Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 27-50 (1. Februar 1901 - 28. Februar 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0203

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Dienstag, 5. Februar 1901.

Erstes Blatt.

xxxxm. Jahrgang. — kr. 30.


^eint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Hans gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
^ zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
öeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
^ und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

"u den Bermählungsfeierlichkeiten im Haag.
Ankunft des Bräutigams.
Haag, i. Februar. Tray des gerade nicht sehr ein
checkt" Wetters, denn Schneegestöber und Tauwetter
^chseln miteinander ab, hatten sich gestern, wie man der
dem - schreibt, sowohl am Bahnhof als auch vor
s>»it> ^"'üdschrn Palast Tausende von Neugierigen einge-
^ den, die Zeugen der Ankunft und der Begegnung des
Heinrich mit seiner königlichen Braut sein wollten,
den Niederlanden hat das Wort „Bräutigam" und
eine etwas engere Bedeutung, als nach dem
buchen Sprachgebrauch; während bei uns von dem Augen-
sxj an, hg der Herzensbund zweier verwandten Seelen,
^ durch besondere briefliche Mitteilung oder durch Zei-
dio?^lizetgen, in das Stadium der öffentlichen Bekannt-
. "3 getreten ist, auf die Verlobten in der Regel die
d, ^chnung Braut und Bräutigam ohne weiteres ange-
tz d°et wird, haben die Verlobten nach niederländischem
erst dann das Recht, sich diese Anrede gefallen zu
"^nn vor dem Standesbeamten die gesetzlichen Förm-
ten des Aufgebots u. s. w. erledigt sind, und von
tz sbtn Zeitpunkt an bis zur Vollziehung der Ehe sind sie
M?atleute, während die Verlobung, „rioü enAUAsoröii",
gütlich den Zweck hat, datz sich das heiratslustige Paar
lim ^itig näher kennen lernt, um nach kürzerer oder
^gerer Probezeit entweder den Bund für das ganze
ö" schließen oder, was gerade auch nicht zu den
Id. "ahmen und Seltenheiten gehört, einander die Freiheit
tz ^ zurückzugeben. Herzog Heinrich, der noch einfacher
dy "obter der Königin war, als er sich das letzte Mal
ihr verabschiedete, ist jetzt als Bräutigam in sein
>>t, ^ Vaterland zurückgekehrt, nachdem der Standesbeamte
ltzxs,H"ag von den Stufen des Rathauses, der gesetzlichen
gx, ""Mung gemäß, die Hände auf ein purpurnes Kissen
„hgt vool-AsnomtW üarvalijlc" zwischen dem Herzog
h^, "er Königin der zu diesem Zweck besonders zahlreich
geströmten Masse verkündet hatte. Aber auch noch
h, ^e Veränderungen sind während dieser Zeit mit dem
sst^og vor sich gegangen. Durch ein besonderes Gesetz
den niederländischen Staatsverband ausgenommen
^ ^n, nachdem er auf seine staatsbürgerlichen Rechte in
Lx,, Irland oder vielmehr Mecklenburg verzichtet hat. Nach
Schwerin hierher gelangten Berichten hatte sich
»lg H^zog einer tiefen Bewegung kaum erwehren können,
zum letzten Male inmitten seiner Regimentskameraden
^ ^ Und sich von ihnen verabschiedete. Außerdem hat
tz^"nigin ihrem Bräutigam den Titel und Rang eines
Iij„^ralmajors, und zwar L la onito sowohl der nieder-
^sichen, wie der indischen Armee und eines Kontre-
lijh.^als „sobout-dig-iiLetit", L lg, suita der nieder-
Marine verliehen. Was den Rang eines nieder-
itz^^lchen Generalmajors betrifft, so möge hier bemerkt
!>i> ?rri, datz dieser hierzulande Divisionskommandeur ist,
Brigadcverband in der niederländischen Armee nicht
As„^"chdem sich der Herzog in Schwerin von seiner
^ herzlich verabschiedet hatte, fuhr er nach Bremen
^bestieg hier den ans ihn wartenden Svnderzua nack

Stadt-Theater.

e^insa,

Hl Heidelberg, 5.

Si^>--«,ame Menschen", Schauspiel in 5
Hauptmann.

Februar.
Akten von

Darstellung gestern Abend war großen Lobes
"etz Die Teilnahme des Publikums achtungsvoll;
" ersten 3 Akten Beifall, der sich nach dem 4. Akt
"Igelstellung tzhr verstärkte. Der 3. Akt des Hanpt-
s,tz ^chen Buches war zweckmäßigerweise gestrichen. Vor
Jahren, im Frühjahr 1891 war das dritte der
dlyp?"urin'schen Schauspiele als Novität auf dem Spiel-
"es Deutschen Theaters. Ich vergesse den Abend
""kHz' Vuf der alten Weidendammerbrücke (sie war da-
st«dp^"ch nicht umgebaut), stand ich mitten in dem Groß-
"ie Diese Unmenge von Fahrzeugen und Menschen,
sie; " Mir vorüberzogen! Allein in der Brandung. Da
Vlick auf die Litfaßsäule nächst der Brücke,
cs in großen schwarzen Buchstaben: Einsame
2» diesen Worten liegt für den Großstadt-
r ^"it^ btwas wie ein Akkord von Trost und Mitgefühl.
!e>t; "lan zur Universität kommt, ist man so reis, so völlig
d ^ Man cs niemals im Leben wieder wird. Wer
M Hkktüre Bebels, Büchners, Häckels aufsteht, der.stellt
i">t,x ^ »einen reaktionären Masse" gegenüber als der ein-
^censch. i^d wenn in mitternächtlichen Gesprächen
i Weltanschauung des Langen und Breiten er-
morden ist, murmelt wohl der eine oder der andere

Holland. In Osnabrück wurde das Mittagmahl ein-
genommen, in Adenzaal fand der erste amtliche Empfang
auf niederländischem Boden statt, der Kommissar der
Königin (Regierungspräsident), sowie der in dieser Ab-
teilung kommandierende General, der Bürgermeister, die
Mitglieder des Gemeinderats waren auf dem Bahnsteig
erschienen; eine Kompagnie der Schütterei that als Ehren-
wache Dienst und wurde von dem Herzog inspiziert. In
Arnheim hatten sich dichte Menschenmassen ans
dem Bahnhof eingefunden, die dem Herzog, der indessen
hier nicht ausstieg, laut zujanchzten, und in Utrecht
hielt der Zug einen Augenblick still, um den Professor
Krämer, der den Herzog in den letzten Monaten in der
niederländischen Geschichte unterrichtet hatte, aussteigen zu
lassen. Etwas nach halb 8 Uhr fuhr der herzogliche Zug
in den Bahnhof der Staatseisenbahn in Haag ein.
Hier war der Empfang hochamtlich. Es glänzte
von gold- und silbergestickten Uniformen und von Ordens-
sternen, alle Großoffiziere des königlichen Hauses, die
Generalität, sämtliche Minister, der Kommissar der Königin
in Südholland, der Bürgermeister der Residenz, der deutsche
Gesandte, Gras Pourtalss, mit dem Sekretär und dem
Militärattache der Gesandtschaft, zahlreiche Hofwürden-
träger erwarteten die Ankunft des Zuges, bei dessen An-
näherung die Regimentsmusik der Grenadiere und Jäger
„Heil Dir im Siegerkranz" spielte. Als der Herzog, der
über seiner holländischen-Generalsuniform das Großkreuz
des niederländischen Löwen trug, ausgestiegen war, wurde
er von dem Oberhosmeistec, Baron du Tour van Belling-
chave, im Namen der Königin begrüßt. Unter den Tönen
des Wilhelmus wurde die Ehrenwache inspiziert, während
die Menge, die jetzt des Herzogs ansichtig wurde, in
lauten Jubel ausbrach. Im königlichen Wartezimmer
wurde der Herzog vom Präsidenten des Ministerrats,
Dr. zur. Pierson, mit eitler äußerst herzlichen Ansprache
begrüßt.
Als der Herzog durch die dichten Menschenreihen nach
dem Schlosse hinfuhr, war die Begrüßung so feurig
und herzlich, daß sie kaum einer Steigerung fähig ge-
wesen wäre. Wie weggeblascn war in diesem Augenblick
die Erinnerung an manches, was in deutschen Ohren
in den letzten Wochen nicht sehr angenehm geklun-
gen hatte. Packend war der Augenblick, als der Wagen
des Herzogs sich dem königlichen Schlosse näherte. Einige
Minuten vor 8 Uhr erschien die Königin, weiß gekleidet,
an einem der Fenster, begrüßt von den donnernden
Hurrahs der Menge vor dem Schlosse, dessen Zugang
nur in der allernolwendigsten Weise, d. h. so, daß der
Wagen des Herzogs durchfahren konnte, durch die Polizei
abgeschlossen worden war. Es war ein ungemein lieb-
licher Anblick, als die jugendfrische, im Glanze ihrer
Schönheit strahlende Königin den nahenden Geliebten er-
wartete. Nach Erledigung der notwendigsten Förmlich-
keiten konnte der Herzog seine königliche Braut in die
Arme schließen, während er der Königin-Mutter ehrfurchts-
voll die Hand küßte; die Menge war Zeuge dieser Be-
grüßung, die tiefe Stille, die während dieses Augenblicks
herrschte, bezeugte laut die innige Teilnahme, die dos
Volk bei dem Glück seiner vielgeliebten Königin empfindet.

von der jungen Sozialaristokratie voller Selbstgefühl: Em-
same Menschen.
In einen solchen Kreis nervöser Stimmungsmenschen
paßt der Hauptmann'sche Johannes Vockerat. Er ist
eigentlich, kurz und gut gesagt, noch ein ganz grüner Junge
in intellektueller wie sittlicher Beziehung; ein Mensch, der
sein Leben so gestaltet hat, daß ihm nur die Anbetung
und Bewunderung einer Frau, sei es die eigene oder eine
andere, Rettung bringen kann I Und nun muß ausgerechnet
so ein kluges Frauenzimmer, wie die Anna Mahr, daher-
kommen, ihre gelehrten Kommilitonen in Zürich im Stich
lassen und Johannes' Arbeitsgenosfln werden.
Mit Verlaub, Menschen vom Schlage der Mahr suchen
nicht die Einsamkeit am Müggelsee in Gesellschaft eines
Johannes Vockerat; die gehen auf und davon und lachen
das moderne Siegerlachen.
Einsame Menschen, d. h. wohl ein wenig Menschen,
die in der Wüste wohnen oder unter Menschen, die
eigentlich nicht Menschen sind. Es soll eine tiefe Kluft
sein zwischen den alten Leuten, die der Orthodoxie des
Christentums anhängen, und den Jungen, die sich zum
biologischen Evangelium bekennen. Hie Glaube an die
Vorsehung! Hie Empeirio-kritiko-physio-Psychologismus!
Bei Licht besehen ist dieser Johannes um nichts tiefer als
seine braven alten Eltern und seine treue kleine Hausfrau;
das Umgekehrte ist vielleicht richtig und ein passenderer
Titel für das Ganze wäre vielleicht: Nervöse Söhne.
Die alte Frau Vockerat kann es nicht länger mit an-
schen, wie. die Mahr ihrem Sohne „den Kopf verdreht",

Deutsches Reich.
— Der „Reichsanzeiger" meldet: Auf besonderen Be-
fehl des Kaisers wird die Trauer um die Königin von
England vom königlichen Hofe im ganzen drei Monate,
in der ersten Hälfte bis zum 8. März in der tieferen
Form, bis zum 22. April in der weniger tiefen Form
getragen.
— Prinz Heinrich von Preußen ist L, In suits der
englischen Flotte gestellt worden.
Deutscher Reichstag. Berlin, 4. Febr. Etat des
Reichsjustizamts.
Abg. Bassermann (natl.) bringt Beschwerden vorüber
die Verschlepvung von Prozessen in der bayerischen Pfalz.
Redner bespricht weiter die Frage der kaufmännischen Schteds-
und Sonvergerichte und fragt schließlich an, wie weit die gesetz-
liche Regelung der Sicherung der Bauhandwerker gediehen sei.
Staatssekretär Dr. Niebcrding bedauert, über die Rechts-
zustände in der Pfalz sich sachlich nicht äußern zu können. Wenn
ibm Material zugestellt werde, wolle er es prüfen, lieber die
Sicherung der Bauhandwerker habe die betreffende Kommission
die Beratungen abgeschlossen, sei aber nicht einig geworden.
Sie habe zwei Gesetzentwürfe ausgestellt; derzeit liege es bei
Preußen, welchem von den beiden Gesetzentwürfen es hei-
treren wolle.
Abg. Beckh- Koburg (freis. B.-P.) fragt an, wie weit die
gesetzliche Regelung der Entschädigung unschuldig Verhafteter
gediehen sei. Eine darauf bezügliche Resolution werde er bei
der 3. Lesung einbringen.
Staatssekretär Dr. Ni eberding: Betreffs der Frage der
Entschädigung unschuldig Verhafteter habe der Bundesrat be-
schlossen, der letzten Resolution des Reichstages in dieser Frage
nicht zuzustimmen, d. h. natürlich nur in dem Sinn, daß dem
Bundesrate derzeit die Vorarbeiten nicht genügen, um sich mit
der Sache zu befassen.
Abg. Stadthagen (Soz) tritt lebhaft für die Entschädi-
gung unschuldig Verhafteter ein und beklagt die immer mehr
anwachsende Ueverlastung der Richter.
Staatssekretär Dr. Niebcrding erkennt die ganz außer-
gewöhnliche Arbeitslast der Richter in Berlin an. Bon einer
Überlastung der Richter bet dem Reichsgericht aber könne nicht
die Rede sein. '
Abg. Czarlinski (Pole) beschwert sich über Ungesetzlich-
keiten bei der Beurkundung des Personenstandes in den polnischen
Landesteilen.
Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.) fragt an, wie weit durch
die Regierung die gesetzliche Regelung des Privatversicherungs-
wesens, die Behandlung jugendlicher Verbrecher und die bedingte
Verurteilung gediehen sei.
Staatssekretär Dr. Nieberding: Die Vorarbeiten zu
dem Pcivatversicherungsgesetz seien im Gange. Die Vorarbeiten
über die gesetzliche Regelung der Behandlung jugendlicher Ver-
brecher gestalte sich sehr schwierig. In der Frage der bedingten
Verurteilung muffe das Haus Geduld haben. Es wäre ein
taktischer Fehler, dem Reichsjustizamte die Erwägungen der
Einzelstaaten zur Beschleunigung aufzutragen.
Abg. Dr. Böckel (wild antisem.) spricht dem preußischen
Justizminister die volle Anerkennung darüber aus, daß die
Gerichtsvollzieher in Preußen endlich staatlich angestellt seien
und bittet den Staatssekretär, dafür zu sorgen, daß die Gerichts-
kosten herabgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft erhebe viel-
fach bet Kleinigkeiten Anklage, dagegen sei eine große Anzahl
von Verbrechen noch ungesüynt, wie z. B. die Konttzer Mord-
that, wobei in den ersten Tagen versäumt worden sei, energisch
vorzugehen.
Rach Annahme eines Vertagungsantrages wird die Weiter-
beratung auf morgen veriagt.
Preußen.
Berlin, 4. Febr. Das Abgeordnetenhaus begann
heute die Beratung der Kanalvorlage. Das Zentrum

sie kann ihre Schwiegertochter nicht länger leiden sehen,
und sie legt in beleidigender Weise der Mahr die Abreise
nahe. Die Mahr ist vernünftig und geht, und Johannes
sucht ein Grab im Müggelsee.
Selten haben wir mit solcher Gelassenheit die Bühnen-
vorgänge miterlebt wie gestern. Nur der vierte Akt brachte
etwas Gutes in der Auseinandersetzung zwischen Sohn,
Vater und Mutter. Einzelne Stellen von großer Schönheit
blitzten wie ein gütiges Licht hie und da auf. Oder ist es
nicht schön, wenn die Anna Mahr über ihre Freundschaft
mit Johannes sagt: „Da zog ich mir einen gläsernen
Pantoffel an, da stieß er an einen Stein und machte
„kling" ? Oder die Heimkehr des alten Vockerat und die
Begrüßung? Ist es nicht schön?
Der Alte wie die Mutter, Kätchen ebenso wie Braun
sind trefflich charakterisiert, aber das macht noch kein
Drama. Gute und tiefe Wirkung kann eben nur der letzte
Akt haben. Die Aufführung war wieder eint vorzüg-
liche Darbietung unseres Ensembles. Herr Direktor
Heinrich hatte wieder aufs eifrigste mit seinen Dar-
stellern studiert. Ich nenne an erster Stelle Frl. Schön-
berg (Käthe). Wer diese nervöse, zarte, liebenswürdige,
kleine Frau gesehen hat, wird das so leicht nicht vergessen.
Die starke, kluge, gütige Mahr lag Frl. Herte r vorzüg-
lich, eine sehr schöne, ausgeglichene Leistung. Die alte,
etwas thörichte Mama Vockerat hatte in der Darstellung
des Frl. Krüger sehr viel Sympathisches. Sie kommt
im Ehrenalbum unserer Mütterdarstellerin gleich neben die
Mutter Wolffn ans dem „Biberpelz" zu stehen. Birn-
 
Annotationen