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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1901 - 31. Januar 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0065

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Freitag, 11. Januar 1901.

Erstes Blstztt.

XXXXHI. Jahrgang. - Sir. 9.






Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
^nzcig enprcis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Prsvatanzeigen ermäßigt: — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fcrnsprech-Anschluß Nr. 82.




Die „Heidelberger Zeitung" kostet nach wie vor frei in's Haus gebracht im Monat nur S« Pfg., in der
Expedition oder bei unseren Zweigstellen abgeholt nur 40 Pfg.


Vom Krieg in Südafrika.
Von den fünf oder sechs Burenkommandos, die in's
Gebiet der englischen Kopkolonie eingedrungen sind, ist die
eine schon bis Picketberg, etwa 150 Kilometer von Kap-
stadt, vorgedrungen. Die 200 000 Mann englischer
Truppen, die sich in Südafrika befinden, sind über das
ganze Kriegstheater zerstreut. Das giebt den Buren die
Möglichkeit, unter kühner Führung in kleinen Trupps jetzt
sogar im englischen Kapland herumzuschwärmen und die
Engländer aus's empfindlichste zu belästigen, ija sie in
schwere Sorge zu bringen. Beim Picketberg hat sich
ihnen eine englische Radfahrertruppe entgegengestellt und
soll den dort befindlichen Paß vor den Buren besetzt
haben. Nach späleren Nachrichten wäre es zu einem
Kampfe dort nicht gekommen. Daß die Buren bis an den
Picketberg vorgedrungen sind, wird aber auch in dieser
Meldung nicht bestritten.
In Kapstadt herrscht begreiflicherweise große Anf-
ügung. Die Engländer dort sehen schon den Augenblick
voraus, da ihnen die Buren in der Hauptstadt der Kolonie
«guten Tag" wünschen werdest und sind, wie man sich
denken kann, von dieser Aussicht durchaus n'cht entzückt.
Eine Meldung aus Kapstadt, welche die „Münchener
Neuesten Nachr." wiedergeben, lautet: Der Vormarsch
der Buren schreitet stetig fort. Seine Unterstützung
durch Zulauf derKapholländer wächst. Die West-
kolonne okkupierte Llanwilliam, das verstärkte Sutherland-
korps unter Hcrtzog nähert sich Ceres, wo die Vereinigung
Mt dem Westkorps beabsichtigt ist zum gemeinsamen
Pormarsch auf Kapstadt. General Dewet, vermut-
kich von Norden allein unterwegs, leitet einheitlich die
Operationen in der Kapkolonie. In Transvaal hält
Delarey mit 5060 Buren die Magalisberge unerschüttert
gegen die wiederholten Angriffe der englischen Generale
Elements, Paget und Gordon.
Sehr wichtig ist, was da über den Zulauf von Kap-
Holländern zu den kämpfenden Buren gemeldet wird. Wenn
E dahin kommen sollte, daß die Kapburen mit ihren
Prüüern gemeinsame Sache machen, dann stehen die eng-
Uschen Aklien sehr schlecht. Aus jener Mitteilung kann
vian ja den ersten Anfang eines Aufstandes im Kapland
herauslesen. Es darf indessen nicht verschwiegen werden,
haß andere Meldungen erzählen, die Kapholländer sähen
heil Einmarsch der Buren nicht gerne. Englische Berichte
sprechen sogar davon, daß Kapholländer sich zur Be-
kämpfung der Buren in die Reihen der Engländer ein-
Kellen lassen. Doch das sind, wie gesagt, englische
Meldungen.
Kennzeichnend für die augenblickliche Lage ist der Um-
stand, daß aus London gemeldet wird: Gerüchtweise ver-
mutet, daß der Vorschlag aittgctaucht fei, dem Premier-
minister von Canada, Lauvier, die Vermittlung zwi-
schen England und Transvaal zu übertragen.

Selbst wenn das Gerücht sich nicht bewahrheiten sollte,
so ist sein Auftauchen im gegenwärtigen Augenblick doch
sehr charakteristisch.
Nachstehend noch einige weitere Nachrichten:
London, 10. Januar. Bei Reuter sind eine ganze
Reihe Nachrichten aus Südafrika eingegangen, aus
denen hervorgeht, daß die Engländer bei Kapstadt
und zwar auf der Ebene zwischen der Tafelbai und False-
bai Bert eid i g un gswerke errichten werden und daß
bet Graaf Rcinet mehrere Gefechte stattgefunden
haben. Die Engländer bekamen Fühlung mit den Buren,
die aber zogen sich vor Herankommcn der Engländer zurück.
London, 10. Januar. Eine Depesche Lord Kit-
cheners aus Pretoria vom 9. d. Mts. besagt: Die
Buren griffen gleichzeitig sämtliche Posten der
Engländer in Belfast, Woudecfontein, Nooitgedacht, Dyld-
fouteiu und Pan bei dichtem Nebel in der Nacht zum
7. Januar an. Die Buren wurden nach einem
schweren Gefechte zurückgetrieben. Die Verluste
der Engländer betragen: 21 Mann tot, darunter 1 Haupt-
mann, 62 Mann verwundet, darunter 3 Offiziere. Die
Buren ließen 21 Tote zurück. Weiter wird gemeldet: Ein
englischer Zug wurde nördlich von Krügersdorp gestern
von dem Kommando Beyer angegriffen. Die Buren wur-
den zurückgetrieben und ließen 11 Tote zurück. Die bri-
tischen Verluste betrugen 1 Leichtverwundete.
London, 10. Jan. Aus Piquetberg vom 9. d.
wird gemeldet: Englische Truppen halten die Gebirgs-
pässe besetzt und werden den Buren, die in 3 Kolonnen
über Clamwilliam, Worcester und Piquetberg Heranrücken,
starken Widerstand leisten. Die holländischen Bewohner
der Gegend verhalten sich ruhig.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser hat angeblich die geplante Reise
nach Weimar zur Beisetzung des verstorbenen Groß-
herzogs von Sachsen aufgegeben; wie es heißt, soll die
Erkältung, die sich der Monarch vor einigen Tagen zuge-
zogen hat, die Veranlassung zu dieser Absage sein. —
Eine offizielle Bestätigung dieser Meldung liegt noch
nicht vor.
— Die „Nordd. Mg. Ztg" meldet: Dem Vernehmen
nach beauftragte der Reichskanzler den deutschen Botschafter
in Petersburg, dem Grafen Lambsdorff die aufrichtigen
Glückwünsche der deutschen Regierung dazu auszusprechen,
daß er durch das Vertrauen des Kaiser Nikolaus endgiltig
zur Leitung der auswärtigen Politik des russischen Reiches
berufen worden ist.
— Das nach China gehende Rekrutenkontingent
der Panzerdivision ist ungefähr 900 Mann stark und
wird von 12 Offizieren geführt.
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine Bekannt-

machung des kaiserlichen Kommissärs und militärischen In-
spektors der freiwilligen Krankenpflege, worin dieser mit-
teilt, daß das Haupimagazin in Tientsin angelegt sei.
Außerdem sei in Tongku ein Zweigdepot errichtet. Die
mit besonderen Aufträgen von ihren Standorten ausge-
sandten Truppenteile wurden mit Bekleidungs- und Ver-
pflegungsgegcnständen, insbesondere mit warmen Winter-
suchen, versehen. Der bei der Hauptsammelstelle in Bremen
lagernde Bestand an freiwilligen Liebesgaben gelangt Ende
Januar zur Versendung. Da alsdann die zur Verschiffung
kommenden Güter erst nach Beendigung der kalten Jahres-
zeit bei den Truppen eintreffen, ist es erwünscht, in nächster
Zeit von der Zuführung von Bekleidungsstücken für
die kalte Jahreszeit abzusehen. In erster Linie
ist außer auf Verpflegungsgegenstände, die nach wie vor
erwünscht find, insbesondere auf den Ersatz der Leibwäsche
Bedacht zu nehmen. Schließlich spricht der Kommissär
allen Gebern seinen warmen Dank aus.
Cronberg, 10. Januar. Kaiserin Friedrich be-
findet sich fortdauernd wohl und macht täglich Ausfahrten
im Park.
Deutscher Reichstag. Berlin, 10. Januar. Zweite
Beratung des Etats: Etat des Reichskanzlers und der
Reichskanzlei.
Hiezu liegt eine Resolution des Abgeordneten Grafen
Klinckowström vor betreffend Abänderung des Art. 19 des
Schlußprotokolls zu dem 1894 zwischen Deutschland und
Rußland abgeschlossenen Handelsverträge.
Abg. Mo lkenbuhr (Soz.) tadelt die Heranholung arbeits-
williger Arbeiter während der Aussperrung der Werftarbeiter in
Hamburg im letzten Sommer und deren Einquartierung im
Freihafengebiet. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel habe die
Rede des Kaisers die Arbeiter getroffen. Der Kaiser sei sicher
angelogen worden, denn die Aussperrung sei von den Unter-
nehmern provoziert worden. Der Reichskanzler habe dafür zu
sorgen, daß dem Kaiser nicht so offenbare Unwahrheiten hinter-
bracht werden, und habe gleichzeitig darauf zu achten, daß das
Freihafengcbiet nicht zu Wohnungen für Streikzwecke im Interesse
der Unternehmer benutzt wird.
Der Hamburger Bevollmächtigte Lappenberg erwidert,
die Firma Blohm und Voß habe sich damals an die zuständige
Behörde gewendet und diese hätte keine Bedenken getragen,
vorübergehend zu gestatten, daß dort Arbeiter wohnen. Der
Senat habe sich jedoch später gegen den Vertrag erklärt, und
inzwischen sei der Streik beendigt gewesen. Die Hamburger Be-
hörden hätten vollkommen korrekt gehandelt.
Abg. Graf Klinckowström (kons.) begründet seine Reso-
lution uns bittet um Ueberweisung derselben an die Budget-
kommission. Er bezweifle die Zuständigkeit des Reiches, das
Hoheitsrecht einem Bundesstaat derart zu nehmen, daß der
russische Finanzmtnister die Höhe der Tarife bestimme. Während
das ostpreußische Getreide 70 Frachtkosten bezahlt, zahle
das russische Produkt auf derselben Strecke nur 23 Redner
bittet um Ueberweisung der Resolution an die Budgetkommission.
Abg. Rickert (freist Ver.) erklärt, der Abg. Hammacher habe
schon 1894 ausgcführt, daß der Artikel 19 der deutschen Land-
wirtschaft keinen Schaden bringen könne.
Abg. Gerstenberger (Ztr.) stimmt der Resolution zu.
Abg. Graf Kanttz (kons.) betont, daß trotz der Resolution

II. Weingartner Konzert.
L. Heidelberg, 11. Januar.
Nachdem der geniale Dirigent auf seiner Sieges-
°ahn auch Heidelberg sich unterwürfig gemacht hat, war
^ Nicht weiter verwunderlich, daß gestern eine ungezählte
Menge sich zu seinem zweiten Konzerte dieser Saison ein-
end. Leider mußte das Programm wegen Erkrankung
Eines hervorragenden Mitgliedes der Kapelle eine Aenderung
^fahren. Leider! — Denn manche mißten wohl ungern
stNs Meistersinger-Vorspiel, während andererseits das
Hnndel'sche Konzert mit seinen Soloinstrnmenten eine an-
?knehme Abwechslung in die Reihe der Orchestermassen ge-
istcht hätte. An Stelle dieser beiden Nummern trat
^ethovens L-änr-Symphonie, das herrliche Frühlings-
«Edicht des Meisters, in dem er so gänzlich ungetrübt wie
!?nter kaum wieder von Lenz und Liebe im Menschenleben
^gt. Abgesehen von der „ Pastoralsymphonie" atmet keines
jE»>er großen Tonwerke so eitel Lebenslust und Daseins-
vniie wie die „Werte". Ich weiß nicht, ob es an mir
^Egt, wenn Weingartners Interpretation dieses Werkes mir
bst Vergleich mit seiner Vorführung der Eroika u. der 6-naoII-
ghlliphmttx nicht auszuhalten schien. Besonders schien mir das
dj"?gio zu unruhig und überhastet, wählend doch gerade
E>er Satz den ganzen Frieden und die heilige Ruhe eines

milden klaren Frühlingsmorgens ausdrückt. Von hin-
reißender Wirkung war dagegen der Vortrag der beiden
Schlußsätze. Es war interessant, gerade diesem in über-
mütiger Lebenslust schwelgenden Beethoven einen von tiefer
Wehmut erfüllten, gleichsam von frühen Todesahnungen
durchschauerten Mozart gegenübergestellt zu sehen; die
6l-ino1I-Symphonie gehört zu jenen Werken aus der letzten
Lebensperiode des Meisters, in welchen oft Töne ange-
schlagen werden, von den sich unsre Schulweisheit nichts
träumen läßt. Welche geheimnisvollen Klänge enthält das
Andante mit seinem in unerbittliche Gleichförmigkeit dahin-
schreitendcn Hauptthema, das todestraurige Anfangsallegro,
der sich leidenschaftlich aufbäumende Schlußsatz und der
düstre Menuet mit dem wunderbaren Trio, dem einzigen
Lichtblicke in all dieser Nacht! Hier gab uns Weingartner
sein Bestes, Mozart's Symphonie war auch in der Aus-
führung der Höhepunkt des Abends. Schade, daß die
Hörner diesmal nicht recht disponiert waren, wie man denn
überhaupt manchmal daran erinnert wurde, daß auch ein
so vollkommener Orchesterkörper nicht ganz und gar un-
fehlbar ist. — Von den beiden Ouvertüren hatten wir erst im
Vorjahre die zu Webers „Euryanthe" an gleicher Stelle
gehört. Sie ist ein Lieblingskmd der nachschaffenden Muße
Weingartners, daher wohl die Wiederholung. Wagners
„Holländerouvertüre" kann sich nicht des gleichen Vorzuges

rühmen, trotz aller auf sie (vielleicht zu viel?) angewendeter
Ausarbeitung machte sie gestern nicht denselben Eindruck wie
sonst. Es wäre sehr schön gewesen, wenn wir von Weingartner
einmal etwas Neues, hier nicht längst Bekanntes und Ein-
gebürgertes gehört hätten. Smetanas „Moldau-Symphonie"
gehört ebenfalls hiezu. Auch dieses prächtige Werk, „mu-
sikalische Landschaftsmalerei", errang wieder und nicht zum
Mindesten durch die ausgezeichnete Wiedergabe jubelnden
Beifall, der überhaupt den ganzen Abend rückhaltlos ge-
spendet wurde. 0. 8.

Kleine Zeitung.
— Straßburg. 10. Jan. Der angekündigte Auf-
stieg von Registrierballons ist heute früh an der
Füllstelle bei der Gasanstalt erfolgt. Der erste der unbe-
mannten Ballons stieg glatt in die Höhe, während der
zweite sich losriß, bevor die Registrierapparate angebracht
waren. Schließlich ist noch ein bemannter Ballon
ausgefahren. In demselben hatten Professor Dr. Hergsell
und der Major beim Generalstab des Gouvernements
Schwierz Platz genommen. Die Fahrt dient meteorolo,
gischen Zwecken. Bis heute Abend 6 Uhr war noch keine
Nachricht von einer Landung eingetroffen.
 
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