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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-76 (1. März 1901 - 30. März 1901)
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Freitag, 8. März 1901.

Grstes Blatt.

43. Jahrgang. — Ir. 57.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen.

Durch

die', Post

be.

Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht,! bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln'der Heidelberger Zeitung
und dm Plakatsäulen. — Fcrnsprech-Anschluß Nr- 82.

Zum Attentat auf den Kaiser.
Berlin, 7. März. Der Kaiser hat in der
Achten Gesichtshälfte eine 4 Ctm. lange, über
das Jochbein verlaufende Wunde, welche bis
auf den Knochen dringt. Die Wunde blutete
Kark, wurde aber ohne Naht durch Verband
geschlossen. Der Kaiser verbrachte die Nacht
leidlich und ist frei von Kopfschmerzen
dei gutem Allgemeinbefinden.
gez-
Leuthold. Bergmann. Jlberg.
Ter Kaiser mußte zu seinem besonderen
Bedauern die Reise nach Königsberg zur Ein-
weihung der Königin Luise-Gedächtnis-Kirche
aufgeben. (Wiederholt, weil nicht in der ganzen gestri-
Auflage enthalten.)

^ Die Wunde des Kaisers hat den Charakter einer
Quetschwunde; das Stück Eisen, mit dem der Attentäter
Ars, stammt von einer Rollthüre und ist 550 Gramm
schwer. Nach der „Nordd. Allg. Zlg." wird der Kaiser
/".sausstchtlich etwa 14 Tage das Zimmer hüten
^ssen. Die Verwundung ist ziemlich dicht am Auge, das
^halb geschont werden muß. Dasselbe Blatt schreibt:
Aer Mensch, dessen Hand gegen die geheiligte Person des
^ichsoberhauptes ein Eisenstück schleuderte, scheint nach
>^u bisherigen Feststellungen mit epileptischen Krank-
^Userscheinungen behaftet zu sein, unter deren Einfluß er
.Reicht bei der Vollbringung der sinnlosen Unt hat
hudelte. Aus dankerfülltem Herzen preisen wir das gnä-
Geschick, das über das teure Leben des Kaisers in
^tn verhängnisvollen Augenblick waltete. Der Kaiser
führte nach dem Anschlag eine außerordentliche Ruhe
,Ud verriet durch kein Anzeichen seine Schmerzen, die sich
^ nach dem Wurf einstellten. Erst als auf dem Bahn-
est ein kleiner Junge rief: „Der Kaiser blutet ja!",
x?rde die Aufmerksamkeit der Umgebung des
Eifers, der bis dahin kein Wort über den Vorfall ver-
hatte, auf die Wunde gelenkt. . Während der Fahrt

"»d

Berlin untersuchte Leibarzt Dr. Jlberg die Wunde

^ legte den ersten Verband an. Der Blutverlust
erheblich; auch der kaiserliche Mantel wies Spuren
b l>vn auf. Der Kaiser machte noch während der Fahrt
n Uelzen dem Reichskanzler telegraphisch von dem Er-
und der Art der Verwundung Mitteilung mit dem
^ufügen, er habe mäßige Schmerzen, fühle sich aber
"st wohl.
h Nach einem Bericht der Franks. Ztg. verlautet aus der
Hebung des Kaisers: der Kaiser bemerkte sofort, daß er
st? Wunde empfing, wenn er auch von dem Urheber nichts
Er wollte kein Aufhebens davon machen und sprach
nicht einmal mit dem neben ihm sitzenden Bürger-

Kleine Zeitung.
Hy.''- Mainz, 6. März. Der Großherzog von Hessen
dxs Nm Nachenführer vom Bootsunglück bei Bingen,
kj? Schiffer Franz Hauck, der von der Strafkammer zu
Jahr Gefängnis verurteilt worden war, nach drei-
kn^tljcher Verbüßung den Rest der Strafe im Gnadenweg
Wen.

Das Abspringen von de» Straßenbahnen verur-
E' wie man weiß, zusammen mit dem Aufspringen auf
h^.dde Wagen einen erheblichen Teil aller Verkehrs-
^tte. Eb^so ist es bekannt, daß beim Abspringen mehr
als Männer binzufallen pflegen. Letzteren Umstand
^t ein Arzt, Professor Hansemann, in folgender Weise:
tz^it alle Frauen tragen Pallete, den Schirm oder die
bxj^hpe links; dann haben sie die rechte Hand frei, fassen
Nusstcigcn rechts die rechte. Seite des Geländers und
sich dadurch notwendig so drehen, daß sie mit dem
^i> ? s" die Fahrtrichtung kommen. Steigen sie nun ab,
!ic ^?er Wagen ist selbst nur wenig in Bewegung, so fallen
ls^°hl oder übel auf den Rücken." Die Nutzanwendung
^uf der Hand.
>1,^" Das ungalante Wiener Postbeamten-
Nach den vielen Erfolgen, welche die moderne
^^Ubewegung in Wien errungen, hat sie nun
^ Eine Schlappe erlitten. In der neulichen
^ ^Versammlung des Postbeamten-Vereins gelangte
<>i>^ Antrag zur Annahme, jenen Punkt der Sta-
' der es Damen gestattet, als unterstützende Mitglie-

meister. Erst auf dem Bahnhof, als es auffiel, daß das
Gesicht und die Uniform des Kaisers befleckt war, wurde
darüber gesprochen.
Aus Bremen wird unterm 7. d. M. gemeldet: Die
Untersuchung gegen den Arbeiter Weiland, der das
Attentat auf den Kaiser verübt hat, ergab bisher nichts
Neues. Weiland will von den gestrigen Vorfällen nichts
wissen und äußert fortgesetzt, daß er Epileptiker sei. Er
macht den Eindruck eines sehr stupiden, geistig nicht
normalen Menschen.
Es liegt die That eines Unzurechnungsfähigen vor;
das ist die allgemeine Auffassung. Und das bestimmt auch
den Charakter der Besprechung des unseligen Attentats-
versuchs. Eine politische Bedeutung ist dem Vorkommnis
nicht beizulegen. Nicht unterdrücken aber kann man die
Besorgnis, daß doch einmal dem Kaiser etwas Ernstliches
zugefügt werden könnte. Bei seinen vielen Reisen, kreuz
und quer durchs Reich, bekommt jeder überspannte Narr in
Deutschland einmal Gelegenheit, sich in die Nähe des
Kaisers zu drängen. Wie gefährlich das ist, sieht man an
den Vorgängen in Breslau und jetzt in Bremen.
Deutsches Reich.
Deutscher Reichstag. Berlin, 7. März. Präsident
Graf Balle st rem cröffnete die Sitzung um 1"° Uhr
mit folgender Ansprache: „Meine Herren, ich habe dem
Hause die betrübende Mitteilung zu machen, daß Seine
Majestät der Kaiser gestern bei einer Fahrt in Bremen
durch ein Eisenstück, welches ein noch nicht 20 Jahre
altes Individuum gegen den kaiserlichenWagen schleuderte,
nicht unerheblich im Gesicht verletzt worden
ist. Es scheint bis jetzt, daß durch Gottes gnädige Fügung
die Verwundung keine gefährliche ist und daß unser kaiser-
licher Herr, welcher zur Zeit bettlägerig ist, in nicht all-
zulanger Zeit wiederhergestellt sein wird. Indem ich im
Namen des Hauses dem Abscheu über die unselige That
hiermit Ausdruck gebe, verbinde ich damit den Dank gegen
den gütigen Gott, welcher den Kaiser und das deutsche
Vaterland vor schwerem Unheil gnädig bewahrt hat, und
die Bitte an Gott um baldige Wiederherstellung deS ge-
liebten Monarchen und um seinen ferneren Schutz und
Schirm für seine erhabene Person. Sie haben sich von
Ihren Plätzen erhoben, um sich meinen Worten und
meinen Gefühlen anzuschließen. Ich konstatiere dies."
Die Abgeordneten hatten sich während der Worte des
Präsidenten von ihren Sitzen erhoben; von den Sozial-
demokraten war niemand im Saal anwesend.
Das Haus tritt in die Tagesordnung ein.
Bei Beratung deS Marine etatö fragt Abg. Rösicke-
Kaiserslautern (Bund der Landw.) an, ob es denn wahr sei,
daß die Marine noch nach dem Erlaß des Fleischbeschaugesetzes
Konserven aus Amerika eingeführt habe. Redner wünscht ferner
eine Statistik für die Verproviantierung der Marine.
Staatssekretär v. Tirpitz erklärt: Wir waren im vorigen
Jahre nicht in der Lage, uns inländische Konserven bestimmter
der beizutreten, zu streichen. Der ganze stürimsche Verlauf
der Versammlung war eine Bethätigung der vom Post-
official Auinger mit großem Aufwand von Stimmkraft
proklamierten Devise: Wir brauchen keine Weiber! Hinaus
mit den Frauenzimmern.
— Eine angenehme Gegend. Seiner in Chicago
ansässigen Mutter hat ein auf den Philippinen
dienender Soldat laut „Franks. Ztg." Folgendes ge-
schrieben: „Der Boden ist fruchtbar und bringt reiche
Ernten an Aufständen und Verräterei hervor. Die Ein-
geborenen sind sehr fleißige Leute, ihre Hauptbeschäftigung
besteht im Ziehen von Schützengräben und der Anfertigung
von Bolos (der malayischen Wurfschleuder). Bei ihren
Wohnungen wird ein bischen Bambusrohr und sehr viele
Szenerie als Baumaterial verwandt. — Die Trauungs-
zeremonie ist sehr eindrucksvoll, besonders bei dem einen
Teile, indem der Gattin die Berechtigung erteilt wird, für
den Mann so angestrengt und ausdauernd zu arbeiten, wie
er nur wünschen mag. Die vornehmsten Volksbelustigungen
bestehen in der Veranstaltung von Hahnenkämpfen und
Stehlen. Die Hauptnahrungsmittel sind: Gebackener Reis,
gekochter Reis, gedämpfter Reis und Reis schlechtweg.
Das weitestverbreitete Lasttier ist das Karibu; wer mit
diesem Tiere eine Reise von 100 Meilen unternimmt,
stirbt an Altersschwäche, bevor er sein Ziel erreicht. Das
Sumpffieber ist so allgemein verbreitet, daß durch die
Inseln oft ein starkes Schütteln geht — nur weil ein
Schüttelfrost die ganze Bewohnerschaft befallen hat. Eine
beliebte Unterhaltung der Filippinos ist es, auf dieHeftig-

Art zu verschaffen. Es gab bisher solche nicht in Deutschland
und wir mußten daher unseren Mobilmachungsbedarf aus den
bisherigen Bezugsquellen entnehmen. Noch vor dem Erlaß des
Fleischbeschaugesetzcs sind die Intendanturen angewiesen worden,
über die einheimischen Konservenfabriken Ermittlungen anzu--
stellen. Bereits im Herbst konnten wir einheimische Konserve»
bestellen.
Abg. Bebel (Soz.) fragt an, ob der deutsche Flotten-
verein der Marine Geldbeträge angeboten und ob die Marine
sie angenommen habe. Ferner ob es wahr sei, daß dem
Kreuzer „Fürst Bismarck" auf der Fahrt nach China ein Unfall
zugestoßen sei?
Staatssekretär v. Tirpitz erwidert: Der Marine ist bisher
kein Geld vom deutschen Flottenvcrein gegeben worden. Der
ausländische Flottenverein beabsichtigt allerdings Gelder zu
sammeln. Er war bisher nur Theorie. Wenn der ausländische
Flottenvcrein uns ein Kanonenboot schenken will, gibt es keine
Bestimmung, wonach wir eine derartige Schenkung ablehnen
sollen. Wenn aus der Annahme der Schenkung Kosten erwüchsen,
io unterliegen sie natürlich der verfassungsmäßigen Bewilligung
des Reichstages. Der ausländische Flottenverein will die Deutschen
im Auslande zu nationalen deutschen Zwecken zusammcnführen;
das ist nur mit Wärme zu begrüßen.
Abg. Molkenb uh r (Soz.) weist auf die großen Verluste
hin, welche die deutsche Marine seit 1878 an Schiffen und Mann-
schaften erlitten habe. Offenbar geschehe nicht genug für Rettungs-
maßregeln. Dagegen würden Katserhochs ausgebracht und
sonstige patriotische Kundgebungen veranstaltet.
Staatssekretär v. Tirpitz bemerkt, es sei ganz selbstver.
stündlich, daß die Rettungsmaßregeln geübt werden. Beim
„Gneisenau" konnten die Schiffsboote gar nicht benutzt werden.
Gegen die Brandung sei kein Kraut gewachsen.
Im Extraordinarium beantragt die Kommission einige Ab-
striche, ferner eine Resolution, der Reichskanzler möge im
Interesse der Ersparnis die Errichtung eines Panzervlattenwerks
ans Reichskosten erwägen.
Der Berichterstatter Abg. Müller-Fulda (Zentr.) weift
darauf hin, daß das Marineamt der Vereinigten Staaten bereits
im Vorjahr 400 Mk. für die Tonne weniger als unsere Marine
bezahlt hätte. Das bedeute für die Bauzeit des Flottenprogramms
einen Nachteil von drei Millionen Mark.
Staatssekretär v. Tirpitz erklärt, Krupp habe eine Preis-
ermäßigung von 150 Mk. angeboten, wenn das Reichsmarineamt
seinen Jahresbedarf an Panzerplattenmaterial nicht unter 6000
Tonnen bestelle. Da Krupp auch sonst noch kleine Preis-
ermäßigungen gewähre, ergebe sich ein Preisunterschied gegenüber
der amerikanischen Flotte von 220 Mk. loko Essen. (Zuruf links:
Auch noch genügt) Krupp habe sich weiterhin zu einer noch er-
heblicheren Preisverminderung erboten, wenn die Bestellung auf
eine Reihe von Jahren gesichert sei. (Lachen links.) Hierüber
schweben noch Verhandlungen. Krupp habe es an Entgegenkommen
nicht fehlen lassen.
Abg. Müller-Fulda (Zentr.) hält das Entgegenkommen
Krupps für nicht genügend.
Die Resolution wird gegen die Stimme des Abg. v. Kar-
dorff angenommen und das Extraqtdinarium bewilligt.
Morgen 2 Uhr: 1. Beratung des Gesetzes betreffend Unfall -
fürsorge für Soldaten, ferner kleinere Vorlagen.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Stadtrat Dr. Münsterberg in Berlin das Ritterkreuz zweiter
Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen, dem Professor Dr.
Gustav Dteinma nn an der Universität Freiburg den Charakter
als Hosrat verliehen und den Postsekretär Ernst Knebel aus
Konstanz zum Oberpostdirektionssekretär bei der Kaiserlichen
Oberposldirektion in Karlsruhe ernannt.
— Es sind Regierungsbaumeister Karl Kitiratschkh 1»
Mannheim zur Wasser- und Straßenbauinspektion Freiburg,
Regierungsbaumeister Karl Wielandt. z. Zt. Hilfsarbeiter bei
der Oberdirekiio» des Wasser- und Straßenbaues, zur Wasser-
mid Sttaßendnuinsvek'ioii Gmmend'»aen und Regierunasbau-

ke>t der Schüttelanfälle zu wetten. Die Eingeborenen sind
freundlich und zuvorkommend, wenn sie vor einem Büchsen-
lauf stehen, und das Klima ist gesund und angenehm für
Moskitos, Ameisen, Eidechsen, Fledermäuse, Schlangen,
Taranteln, Skorpione, Tausendfüßler und Alligatoren".

— Verkannt. Er: „Heut'. Weiberl, Hab ich mich in einer
Lebensversicherung anfnehmen lassen." — Sie: „Natürlich, Du
denkst halt immer nur an Deine eigene Person".
— Im chemischen Laboratorium. „Was kochen Sie denn
da zusammen?" — „Ja, ich weiß selbst noch nicht, ob es einen
neuen Uuioersalkitt oder eine neue Suppenwürze gtebtl"

Wer hat den Weg durchs wilde Meer gefunden.
Der nie mit Todesstürmen stritt? —
Es ist ein Herz mit seinen Wunden -
Mehr wert, als eins, das niemals litt.

Litterarisches.
— Dr. Karl Ruß' Handbuch fürVogelliebhaber
Band I (Fremdländische Stubenvögel.) Vierte, von seinem in-
zwischen ebenfalls verstorbenen Sohne Karl Ruß herausgegebene
Auflage. Mit 6 Farbendrucktafeln und 32 ganzseitigen Abbil-
dungen im Text. Preis 6.50 Mk., fe n gebunden 8 Mk. (Creutz'sche
Verlagsbuchhandlung Magdeburg.) Das „Handbuch für Vogel-
liebhaber" ist wohl die charakteristischste Schöpfung des verblichenen
Altmeisters der Vogelkunde, Dr. Karl Ruß. Noch niemals ist
auf so engem Raum eine solche Fülle des Wissens und der stich-
haltigsten Ratschläge in so glänzendem Stil zusammengetragen,
wie in diesem Werke. Thatsächlich giebt es in der ganzen in-
und ausländischen Litteratur kein Werk, welches an dieses „Hand-
buch für Vogelliebhaber" heraureicht, und so ist es denn auch
nicht verwunderlich, daß seit seinem ersten Erscheinen nunmehr
9000 Exemplare verkauft wurden und mit der heutigen vierten
 
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