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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 101 - 125 (1. Mai 1901 - 31. Mai 1901)
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Freitag, 24. Mai 1901. bestes Matt. 43. Jahrgang. — Ir. 120.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SO Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum- Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
^ und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


Wer jetzt für den Monat Juni die

Mlberger Leitung


M
bestellt, erhält dieses bestunterrichtete, außerordentlich
^ichhaltige Blatt bis zum 1. Juni unentgeltlich ge-
ifert. Der Bezugspreis für Juni beträgt nur 4V Pfg.
^sschl. Bestellgeld und Trägerlohn.


Sächsische Eisenbahnsorgen.
. Nachdem dieser Tage erst die konservativen „Dres-
ener Nachr." imHinblick auf die Abnahme der sächsischen
7-stenbahnrente angedeutet hatten, daß eine Betriebs-
^Meinschaft der preußischen und der sächsischen Bahnen
in alle Zukunft von der Hand zu weisen sein dürste,
E, wie wir der „Allg. Ztg." entnehmen, in der General-
^stammlung des NationalIiberalen Lan-
c^s-Vereins für das Königreich Sachsen der als
Muanzkapazität geltende Landtagsabgeordnete Gon-
^rd die schwersten Bedenken hinsichtlich der schwin-
knden Ueberschüsse der Staatsbahnen geäußert, die von
"662 821 Mk. im Jahre 1896 auf 33 346 010 Mk.
^llückgegangen seien:
Das Anlagekapital habe sich 1898 noch mit 4,08
Dozent verzinst; 1900 werde die Rente sich Voraussicht-
Schnur noch auf 3,26 Prozent stellen. Da die Eisenbahn-
mit 4,32 Prozent verzinst werden müsse, setze der
0 chstsche Staat an seinen Eisenbahnen thatsächlich etwa
Prozent zir. Um aus dieser Eisen-
^?hnkalamität herauszukommen, gebe es vier Wege:
Betriebsgemeinschaft mit Preußen, bei der aber die
- Mzeiw^Mage ihre Einwirkung auf die Eisenbahnfragen
ulwerlich würden geltend machen können ; dis Wiederauf-
'MMe des Reichseisenbahnprojekts, das aber jetzt eher
den: Widerstand Preußens als an dem der Mittel-
!"Een scheftern werde; die vertragsmäßige Regelung
^ Durchgangsverkehrs untelr Vereinbarung eines ge-
,/brnsameil Eisenbahnrats ohne Vermittlung des Reiches
endlich eine reichsgesetzliche Regelung des Tarif-
..stens mst Schaffung eines Reichseisenbahnrats. Für
di^nMöglichkeit, die zu erstreben sei, ließen sich
g^fEicht Mehrheiten bei den gesetzgebenden Körpern des
l Orches finden. Sei etwas derartiges nicht zu erreichen,
m?borde über kurz oder lang das Schicksal der säch-
»jchen Staatsbahnen besiegelt sein: sie würden sich
A^stßen auf Gnade oder Ungnade ergeben müssen. Vor
7 Allen Jahren soll Preußen einen Pachtvertrag mit
M Dozent Verzinsung angeboten haben; das werde man
Zukunft natürlich nicht mehr erhalten. Nur in
«»^kreichsgesetzlichen Regelung des Eisenbahnwesens

sei Rettung aus der Finanznot möglich. Das Reich müsse
aus dem Kostgänger zur Nährmutter der Bundesstaaten
werden, wozu aber vor allem nötig sei, daß der Reichs-
tag aus einem römischen zu einem deutschen werde.
Der Berichterstatter erntete für diese Ausführungen
in der Versammlung lebhafte Zustimmung.

Deutsches Reich.
— Wie der „Berl. Lok.-Anz." zuverlässig mitteilen
kann, verbleibt das deutsche Kreuzergeschwader in den
ostasiatischen Gewässern. Seine Rückkehr dürfte noch in
weiter Ferne! liegen. Dagegen werden die Pauzerschissc
„Kurfürst Friedrich Wilhelm", „Brandenburg",
„Weißenburg" und „Wörth", die noch vor einigen Mo-
naten nicht entbehrlich waren, in nächster Zeit in die
Heimat abdampfen, um hier wahrscheinlich dem
ersten Geschwader zugeteilt zu werden. Das Kreuzer-
geschwader wird dann im Verein mit den Flußkanonen-
booten fortan unsere Seemacht in Ostasien bilden. Das
für Amerika bestimmte Kanonenboot „Luchs" verbleibt
dauernd in Ostasien. Dafür geht der Kreuzer „Niobs"
nach Auflösung der Uebungsflotte nach Amerika ab.
— In kirchlichen Blätter wird erzählt, daß der be-
kannte Pfarrer v. Bodelschwingh dem Kaiser s.
Zt. bei der Ordensverleihung an Lord Roberts ehrer-
bietigst Mitteilung über die Volksstimmung gemacht habe
und deswegen in Ungnade gefallen sei. Später habe sich
der Kaiser wieder gnädig gezeigt. Zu von B.'s 70.
Geburtstage traf unter den ca. 300 Gratulationstele-
grammen eines von der Kaiserin und eins von drei
Bogen vom Kaiser ein, wetlches auch in einer Versamm-
lung vorgelesen wurde. Der Kaiser drückte darin seine
Anerkennung, Liebe und Verehrung für v. B. aus. Er
schloß mit der Bitte zu Gott, ihm seinen lieben v. B.
noch lange als treuen Vater säiner Anstalten und ge-
liebten Diener seines Herrschers zu erhalten!
— Das Befinden des Generals von Hahnke
macht weiter erfreuliche Fortschritte zur Besserung. Herr
von Hahnke bringt den größten Teil des Tages außer
Bett zu. Da bei anhaltender guter Witterung das Be-
finden des Generals voraussichtlich im Laufe des Juni
den Umzug in die neue Dienstwohnung zulassen wird,
ist für den Hochsommer eine Kur in einem geeigneten
Badeorte in Aussicht genommen.
Baden.
Karlsruhe, 23. Mai. Der Minister Dr.
Buchenbsrger begibt sich zur zollpvlitischen Kon-
ferenz am 4. Juni nach Berlin.
Bayern.
M ünchen , 21. Mai. Als hier im vorigen Jahre
Versuche mit einigen aus Amerika bezogenen Loko-
motiven angestellt wurden, war der Beweggrund die
eine häufigere Materialerneuerung gestattende größere
Billigkeit dieser Maschinen. Ganz andere Gesichtspunkte
sind dagegen für die Versuche maßgebend gewesen, die
am 6. ds. mit einer amerikanischen Schnellzugs-Loko-
motive angestellt wurden. Es wird der „Köln. Ztg."
bestätigt, daß die Ergebnisse in allerhöchstem Maße be-
friedigt hätten. Auf der Fahrt von München bis Salz-
burg, und zwar mit einem 300 Tonnen schweren Zuge,
wurden auf ebener Strecke 108 Km., bei Steigungen
von 1 zu 96 oder 1 zu 100 dagegen 62 bis 60 Km. in
der Stunde zurückgelegt.

Römische Funde in Heidelberg.
^legentlich der Fortführung der Vangerowstraße (am West-
K^^s^Cementwerkplatzes) wurde den 21. d. Mts. abends beim

für den südlichen Gehweg eine skalpierte Platte ge-
V Dank sofortiger Mitteilung des Stadt. Tiefbanamtes
Gr» Unterzeichnete gestern früh diese Platte als römisches
lieber ^nkmal feststellen: Eine 2,25 m hohe, oblonge, mit
istnden abschließende rote Sandsteinplatte; über dem rauh be-
in sxgAri Sockel eine von einem Rahmen umschlossene Tafel, die
rechst!* Mt erhaltener Schrift (von wenigen Beschädigungen am
^iner >uNd,e abgesehen) kündet, daß Vigellius, des Nonnus Sohn,
dyrgt Gattin und seinem Sohne diesen Stein bestimmt hat;
Ales" em beliebtes Motiv antiker Grabdenkmäler, ein reizvoller
Lebe« tanzenden Mänaden, trefflich komponiert, voll
°ies-», Bewegung, auf gute Vorbilder hinweisend; über
Narnk"" m größerem Maßstabe gehaltenes Relief ernsten
Dtitt- .die heroisierten Eltern in feierlicher Haltung, in ihrer
Wohl ingendliche Sohn. Eine sitzende, geflügelte Gestalt,
Gaur,-« ? Sphinx, giebt als Füllung des Giebeldreiecks dem
^ dekorativen Abschluß,
^chrifu»? ffcnke Gegensatz zwischen der guten Erhaltung der
Mich«,-Ai" nnd dem wohl weniger von Abwitternng als von
iüeliefZ ;** Verstümmelung herrührenden schadhaften Zustand der
.*ab « i"e Bedenken erregen, ob dies Denkmal ein römisches
sinsti». Es kam dazu, daß diese Platte innerhalb des
westlich .Vergheimer Friedhofes gefunden ward, wenige Meter
7>e gelea-«*. irühchristlichen Plattengräber aus germanischer Zeit,
*8ge 8etrete,i^sw^ Ausgrabungen der Jahre 1899 und 1900 zu-
AabeZ des unter geschilderter Platte gelegenen
sofort Bestätigung: Es fand sich gestern Nach-
„ stellte»hmte) eine von vier rechtwinkelig zusammen-
Ab. n "osteinplatten gebildete Gruft, also auch ein Platten-
de Beia»a-?."E*h5^ derselben etwa 40 Ctm. tief ein Skelett ohne
stübnim V »st" der das Skelett deckenden Erde fanden sich
ttelalterliche Gefäßscherben, keine römischen, unter jenem

Skelett die Gebeine von mindestens sechs andern Toten im wirrsten
Durcheinander. Was die Hauptsache: die seitlichen Platten er-
wiesen sich bald als zwei weitere, große, gut erhaltene
römische Grabmäler, beide nach Schrift und Bild an-
scheinend jünger als das oben erwähnte, das als Deckplatte be-
nützt worden war, außerdem erwies sich die Fußplatte als das
Fragment eines weiteren, vermutlich gleichfalls römischen Grab-
males. Eines der zwei wohlerhaltenen, das von einem Doppel-
giebel bekrönt ist, trägt lediglich eine Inschrift, nach der ein ge-
wisser Pacu seinen Brüdern und deren namentlich angeführten
Angehörigen dies Grabmal gewidmet. Auf dem dritten Denkmal
(2,22 auf 0,77 Meter) prangt in einer Nische ein mit kleinem
Rundschild und zwei Sperren ausgerüsteter Reiter, nach der unter
dem Bild eingehauenen Inschrift ein im Alter von 23 Jahren ver-
storbener Explorator, der in Nenenhcim stationiert gewesen, als
schon das Kastell aufgegeben war, im 3. Jahrh. n. Ehr. Sämt-
liche drei Denkmäler sind alsbald an Ort und Stelle photogra-
phiert worden, und werden, da ihre Größe nnd Schwere die Ueber-
sührung in das provisorische Lapidarium der städtischen Kunst- und
Altertumssammlung im Apothekerturm des Schlosses verbietet, einst-
weilen im Erdgeschoß eines städt. Gebäudes untergebracht werden.
Die oben mitgeteilte Deutung der Denkmäler dankt der Unterzeichnete
wesentlich der freundlichen Unterstützung des Herrn Professors
von Domaszewski dahier. Die Veröffentlichung der Inschriften
selbst wird später erfolgen, nachdem auch der derzeit abwesende
Herr Geh. tzofrat Professor Dr. Zangemeister Augenschein
genommen.
H eidelber g, 24. Mai 1901.
Karl Pfaff.
Kleine Zeitung.
— Könitz und Königsberg? In einein Berliner
Blatt, der „Welt am Montag", ist zu lesen: Von der
«Staatsanwaltschaft in Königsberg i. P. ist an die Ber-
liner Kriminalvolstei das Ersuchen eraanaen, einiae

München, 22. Mai. Nach der „Augsb. Abend-
zeitung" begegnet der Abschluß des nächsten bayeri-
schen Budgets zum ersten Male wieder erheblichen
Schwierigkeiten. — Das „Nachrichtenbureau"
meldet, es sei eine Untersuchung gegen den Vorsitzenden
des Freidenkervereins, Dr. Rüdt, im Gange, und zwar
auf eine Denunziation Hin, die eine Anti-Jesuitenrede
Rüdt's betrifft.
Preuße«.
— Der Steinkohlenbedarf der preußisch-
hessischen Staats-Eisenbahnverwaltung hat im
Jahre 1900 insgesamt 6344188 t betragen und zwar
für Steinkohlen zu Lokomotivdampfkessel- und Ofenheizung
5 594 228 t, an Gas- und Schmicdesteinkohlen 84 410 t,
an Steinkohlenbriquettes 665 550 t. Von dieser Gesamt-
menge von 6 344 188 t lieferte der Fiskus (die fiskalischen
Gruben in Oberschlesien, im Saarrevier und die Berg-
inspektion Barsinghausen) nur 1210 358 t, den Löwen-
anteil von 5 130 800 t einige Privatgruben und Händler
und zwar erstere nur 300 626 t, die letzteren dagegen
4 833174 t. Der preußische Eisenbahnfiskus ist also für
seinen Kohlenbedarf zumeist von den Händlern, in erster
Linie von dem Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat, dann
von den oberschlesischen Firmen Cäsar Wollheim und Em.
Friedländer ii. Co. abhängig. Der von der Firma Cäsar
Wollheim abgeschlossene Vertrag mit dem Fiskus läuft am
1. April 1902 ab.
— In der „Bodenreform" wird erzählt, daß Herr
v. Miguel dabei war, im Ruhrgebiet Kohlengruben im
Wert von etwa 25 Millionen für den preußischen Staat
zu erwerben, um diesen mehr als bisher unabhängig von
den Kohlenbaronen zu machen. Das habe ihm viele
Feinde geschaffen und mit zu seinem Sturz beigetragen.
Letztere Angabe darf indessen füglich bezweifelt werden.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Es wurden die Expeditionsassistenten Heinrich Schiffer-
decker in Offenburg naL Bühl, Emil Bischofs in Hausach
nach Offenbung und Adolf Wiest in Basel zur Ceutralverwal-
tung versetzt.
Karlsruhe, 23. Mai. Der Groß Herzog
nahm heute Vormittag von 11 Uhr an den Vortrag
des Präsidenten des Ministeriums des Innern Geheim-
rats Dr. Schenkel entgegen. Danach meldeten sich eine
Anzahl Offiziere. Um A3 Uhr fuhren der Grotzherzog
nnd die Großherzogin zum Bahnhof, um die Königin
Mutter Emma der Niederlande zu empfangen, welche
von Heidelberg eintraf. Die höchsten Herrschaften ge-
leiteten die Königin zum Großherzoglichen Schloß, wo
dieselbe längere Zeit in den Gemächern der Großher-
zogin verweilte und dann im Gartensaal den Thee nahm.
Ihre Majestät ist begleitet von der Hofdame van de Poll,
dem Generaladjutanten Generalleutnant Grafen Du
Monceau und dem Kammerherrn Jonkheer van Tets.
Um 6 Uhr machten die Großherzoglichen Herrschaften
mit Ihrer Majestät eine kleine Umfahrt und geleiteten
dieselbe sodann zum Bahnhof, von wo die Königin nach
halb 6 Uhr die Rückfahrt nach Heidelberg antrat. Seine
Königliche Hoheit der Großherzog nahm dann noch
mehrere Vorträge entgegen.

erfahrene Kriminalbeamte nach Königsberg zu ent-
senden, wo dieselben an der Aufklärung des dortigen
rätselhaften Frauenmordes Mitarbeiten sollen. Wie man
in Königsberg wissen will, halten die Behörden einen
Zusammenhang der Morde in Königsberg und Könitz
nicht für unmöglich. Die Art der Verletzung beider
Opfer und die Ausführung beider Blutthaten weisen eine
überraschende Aehnlichkeit auf. Man hat die Behaup-
tung ausgestellt, daß zum Mindesten in einem, dem
Königsberger Falle, das Motiv der That Wahnsinn ist,
und der Mörder entweder beide Morve aus dem Ge-
wissen hat oder daß er die That in Königsberg in wahn-
sinniger Nachahmung des Konitzer Mörders verübte. Dis
Leiche des in Königsberg ermordeten greisen Fräulein
Leyde wurde in fast genau demselben Zustande gesundön,
wie die des Gymnasiasten Winter. Der vom Rumps ab-
geschnittene Kopf lag am Ufer des Wallgrabens, dSn
Rumpf, von dem die Beine abgesagt waren, fand man in
einen Sack eingenäht, im Wasser des Pregel. Raub,
Rache, Lustmord oder Eifersucht sind als Motiv nach
dem bisherigen Ergebnis der Untersuchung ausge-
schlossen. Die Persönlichkeit des Thäters, der Ort der
That und deren Beweggründe sind daher in. geheimnis-
volles Dunkel gehüllt.
— Ein Radfahrer vom Blitz getötet. Die sehr wich-
tige Frage, ob ein Radfahrer, vom Blitz getroffen werden
kann, ist bekanntlich verschiedentlich in den Fachblättern
erörtert Mordest. Meist ging die Ansicht dahin, daß ein
Mann, der durch Kork und Gummi vollkommen isoliert
ist, nicht vom Blitze erschlagen werden kann. Diese An-
sicht wurde noch dadurch gefestigt, daß eine beglaubigte
Nachricht über einen vom Blitz erschlagenen Radfahrer
 
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