Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 101 - 125 (1. Mai 1901 - 31. Mai 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0721

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Freitag, 10. Mai 1901. Grftes Blatt. 43. Jahrgang. — str. 109.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit F-amilienblättern monatlich SV Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der. Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch di? Poll be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigen Preis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Vertagung des Reichstags.
Berlin, 9. Mai. Dem Reichstag ging ein
Schreiben des Reichskanzlers zu mit dem Antrag, der Ver-
tagung des Reichstags bis zum 26. November d. I.
zuzustimmen.
(Wir haben diese Nachricht gestern hier durch Aushang
bekannt gemacht. Red.)
In parlamentarischen Kreisen verlautet, der Vertagungs-
antrag komme am 11. d. auf die Tagesordnung des
Reichstages und werde wahrscheinlich angenommen werden.
Der Reichstag würde dann durch kaiserliche Verordnung
vertagt. Vorher würden nock das Handelsprovisorium
mit England und andere Vorlagen erledigt. WaS die
Verlängerung des Handelsprovisoriums bewffk, so soll cs
diesmal nicht auf ein Jahr, sondern bis zum 31. Dez.
1903 verlängert werden.
Die Vertagung bis zum Herbst ermöglicht es, daß die
für die größeren Entwürfe bisher geleistettte Arbeit nicht
unbenutzt bleibt und nicht von Neuem zu machen ist.
Unter den bis dahin vertagten Vorlagen sind die Sce-
mannsordnnng, die schon einmal unter den Tisch gefallen
war, die Branntweinsteuernovelle, das Saccharinsteuergejetz,
dann die verschiedenen Initiativanträge, die noch nicht ans
Plenum gelangt nnren, u. a. m. Der Reichstag wurde
im Herbst also gleich ausreichenden Arbeitsstoff vorfinden,
mit dem er sich nach der ersten Lesung des Zolltarifs be-
schäftigen könnte._

Die Eisenbahnanschlrchfrage in der württem-
bergischen zweiten Kammer.
Stuttgart, 8. Mai. In der Kammer der Abgeord-
neten begannen heute anläßlich der Beratung des Etats
der Verkehrsanstalten die Verhandlungen zur Frage einer
preußisch-württe in belgischen Eisenbahn-
gemeinschaft, welche mit so großer Spannung erwartet
wurden. Der Bericht der „Bad. Laudesztg." erzählt da-
rüber folgendes Nähere: Zum Wort kamen nur drei Red-
ner, der Abg. v. Kiene (Zentr.), der als Berichterstatter
und als Mitglied des Zentrums den Standpunkt der
Mehrheit der Finnanzkommission vertrat, welcher sich gegen
jedes Aufgeben der Selbständigkeit Württembergs au eine
preußisch-württembergische Eisenbahngemeinschaft wendet,
auch wenn dauernde finanzielle Vorteile für Württemberg
daraus zu gewärtigen sein sollten; der Abg. v. Geß, der
namens der Minderheit der Kommission und der Deutschen
Partei sich für Ermittelungen über die finanziellen und
sonstigen Folgen einer solchen Eisenbahngemeinschaft aus-
sprach, und endlich der Minister des Auswärtigen und der Ver-
kehrsanstalten Frhr. v. Soden, der ebenfalls in Kürze
zu dieser Frage Stellung nahm. Er beschränkte sich auf
die kurze Erklärung, daß er persönlich in dieser Angelegen-
heit in der Hauptsache auf dem bekannten Standpunkt
seines Amtsvorgängers Frhrn. v. Mittnacht, sowie auf
demjenigen des Berichterstatters Vizepräsidenten v. Kiene
stehe. Damit stellte sich der Minister dem Projekt einer
Eiscnbahngemeinschaft mit Preußen wesentlich kühler gegen-
über, als man bisher allgemein annahm und als man
aus seinen Ausführungen, die er bald nach Uebernahme

seines Amtes zu dieser Frage machte, herauslas. Frhr.
v. Soden sagte damals, daß diese Frage für ihn eine
offene sei und daß ein württembergisch-preußischer Eisen-
bahnvertrag nicht notwendig die Kopie des hessisch-preußi-
schen Abkommens zu sein brauche. (Daß der Minister
mitteilte, Württemberg sei neuerdings auf die süddeutsche
Tarifübereinstimmung zurückgekommen, habe aber bei den
anderen Staaten Ablehnung gefunden, ist schon mitgeteilt
worden. Red.)
Namens des Zentrums trat Viezepräsident v. Kiene
in nahezu zweistündiger Rede für den Antrag der Mehr-
heit der Kommission und damit gegen eine Eisenbahn-
gemeinschaft mit Preußen ein. Er führte dafür wirtschaft-
liche, politische und konstutionelle Gründe ins Feld; insbe-
sondere betonte er, daß Württemberg, das durch so viele
Beziehungen mit den Nachbarstaaten Bayern und Baden
verbunden sei, nicht die Hand dazu bieten dürfe, daß
Preußen in das seither geschlossene süddeutsche Verkehrs-
gebiet eine Bresche legen und so die beiden anderen süd-
deutschen Verkehrsverwaltungen mürbe machen könne. Wenn
einer Württembergs-preußischen Finanz- und Betriebs-
gemeinschaft im Jahre 1896 die wesentlichen Bestimmungen
des hessisch-preußischen Vertrags zugrunde gelegt worden
wären, so hätte Württemberg in den letzten drei Jahren
Mehreinnahmen von etwa 4 Mill. Mk. gehabt, um ein
solches Linsengericht dürfe und könne Württemberg seine
wirtschaftliche und politische Selbständigkeit nicht aufgeben.
Der deutschparteiliche Abg. v. Geb vertrat mit Wärme
den Standpunkt der Kommissionsminderheit und verwahrte
d-e letztere gegen die Behauptung, daß sie mit ihrer Forde-
rung die Selbständigkeit Württembergs aufs Spiel setzen
oder preisgeben wolle. In eine Verkümmerung der poli-
tischen und wirtschaftlichen Selbständchkeit und Freiheit des
Landes würden er und seine Freunde niemals willigen;
das schließe aber nicht aus, daß man der Frage einer
Eisenbahngemeinschaft näher trete und sie nach allen Seiten
hin prüfe, zumal es bis jetzt an jedem Anhaltspunkt da-
rüber fehle, ob eine solche Gemeinschaft wünschenswert sei
und was man von derselben etwa zu erwarten habe. — Die
Erörterung der Frage wird morgen und voraussichtlich
auch übermorgen noch fortgesetzt werden. Das Ergebnis
der Beratung läßt sich aber jetzt schon mit Sicherheit über-
sehen : Der Antrag der Kommissionsmehrheit wird mit den
Stimmen der Volksparte:, des Zentrums und der Sozial-
demokraten angenommen werden.

Deutsches Reichs
— Zu Ehrender ausscheidendenpreuß. Staats-
minister fand am 8. d. beim Reichskanzler ein großes
Essen statt, in dessen Verlauf der Reichskanzler in einer
Ansprache den Scheidenden warme Worte der Anerkennung,
besonders für die bleibenden Verdienste Miguels um die
Finanzen der Monarchie widmete.
Deutscher Reichstag. Berlin, 9. Mai. Der Präsi-
dent teilt das Ableben des Abgeordneten Smalakys mit,
die Mitglieder erheben sich von ihren Sitzen. Darauf teilt
er die Uebernahme des Staatssekretariats des Reichspost-

amtes durch den Wirkt. Geh. Rat Kraetke mst, ferner, daß
der Abg. Semler (natl.) gestern beim Diätenanirag sich
der Stimmabgabe enthalten habe.
Hierauf wird in nochmaliger Abstimmung die gestern
bei Beratung des Weingesetzes angenommene Resolution
betreffend die Ueberwachung des Verkehrs mit Nahrungs-
mitteln, die von der Kommission gestellt und von dem Abg.
Rösicke-Kaiserslautern (Bund der Landw.) abgeändert war,
nochmals angenommen.
Es folgt die 2. Beratung der von den Abg. Alb recht
(Soz.) und Genossen und Trimborn (Zentr.) cinge-
brachten Gesetzentwurfes betreffend die Abänderung des Ge-
setzes über die G e w e r b e g e r i ch t e auf Grund des Kom-
missionsbeschlusscs.
Die Beratung der KZ 1 und 1 a wird verbunden. Z 1
handelt von der fakultativen Errichtung der Gewerbegerichte.
Der Antrag Albrecht hierzu will die Errichtung obligatorisch
machen. Klo will die obligatorische Errichtung von Ge-
werbegerichten für Gemeinden mit mehr als 20 000 Ein-
wohnern. Der Antrag Albrecht zu H 1 a will die Gewerbe-
gerichte schon bei einer Einwohnerzahl von 15 000 Ein-
wohnern, oder wenn mindestens 3000 gewerbliche Arbeiter am
Platze sind.
Rach längerer Diskussion wird unter Ablehnung all»r
gestellten Anträge Z 1 unverändert, § 1 a in der Kommissions-
fassung angenommen.
Z 2 bezeichnet die Personen, die unter das Gesetz fallen.
Abg. Zubeil (Soz.) begründet den sozialdemokratischen
Antrag, der alle im Bergbau, Land- und Forstwirtschaft, Han-
del und Verkehrsdienst beschäftigten Leute einbeziehen will.
Abg. Trimborn (Zentr.): Es wäre wünschenswert,
daß endlich die verbündeten Regierungen eine Vorlage be-
züglich der kaufmännischen Schiedsgerichte machen.
Nach weiteren Ausführungen des Abgeordneten Trimborn
wird der Antrag Albrecht 8 2 abgelehnt.
Bei Z 3 will Abg. Albrecht durch einen Antrag die Zu-
ständigkeit der Gewerbegerichte bedeutend erweitern.
Abg. Stadthagen (Soz.) begründet den Antrag.
Abg. Trimborn bittet, den Zusatzantrag abzulehnen.
Dies geschieht.
Eine Reihe weiterer Paragraphen wird debattenlos nach
den Kommissionsbeschlüssen angenommen.
Ein sozialdemokratischer Antrag zn 8 10, welcher das
passive Wahlrecht zu den Gewerbegerichten weiter ausdehnen
will, anch für Frauen, wird abgelehnt.
8 10 und eine Reihe weiterer Paragraphen, darunter die-
jenigen betreffend das aktive Wahlrecht zum Gewerbegericht
und Zulassung des Proportionalwahlsystems, werden in der
Kommissionsfassung unter Ablehnung der sozialdemokratischen
Anträge angenommen.
Das Haus vertagt die Beratung auf morgen 1 Uhr.
Außerdem soll der Diätenantrag in dritter Lesung beraten
werden.
Baden.
L.rss. Do naues «hingen, 9. Mai. Der Kaiser
fuhr heute Mittag 5.30 Uhr mittels Sonderzugs nach St.
Georgen zur Auerhahnbalz und wird noch heute wieder
zurückkehren. Der Kaiser reist morgen früh 8.50 Uhr
nach Strahlung.
Baden-Baden, 9. Mai. Die Kaiserin empfing
heute den Besuch des Groß Herzogs und der Groß-
herzogin von Baden. An der Frühstückstafe! nahmen
das großherzogliche Paar, der Herzog von Sachsen-Alten-
burg, Großfürst Michael Nicolajewitich und die Fürstin
von Lippe teil, ferner Prinz Moritz ron Sachsen-Alten-
burg, Prinzessin Wilhelm, Prinz Karl von Baden und die
Erbpii-zessin von Anhalt.

Die kunstgewerbliche Ausstellung des Mann-
heimer Kunstgewerbevereins „Psalzgau"
in Mannheim.
Vor einigen Tagen eröffncte der Mannheimer Kunst-
gewerbe-Verein „Pfalzgau" eine S ander aus stellt! ug
von Arbeiten auf kunstgewerblichem Gebiete, die
zwar nicht besonders reichhaltig an Zahl der ausgestellten
Gegenstände ist, dafür aber sich um so interessanter inbczug
auf Leistungsfähigkeit und künstlerischen Wert stellt. Mit
ganz verschwindend kleinen Ausnahmen sind die ausgestell-
ten Gegenstände originell in der Auffassung wie Aus-
führung. Die Ausstellung ist geschickt und gut gruppiert,
nur schade, daß die Lichtvcrhältnisse keine besseren sind.
Die meisten ausgestellten Arbeiten sind in den sogen,
modernen Stilformen gehalten und tragen zum größten
Teile den Stempel vornehmer, würdevoller Einfachheit
an sich.
Die Kunstschmiedcarbeiten sind vortrefflich vertreten;
die Firma I. Neuser-Mannheim stellt einen Teil eines
Treppengeländers und ein Grabkreuz aus, welche Arbeiten
musterhaft und mit vielem Verständnis hergestellt sind und
dem Charakter des Schmiedeeisens vorzüglich entsprechen.
Ausgezeichnet ist auch das Barockschmiedeisenthor und andere
Kunstschloffcreien der Firma Lay L Sohn. Die Aktien-
gesellschaft für Eisen- und Broncegießerei, vormals C.
Flink, stellt ihre bekannten Broncegüsse aus, die jede An-
erkennung verdienen. Stark sind auch die Dekorations-

und Möbelerzeuguiffe vertreten. Von hohem künstlerischem
Werthe sind die Zimmereinrichtungen der Hof-Möbelfabrik
L. I. Peter-Mannheim. Reizend dekoriert und vorzüglich
gruppiert wirkt das Empfangszimmer von Heinrich Schar-
pinet-Manuheim.
Stickereien und Teppiche sind in mannigfacher Art vor-
handen. Die Handarbeiten der Firma Martha Krieg sind
vorzüglich in ihrer Art. Fräulein Löffler in Heidelberg
hat die erforderlichen Entwürfe und Zeichnungen geliefert,
die von einem tieferen Eingehen in die Naturformen und
von kräftigem Empfinden sprechen. Auch die Farben-
zusammenstellung ist gut gelungen. In Knüpfteppichen
sind reizende Sachen vorhanden; Adolf Sexauer Nach-
folger und Ciolina L Hahn stellen moderne Teppiche nach
Entwürfen von Prof. Eckmann und Länger aus, die sich
überall sehen lassen können.
Selbst die Mutter der Künste, die Architektur, ist
würdevoll vertreten. W. Leonhardt-Mannhcim stellt seine
mit dem 2. Preise bedachten Entwürfe zum Mannheimer
Hansahaus, den er in Gemeinschaft mit F. Berger-Stettin
errungen hat, aus. Ferner noch zwei weitere Entwürfe
zu Konkurrenzfassaden des Bremer Wettbewerbs. Sämt-
liche Objekte sind in flotter Federmanier zur Darstellung
gebracht und auch als Entwürfe von großer Bedeutung.
Auch die Photographie stellt ihren Mann. Die Ateliers
C. Ruf und H. Lill, beide in Mannheim, stellen Ton-
bilder, teils Bildnisse, teils Landschaften, aus, die wirklich
das Erreichbare erreicht haben. Engelhard und andere
Tapetenfirmcn stellen moderne Tapetenmuster und Lincrusta

aus, die famos in Farbe und Zeichnung wirken. Mit der
Glaskunst, denn von einer eigentlichen Glasmalerei kann
mau heute wohl nicht mehr sprechen, ist die Ausstellung
gut versorgt. Karl Lehmann und Friedrich Lehmann in
Mannheim haben gute Sachen ausgestellt.
H. Beilcr jun.-Heidelberg stellt Kunstverglasungen aus,
die alle Achtung und Aufmerksamkeit verdienen. Die
Hauptstützen des Kunstgewerbes, die Dekorationsmalerei
und Dekorationsplastik, sind nicht besonders zahlreich und
auch nicht von hervorragender Bedeutung vorhanden. Die
Haas'schc Druckerei in Mannheim hat hübsche Druck-
sachen in die Ausstellung gebracht; selbst die offizielle An-
sichtspostkarte fehlt nicht. Die Firma Wotzka-Mannheim
stellt Entwürfe zu Kaminvorsetzer und einen solchen
in natura der Thonwarenfabrik F. Ncrbel-Mosbach aus,
die vollkommen auf der Höhe stehen, schade daß diese Ob-
jekte nicht reichhaltiger vorhanden sind. Hofjuwclier Heisler-
Mannhcim zeigt in seinen Arbeiten tüchtiges Können und
künstlerischen Geschmack.
Die Hauskunst ist durch die Arbeiten des Fräul. Bu-
kette Hagen, Frau Eugenie Kaufmann und andere Mann-
heimer Damen in mannigfacher Art vorhanden und
größtenteils von schönstem Erfolge gekrönt. Frau Kauf-
mann weiß sogar das Kupfer sich ihrer geschickten Hand
nutzbar zu machen und stellt Arbeiten in getriebenem
Kupfer und Bronze aus; vielleicht sehen wir das nächste-
mal ein Schmiedeeiscnwerk, worauf ihre Namenszüge
prangen. Entwürfe und Skizzen für Gegenstände kunst-
gewerblicher Art sind von den Architekten H. Walch und
 
Annotationen