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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-76 (1. März 1901 - 30. März 1901)
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Mittwoch, 27. Mörz 1901.

Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — >r. 73.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SV Pfg. in's Haus gebracht, Lei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 4V Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Psg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzrigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Unsere verehrlichen Post-Abonnenten ersuchen wir,
bi« Bestellung aus die „Heidelberger Zeitung" für das
V. Vierteljahr 1901
bei den betreffenden Postanstalten
jetzt schon bewerkstelligen zu wollen, damit keine Unter-
brechung im Bezug des Blattes eintritt.
Der Verlag der „Heidelberger Zeitung".

Die Vorgänge in Südafrika«
Zu unserer Bemerkung, datz den Buren die Nicht-
amnestierung ihrer Stammesgenossen vom Kap und aus
Natal unannehmbar sein müsse, erhalten wir eine anonyme
Zuschrift folgenden Inhalts:
Heidelberg. 25. März.
Geehrter Herr l
Glauben Sie etwa, daß die deutsche Regierung die Elsaß-
Lothringer amnestieren würde, falls dieselben in einem Krieg mit
Frankreich sich den Franzosen anschlössen L Mitnichten! Man
würde die Rebellen ins Gefängnis stecken oder standrechtlich er-
schießen lasten. Und die Kap-Holländer sind fast ein Jahr-
hundert England untcrthan und man will den Rebel-
len nur das Wahlrecht entziehen.
Wir wollen davon absehen, daß die Handvoll Frei-
staatsburen doch nicht gut mit dem 37 Millionen-Volk der
Franzosen verglichen werden kann. Wir wollen einmal
den Vergleich zulassen, dann muß ihn der Einsender aber
auch so weit durchführen, daß er auf die Lage der Eng-
länder in Südafrika patzt. Er mutz also annehmen, in
einem Kriege mit Frankreich wäre Deutschland ebensowenig
im stände gewesen, die Franzosen völlig niederzuzwingen,
wie jetzt die Engländer gegenüber den Buren, und es wäre
der deutsche Oberbefehlshaber an die französischen Trup-
Pensührer mit Friedensanerbietungen herange-
treten, wie jetzt Kitchener an Botha. In diesem Falle
glauben wir, daß Deutschland an der Bestrafung der
Elsaß-Lothringer, die mit Frankreich gekämpft haben, den
Frieden nicht scheitern lassen würde. Kitchener seiner-
seits hatte die Amnestie zugestanden, denn in
Punkt 10 berichtet er über seine Besprechung mit Botha.
»Die Amnestie an Alle bei Beendigung des Krieges.
Wir sprachen von Bürgern der Kolonieen, welche, sich den
Republiken anschlossen, und er schien nichts dagegen zu
haben, daß diese ihr Stimmrecht verlieren." — Aber
Ehamberlain fuhr dazwischen und erklärte: Den Rebel-
len der Kapkolonie und von Natal kann nicht vollständig
Amnestie versprochen werden. Es handelt sich also nicht
blos um eine Wahlrechtsenlziehung.
Auch in einigen andern Punkten hat Ehamberlain die
Anerbietungen Kitcheners abgeschwächt, sodaß er die Schuld
«M Scheitern der Verhandlung trägt.

Japan und das deutsche Abkommen.
Nach einer Meldung aus Jokohama vom 25. ds.
^klärte der japanische Minister des Aeußcrn im Parla-
ment auf eine Anfrage, die Erklärung des Grafen Bülow
'W deutschen Reichstag über die Auslegung des deutsch-
ENgli scheu Abkommens seitens Deutschlands berühre
<iapan nicht. Letzteres habe, als es dem Abkommen bei-

trat, die klare Bedeutung der Bestimmungen desselben
acceptiert und gedenke an dieser Interpretation festzuhalten.
Es kümmere Japan nicht, wenn eine andere Macht das
Dokument in eigener und besonderer Weise auslege. —
Das sind tönende Worte, man darf aber billig daran
zweifeln, daß Japan nun mit England den Russen ein
Halt in der Mantschurei znrufen werde.
Wie aus Berlin versichert wird, läßt man sich dort
von dem einmal eingenommenen Standpunkt gegenüber
der Mantschurei als eines außerhalb des deutsch-
englischen Jangtse-Vertrages liegenden Gebietes nicht ab
bringen. Die deutsche Auffassung werde trotz der Er:
klärung des Parlamentssekretärs Cranborne im englischen
Unterhause auch von der englischen Regierung ge-
teilt. Denn nach Artikel 1 des Jangtse-Vertrages be:
ziehe sich derselbe nur auf die Gebiete, wo die Kontrahenten
„Einfluß ausüben" könnten. Das ist für Deutsch
land in der Mantschurei nicht der Fall. Wenn Japan
nun meint, daß es imstande sei, in der Mantschurei Ein-
fluß auszuüben, so möge es das thun. Auf eine Unter-
stützung von Seiten Deutschlands kann es dabei nicht
rechnen.
Vom Dreibund.
Berlin. 26. März. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt:
Der Dreibund ist namentlich in der Pariser Presse
in der letzten Zeit zum Gegenstand vieler aber meist unzu-
treffender Erörterungen gemacht worden. Zunächst kann
konstatiert werden, daß die Verbündeten Italien zu keiner
Zeit Bedingungen oder auch nur Wünsche wegen der Ver-
wendung der italienischen Armee auferlegen. Ferner läßt
der Dreibnndsvertrog allen drei Verbündeten volle
Freiheit hinsichtlich der Festsetzung ihrer
Land- und Seestreitkräfte. Falls einer der Ver-
bündeten eine Verminderung der Armeen durch seine
eigenen Interessen für geboten halten sollte, würde
das weder dem Geist noch dem Buchstaben des Ver-
trages widersprechen. Jeder der drei Teilnehmer
am Dreibund hat sowohl für sich wie auch die beiden Ver-
bündeten an dem Grundsätze festgehalten, daß die Bestim-
mung der Heeresstärke lediglich innere Angelegenheit des
betreffenden Landes ist. Es ist zeitgemäß, auch diese That
sache hcrvorzuheben gegenüber der von mancher Seite ge-
flissentlich verbreiteten Legende, daß die finanziellen Schwierig-
keiten Italiens mit den vom Dreibund auferlegten Ver-
pflichtungen zusammenhängen. Solche Verpflichtungen gibt
es nicht.
Allmählige Beseitigung der Durchgangswagen
in Preußen.
Nachdem die Bahnsteigsperre in Preußen auf den Haupt-
bahnen fast allgemein durchgeführt ist, erscheint in Per-
onenzügen die Verwendung von Durchgangs-
wagen, welche die Gefährdung der kontrolierenden
Schaffner beseitigen sollen, nicht mehr von solcher Bedeu-
tung wie früher. Der Minister der öffentlichen Arbeiten
hat daber den „Berl. Pol. Nachr." zufolge in Aussicht

genommen, bis auf weiteres nur Abteilwagen — ab-
gesehen von den Wagen' für V-Züge — beschaffen zu
lassen. Bei den Anmeldungen der Eisenbahndirektionen
soll hierauf Rücksicht und darauf Bedacht genommen werden,
den Bedarf an Durchgangswagen für Nebenbahnzügc aus
den Beständen der Hauptbahnen zu decken. Der Minister
hat ferner beschlossen, die künftig zu beschaffenden Personen-
wagen 4. Klasse mit Aborten ausrüsten zu lassen. Diese
Wagen sollen nach ihrer Anlieferung in Fernzüge einge-
stellt werden, in denen Reisende der 4. Wagenklasse er-
fahrungsgemäß weite Strecken zurücklegen.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser hat der Hamburg-Amerika-Linie für
die Glückwünsche zu seiner Wiederherstellung gedankt. Im
Telegramm heißt es: „Der bedauernswerte Angriff in-
mitten der gutgesinnten Bevölkerung Bremens wird mich
nicht beirren in dem Glauben an die Zuneigung des
deutschen Volkes und bei der Arbeit in den mir von Gott
gestellten Aufgaben meines Berufes."
— Der neuernannte Gouverneur von Deutsch-Ostafrika,
Major Graf v. Goetzen, hat am 25. yrit seiner Frau
und seinem dreijährigen Töchterchen Berlin verlassen,
um die Ausreise in seinen neuen Wirkungskreis anzu-
treten. Er wird sich am 29. März in Neapel an Bord
des Reichsdampfers „Kronprinz" cinschiffen und gegen den
18. April in Dar-es-Salaam eintreffen.
— Um den Abschluß der Erörterungen über die mit
den chinesischen Wirren zusammenhängenden Ent-
schädigungsfragen möglichst zu beschleunigen, ist,
wie die „Nordd. Allg. Ztg." meldet, der Direktor der
Kolonialabteilung Dr. Stübel, der als ehemaliger General-
konsul in Shanghai mit den einschlägigen Verhältniffeu
vertraut ist, im Aufträge des Reichskanzlers am 25. ds.
nach London abgereist. Gleichzeitig ist Dr. Stübel
beauftragt, die Botschaft in London bei der Erledigung
der noch schwebenden Reklamationen deutscher
Staatsangehöriger in Südafrika zu unterstützen.
— Der freiwillige Staatsanwalt Bebel hat sich wieder
einmal als leichtfertiger Ankläger erwiesen. Bei der Be-
ratung des Kolonieetats hat er behauptet, die nach Deutsch-
Südwestafrika geschickten Mädchen hätten dort in der großen
Mehrzahl keineswegs erfreuliche Erfahrungen gemacht.
Von ca. 60 bis 70 Mädchen seien heute nur noch unge-
fähr 25 dort, von denen allerdings der größte Teil ver-
heiratet sei; der andere Teil habe so schnell wie möglich
die Rückkehr angetretcn. Dem gegenüber ist den „Mittei-
lungen der Deutschen Kolonialgesellschaft" zu entnehmen,
daß Bebels Mitteilungen von Anfang bis zu Ende un-
zutreffend sind und daß Bebel das Opfer eines Schwindlers
geworden ist.
Baden.
— Der Ei senbahnreformvereinin Karlsruhe hat
sich am Abend des 23. ds. mit dem Heidelberger Eisen-
bahnunglück befaßt. Zunächst wurde dem Anwalt Früh-
auf für die uneigennützige Verteidigung Weiperts gedankt
und ihm als Anerkennung eine Lampe überreicht. Danach

Kleine Zeitung.
— Der Bauchaufschlitzer von Ludwigshafen verhaftet.
Wie aus Ludwigehaien gemeldet wird, ist es endlich ge-
igen, den Unmenschen zu ermitteln, welcher schon seit
Ewige» Wochen in Ludwigshafen sowie in den Vororten
Äser Stadt Mädchen überfallen und durch Messerstiche in
.EN Unteileib verletzt hat. Am Sonntag Nachts war in
.Er Amtsstraße in Ludwigshafen wieder ein Liebespaar
^Erfüllen worden, wobei der Unhold sowohl den Burschen
?'E das Mädchen durch Messerstiche verwundete. Dieses
^stentat führte auf die Spur des Perbrcchers. Er wurde
Ernittelt in der Person des 28 Jahre alten, in Ludwigs-
Affen in Stellung befindlichen Metzgergesellcn Wilh

ist

amian aus Billigheim bei Landau. Der Verhaftete
. auch verdächtig, die zwei Lustmorde verübt zu haben,
Elche vor einigen Jahren in der Maudacher Gemarkung
v w- in Ludwigshafen in der Nähe der damals bestehen-
gA. Sängerfesthalle ausgcführt worden sind. Die Art und
^Eise, welcher diese beiden Lustmorde vorgenommen
r^AEn, ließen von vornherein auf einen Metzgergesellen
HL Etzen. Damian war damals schon unter dem Verdacht
Täterschaft in Untersuchungshaft gewesen, aber wieder
'^'gelassen worden.
r. — Berlin, 25. März. Der in der Berliner Bank
genommene Einbrecher heißt wahrscheinlich Hübner
h? ist unter einer großen Anzahl anderer Namen vor-
"rast. Er wurde durch die Körpermessung identifiziert.

Das Geld stammte aus einem Einbruch bei einem Leip-
ziger Oberlehrer. Alles Gestohlene wurde wieder gefunden,
auch das Silberzeug, außer 800 Mk. bares Geld, die bis
auf eine Kleinigkeit ausgegeben waren. In einem auf dem
Lehrter Bahnhof beschlagnahmten Koffer befand sich noch
der Gepäckschein für einen zweiten Koffer, in dem Gegen-
stände gefunden wurden, die aus Einbrüchen in Magde-
burg, Dresden und Leipzig stammen. Ein zweiter Mit-
schuldiger war in Leipzig unter dem Namen einer
hochachtbaren Berliner Familie zurückgeblieben. Er ist dort
bereits verhaftet worden.
— Die Mörderin Gunkels, Frau Jahnel, ist jetzt
völlig gebrochen. Sie beabsichtigte zuerst, Gunkel während
der „Nausikaa"-Vorstellung im Theater zu erschießen;
deshalb wollte sie, um dicht hinter seinem Orchesterplatz
zu sitzen, mehrere Plätze erster Parquetreihe belegen. Das
war aber glücklicherweise unmöglich. Man denke sich die
Panik, wenn plötzlich im Opernhaus Schüsse gekracht
hätten!
— Brüssel, 25. März. Der frühere Jesuit R e n a r d,
Professor der Mineralogie an der Universität Gent, welcher
1882 aus dem Jesuitenorden ausgetreten ist, hat dem
„Petit Bleu" zufolge seinen Austritt aus der katholischen
Kirche erklärt und sich in London mit einer Belgierin
verheiratet.

— Aus dem Briefkasten des „Kladderadatsch". Im Ro-
stocker Anzeiger" vom 12. März fragt Dr. Borck an: „Wer

brütet für mich Eier aus und unter welchen Bedingungen?" —>
Die „Berliner Hausfrau" enthält folgendes Inserat: „Zur
Leitung einer Kaffee-Küche für Arbeiter kräftige Frau oder
Mädchen, lebendige Christin gesucht." Eine tote Christin würde
Wohl auch so wenig für eine solche Stelle geeignet fein wie eine
tote Jüdin. — Aus Portsmouth wird dem „Berliner Lokal-
Anzeiger" über die Abreise des englischen Thronfolgers und
feiner Gemahlin berichtet. In dem Bericht heißt es: „Die Ka-
nonen donnerten den Scheidenden eherne Scheidungsgrütze
nach." „Scheidungsgrütze" klingt recht häßlich. — Sehr hübsch
sagt die Göttinger Zeitung" vom 14. März in ihrem „Gerichts-
saal: „Ein Auge, das den Vater verspottet, viel mehr aber
noch verprügelt und das auch der Mutter nicht gehorcht, ist der
Arbeiter Franz Rojahn aus Sievershausen."
— Eine feine Familie. „. ... Aber, ich bitt' Dich,
Mann, benimm Dich doch anständig — wenigstens so lang die
Dienstboten im Zimmer sind l"
— Hyperbel. „Unser neuer Bassist — das is a' Sänger!
So 'was haben S' noch nicht g'hört! . . . Der hat an' Baß,
als wenn er a' Kellerstieg'n »'schluckt hätt'l"

Von allen guten Schwingen
Zu brechen durch die Zeit,
Die mächtigste im Ringen,
Das ist ein rechtes Leid.

Eichendorff.

Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
Ich nahm es so beim Wandern mit,
Auf daß es -inst mir könne sagen,
Wie laut die Nachtigall geschlagen,
Wie grün der Wald, den ich durchschritt.
Theodor Storm.
 
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