäre.
Schärfer noch sprechen sich Berliner Blätter und zwar
gerade konservative aus. So schreibt die „Krcuzztg.":
Man versteht es im Volke nicht, so wird gesagt, daß
S. M. der Kaiser, indem er seine Ernennung zum britischen
Feldmarschall dem Lord Roberts mitteilte, diesem Heer-
führer der Engländer gegen die Buren eine in ihrer Art
einzig dastehende Auszeichnung erwies. Man versteht es
auch nicht, so wird weiter gesagt, daß der erlauchte
Monarch trotz der Beleidigungen, die ihm vor fünf Jahren
aus Anlaß seines Telegramms an den Präsidenten Krüger
von den Offizieren seines britischen Regiments zugefügt
wurden, jetzt diesem die größten Aufmerksamkeiten ent-
gegenbringt. Das deutsche Volk hat gerade in der Be-
urteilung kriegerischer Ereignisse Mitgefühl für diejenigen,
die sich ihrer Freiheit wehren, namentlich wenn sie einer
erdrückenden Uebermacht gegenüber stehen. Es kann sich
nicht entschließen, auf die Seite der Unterdrücker dieser
Freiheit zu treten, auch wenn sie im klebrigen alle mili-
tärischen Tugenden zeigten. Gerade wegen der gewaltigen
Machtstellung, die der deutsche Kaiser und König von
Preußen einnimmt, und wegen der Bedeutung, die alle
seine Handlungen und Worte deshalb beanspruchen müssen,
halten wir uns für verpflichtet, zu reden, wenn zu be-
sürchten ist, daß Monarch und Volk einander nicht ver-
stehen. Die Befürchtung, daß solches Mißverstehen sich
einstellt, rückt leider in greifbare Nähe, wenn ein tief-
gehender Gegensatz zwischen den Empfindungen der Volks-
seele und den Handlungen des Monarchen in die Er-
scheinung tritt.
Aehnlich drückt sich auch der „Reichsbote" aus. Am
Weitesten gehen die „Münch. Neuesten Nachrichten", welche
schreiben: Für uns Deutsche ist und bleibt Roberts, auch als
Witter des hohen Ordens vom Schwarzen Adler, nichts
Anderes, als der rühmlose Führer einer ban-
krotten Armee in dem schmählichsten und verhaßtesten
Raubkrieg, den England je geführt hat.
Der „Ham burgische Korrespondent" äußert
s^n Bedauern über die Ordensverleihung, falls sie sich
^ls richtig erweise, „und zwar doppelt, weil sie vorauS-
^chtlich auf zahlreiche deutsche Gemüter verletzend und
provozierend wirken und als ein eklatanter Bruch der
Moralischen Neutralität bezeichnet werden würde." Die
Rheinisch-Westfälische Zeitung" wird von
^schmerzlichem Gefühl" ergriffen, stellt sich da« englische

Entrüstungsgeschrei vor, falls der Kaiser etwa Dewet oder
Botha mit dem Roten Adlerorden erster oder zweiter
Klasse auszeichnen würde, und bezeichnet die Ordens-
verleihung an Roberts als „ein offenes Heraustrcten der
deutschen Politik aus ihrer bisherigen Neutralität" und als
einen „Faustschlag" gegen die Gefühle und Stimmungen
des deutschen Volke?, der die Kluft zwischen der Krone
und gerade den besonders monarchisch gesinnten Kreisen
„zum Schaden der Monarchie in unheilvoller Weise ver-
tiefen" muß.
Im Gegensatz zu dieser erregten Sprache rät das
„Berl. Tagebl.", die Angelegenheit doch nicht tragisch zu
nehmen. Jedenfalls, so schreibt es, ist diese höfisch- Sache,
denn etwas anderes bedeutet die Verleihung- dieser Aus-
zeichnung schwerlich, nicht wert, daß man sich um ihret-
wegen so aufregt, wie die alldeutsche und die konservative
Presse, namentlich „Reichsbote" und „Kreuzztg." dies thut.
Als im Jahre 1869 der französische Minister des Innern
Lavalette denselben Orden von König Wilhelm I. erhielt,
fand niemand etwas daran auszusetzen, und dennoch standen
wir mit dem kaiserlichen Frankreich — wie der Krieg von
1870 bewies — damals viel weniger frcundnachbarlich,
als dies mit dem heutigen England, trotz des Burenkriegcs,
der Fall ist.— Sehr bemerkenswert ist, daß schon nach dem
Bekanntwerden der Ordensverleihung die „Südd. Reichs-
korresp." einen offiziösen Artikel bringt, in dem die An-
wesenheit desKaisers in Englandals eingroßer Erfolg
Deutschlands gefeiert und darauf hingewiesen wird, wie
scheel insbesonders Frankreich auf denselben hinsieht.
Soviel steht zweifellos fest, daß Deutschland sich nicht
mutwillig Feinde schaffen darf; deshalb darf auch die
deutsche Politik sich nicht von dem Gefühle der Abneigung
leiten lassen, das heute zweifellos im deutschen Volk
gegen England besteht. Andererseits wäre es thöricht,
auf England als einen zuverlässigen Freund bauen zu
wollen. England verfolgt sein Interesse, wir das unselige.
Es wird uns zu Liebe nichts von seinen Wünschen auf-
geben und wir werden uns ebenso verhalten. Wir müssen
immer darauf gefaßt sein, England, das in uns seinen
Nebenbuhler sieht, in entscheidenden Augenblicken auf der
Seite unserer Gegner zu finden. Aber nicht jeder Augen-
blick ist ein entscheidender, es gicbt Zeiten, in denen Kon-
kurrenten neben einander gehen können. Deutschlands In-
teresse erfordert es nicht, daß wir eine solche Zeit von uns
weisen.
Kundgebungen des Kaisers von Oesterreich.
Wien, 9. Febr. Der Kaiser besuchte gestern den
Ball der Industriellen und fragte dabei einen Maschinen-
Fabrikanten, ob das Maschinenwesen in Oesterreich Fort-
schritte gemacht habe und ob diese Industrie über genug
Arbeitskräfte verfüge. Dieser antwortete, es sind wohl
Fortschritte zu verzeichnen, doch es giebt für uns im Jn-
lande viel zu wenig Arbeit, so daß Wir im Auslande
Arbeit suchen müssen. Ec wies im Laufe des Gespräches
darauf hin, daß die Industrie unter der Rück-
wirkung der inneren politischen Verhältnisse
viel zu leiden habe. Der Kaiser machte bei diesen

Worten eine bedauernde Handbewegung. Herr Bromovsky
sagte weiter, daß auch die ungeklärten Verhält-
nisse mit Ungarn großen Einfluß auf die Industrie
hätten. Darauf erwiderte der Monarch: „Das be-
stehende Verhältnis mitUngarn wird sicher
weiter bestehen." Ein Herr Westel meinte, daß die
Verhältnisse nicht so schlecht seien. Der Export gestalte
sich ziemlich zufriedenstellend, doch knüpfe die Industrie an
die Erneuerung der Handelsverträge die größten
Hoffnungen, um für den Export endgültig Maßnahmen
zu treffen. Der Monarch erwiderte: „Ja, es wird
schwere Arbeit mit den Handelsverträgen
geben, und es wird viele Mühe kosten, sie unter Dach
zu bringen."
Deutsches Reich.
— Zum Vorsitzenden der Kommission des Reichstags
für die Schaumweinsteuer und das Weingesetz ist der
Abg. Pansche (natl.) gewählt worden. Sein Stellver-
treter ist der Abg. Schrempf.
Cronberg, 9. Febr. Die Kaiserin traf um 4 Uhr
mit der Hofdame Fräulein v. Gersdorff in Friedrichshof
zu einstündigem Besuche ein. Der Kaiser begleitete die
Kaiserin bis Oberursel und machte dann eine Schlittenfahrt
im Walde am Altkönig.
Deutscher Reichstag. Berlin, 9. Febr. Gegen
Wochenschluß pflegt der Reichstag noch etwas leerer zu
sein als gewöhnlich und das ist erst recht der Fall, wenn
es sich um ein so rein sachliches Thema handelt, wie die
heute zu Ende geführte erste Beratung der Weingesetz-
novellc. Die Zahl der Anwesenden wird, nach der
Schätzung der „Franks. Ztg.", kaum 40 überstiegen haben,
zum großen Teil Vertreter von weinbautreibenden Gegen-
den.
Die Debatte verlief ziemlich monoton und brachte nicht viel
neue Gesichtspunkte. Ziemliche Einstimmigkeit herrschte über das
Verbot der Kunstweinsabrikation, die nur der Sozial-
demokrat Ehrhardt durch die Deklarationspflicht für Kunst-
Wein ersetzt wissen wollte, weil er den Kunstwein als Volksgetränk
ansieht. Im Gegensatz zum Bündlerführer Rösi cke-Kaisers-
lautern, der fast ausschließlich den Händlern die Weinverlänge-
rung in die Schuhe schob und gegen diese noch verschärfte Kon-
troll- und Strafbestimmungen fordert, stellte Ehrhardt fest, daß
von den Winzern zum großen Teil dasselbe gilt. Der freisin-
nige Vertreter Wiesbadens, Wtntermeyer, hielt die Vorlage
in ihrer jetzigen Beschränkung für einen Fortschritt, erachtete aber
eine andere Fassung der Konlrollbestimmungen für notwendig,
damit die Kontrolle auch wirklich nur in der vom Staatssekretär
auSetnandergesetzten Beschränkung geübt werde. Aehnlich sprach
sich der nationailiberale De in Hardt, der bekannte Weinindu-
strielle, aus, der ebenfalls vor einer Uebertreibung der Kontrolle
warnte. Noch etwas stärker betonte der Wormser nationalltberale
Vertreter Frhr. v. Hehl die Bedenken gegen die Kellerkontrolle.
Dagegen wurde von den Rednern des Zentrums und der Kon-
servativen noch eine Verschärfung der Bestimmungen der Vorlage,
zum Teil auch Deklarationszwang für jede Art von Weiuver-
schnttt und Weinzusätze gefordert.
Staatssekretär Graf v. Posadowsky erklärte weitere Ver-
schärfung der Kontrollvorschriften für undurchführbar, schon Westen
der Kostenfrage, und nahm besonderen Anlaß, zu betonen, daß die
Wcinverfälschungen sich nur auf die im Jnlande bleibenden
kleinen Weine beschränken, daaegen nicht dis vom Auslande be-
zoaenen Qualitättweine betreffen._

Stadt-Theater.
A Heidelberg, 11. Februar.
. „Wohlthätige Frauen", Lustspiel von Adol f
^ Arronge.
Zu den hervorragenden Stücken hat man diese drama-
Ke Kennzeichnung der selbstsüchtigen Wohlthätigkeits-
^reinsmeierei nie gezählt; es ist mit der Zeit auch nicht
/Iser geworden. Im Gegenteil, heute, da unser Wirklich-
^issrnn, unser Blick für's Individuelle schärfer, unser
Klangen darnach größer geworden ist, macht es ein wenig
^ Eindruck verlegener Waare; aber es ist doch noch so-
frisch und zugkräftig, daß es, wie die Erfahrung von
^ern lehrte, ein sonntägliches Publikum zu unterhalten
, p zufriedenzustellen vermag. Manche Breiten, wie im
h^en Akt die Scene zwischen dem Ehepaar Möpsel,
h?ken doch recht ermüdend, und solche gekünstelte Figuren
das Vereinsfactotum mit seinem ewigen „BummI"
der Rentier Süßholz sind nur noch bei Sonntags-
^denlicht vorführbar.
fh, Anständiges Mittelgut ist das Stück; von der Auf-
i^Ung darf man mindestens das Gleiche sagen. Den
iy ^iden Major spielte Hr. Rud o lph mit Herzenswärme;
tz Erscheinung und Haltung ein sympathischer alter
Seiner Schwester, der widerwärtigen ältern
tz W, fleh Frl. Krüger mit Erfolg ihre Kunst. Herr
!dj.?uau hat zudringliche Jünglinge schon mehrmals
müssen und weiß fast wie Hr. Weinmann in solchen
kn Bescheid. Das Ehepaar Möpsel, Frln. Schön-

berg und Hr. Kal l en b e r ger, spielle recht brav. D>e
Konversationsscene im ersten Akt zwischen Frau Möpset
und der Geheimrätin v. Praß >ei besonders erwähnt. Auch
die panis-, pisvis-, orinis-, flnis-Lektion des kleinen
Julius war hübsch; Frl. Schaab sollte sich gelegentlich
in größeren Rollen sehen lassen. Als resolute Dieners-
frau schwamm Frl. Saldern in ihrem Fahrwasser. In
ihrer Darstellung ist sie neben dem Major die glaub-
würdigste der Personen, die das Stück vorführt. Hr.
Kranes, ihr Mann, hatte einige ganz hübsche Momente
und war im klebrigen befriedigend. Frl. Herter, die
Erzieherin, zeigte im passiven wie im aktiven Teil ihrer
Rolle gute Haltung und hübsches Geschick. Der Lustig-
macher des Abends war Hr. Meltzer-Burg, das Ver-
einsfactotum; er hat in die Rolle hineingepackt, was hinein-
zulegen möglich war. I'. 2l.

Kleine Zeitung.
— Metz, 9. Febr. Heute fand die kriegsgericht-
liche Verhandlung gegen den Oberleutnant Rüger
aus Mörchingen statt, der des Mordes an Hauptmann
Adams angeklagt war. Bei Beginn der Sitzung wurde
die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. Das Urteil wurde nach-
mittags 3 Uhr gefällt und lautet auf 12 Jahre Zuchthaus
und Ausstoßung aus dem Heere.
— Lord Roberts und die Katzen. Zu den schwächsten
Seiten des Generalissimus der englischen Armee, Lord
Roberts, gehört seine tiefe Abneigung gegen die Katzen.

Als er einmal aus Indien zurückkehrte, befand sich auf
dem Dampfer eine Dame, die eine prächtige Katze mitge-
bracht hatte, die ihr überall hin wie ein kleiner Hund folgte.
Befand sich Lord Roberts auf Deck und unterhielt sich mit
den Damen, so mußte die Katze sorgfältig von ihm fern
gehalten werde»; lief sie aber zufällig an ihm vorüber, so
stand der General auf und verließ mit den deutlichen Zeichen
des Unbehagens das Deck. Eine Erklärung für seine merk-
würdige Antipathie vermag „Bobs", wie der Fcldmarfchall
im Volksmunde heißt, nicht anzugeben. Er soll herzlich
gelacht haben, als ein Buddhist ihm eines Tages erklärte,
seine Abneigung gegen die Katzen komme sicherlich daher,
weil er in einem früheren Leben eine Maus gewesen.
— Der Manuskriptenfund in Mukden. Vor einiger
Zeit wurde über die Entdeckung aller Bücher und Manu-
skripte in Mukden, der Hauptstadt der Mandschurei, be-
richtet. Die Russen hatten diese Sammlung entdeckt, als
sie die Stadt besetzten. Nach einer Mitteilung der „Daily
News" soll nun eine Mission von Gelehrten aus Frank-
reich und anderen Ländern nach Mukden zur Prüfung der
Sammlung abgehen. Plan glaubt, daß mongolische und
tatarische Eindringlinge diese Manuskripte vor sechs Jahr-
hunderten aus dem südöstlichen Europa mitgenommen haben.
Die Mitglieder der Mission hoffen dort viele verlorene
Werke wiederzufinden. Wenn man i» Betracht zieht, daß
die Bevölkerung jenes Teiles von Europa ihre Religion,
Litteratur und Kultur aus Konstantinopel entlehnte, so
scheint es in der That möglich, daß die Manuskripte in
Mulden alte Klassiker enthüllen, die in der russischen Stadt
 
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