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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 101 - 125 (1. Mai 1901 - 31. Mai 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0821

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^Donnerstag, 30.Mai 1901._Erstes Blatt 43. Jahrgang. — üir. 124.


scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. frei in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgcholt 40 Pfg. Durch die Post br«
^ zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
^ileigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltigc Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Auschluß Nr. 82.


Me-üerug
der
Heidelberger Heilung.

Unfern verehrlichcn Lesern bringen wir zur
H Kenntnis, daß wir auch in diesem Jahre während
H der Reisezeit ein Reiseabonnement einrichten.
^ Wir senden die „Heidelberger Zeitung" an
Ai jede uns ausgegebene Adresse täglich unter Kreuz-
W band nach, wofür wir folgende Gebühren fest-
setzen :
Für Julaudssruduugeu die Woche 30 Pfg. A
„ Allslaudsseudunge« „ „ 45 Pfg. A
Ansenthaltsveränderunge», sowie die
Aufhebung des Reisebezugs bitten wir,
uns immer rechtzeitig Mitteilen zu wollen.
Verlag der Heidelberger Jeitang.


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Chronik.
(Vom 12. bis zum 25. Mai.)
Der Kaiser besucht die Hohkönigsburg und legt den
Grundstein zu ihrem Wiederaufbau.
Der »Beob." svricht sich scharf gegen die Eisen-
bahn g emeinschaft mit Preußen und die
Reichseisenbahngemeinschaft aus.
In Baden werden halbe Kilometerhefte elngcführt.
Der Reichstag wird bis zum 26. November ver-
tagt. In der letzten Sitzung war er beschlußunfähig,
so daß er das Branntweinsteuer-Notgcsetz nicht erledi-
gen konnte.
In Serbien hat man sich aufgrund von Aussagen
der Königin Drago und eines französischen Arztes auf
das baldige Erscheinen eines Thronerben gefreut. Nun
stellt sich heraus, daß diese Freude völlig unbegründet
war.
Der Kaiser feiert in Metz den Geburtstag des
Zaren mit einer Parade und nachfolgendem Festessen,
wozu auch die Herren von der russischen Botschaft in
Berlin eingeladen wurden. Die französischen Blätter
kalten sich über diese Feier ziemlich stark auf.
Der württembergische Landtag zeigt sich der
Einführung einer P o st - Einh ei t s mark c nicht ab-
geneigt; er verweist den bctr. Antrag einstimmig an
eine Kommission.
Bei ihrem Vorgehen gegen die fremdenPostämter
macht die Türkei so schlechte Erfahrungen, daß sie
den Rückzug antrirt.
Es ist wiederum eine Buren-Kolonnc in die
englische Kapkolonie cingedrungen.
Bei der R e i ch st a gs na ch w ahl im Wahlkreis
Greifswald-Grimmen kommt es zur Stichwahl zwischen
dem Freisinnigen und dem Konservativen. Die Zu-

nahme der freisinnigen Stimmen in dem ganz
ländlichen Wahlkreis ist sehr bemerkenswert.
Mai 22.: In Wre scheu ist es zu einem polnischen Schub
krawall gekommen. Die Schüler weigerten sich, im
Religionsunterricht deutsch zu antworten. Als sie ge-
straft werden sollten, erregten sie Lärm, worauf sich
eine Volksmenge zusammenrottete.
» 23.: Ter Königsmörder BrcSer hat Selbstmord verübt.
„ 24.: Der Khedive hat Arabi Pascha, der den Auf-
stand im Jahre 1881 erregte, unter Zulassung Eng>
lands begnadigt.

Zur Rückberufung eines Teiles der deutschen
Truppen.
lieber die deutsche Truppenstärke in China und ihre
Gestaltung nach der angekündigten Rückkehr der Haupt-
macht unserer Landtruppen und Seesoldaten giebt das
„Berliner Tagebl." folgende Zusammenstellung: Nach-
dem die Dampfer „Kiautschou", „Stuttgart" und
„Wittekind" über 800 kriegsunbranchbare Offiziere
nnd Mannschaften der Heimat zugesührt haben, stehen
im ganzen noch etwa 22 000 Mann ans chinesischem Bo-
den. Die Truppen setzen sich aus solgenden Forma-
tionen zusammen: 3 Jnfanteriebrigaden und 3 See-
bataillonen, im ganzen 15 Bataillonen, 1 Reiterregiment
zu vier Schwadronen, 8 fahrenden, 1 Feldhaubitz-, 1
Gebirgs- und zwei schweren Batterien, im gan-
zen zwölf Batterien mit 68 Geschützen,
einem Pionierbataillon, einein Eisenbahnbataillon, da-
zu Munitions- und Proviantffolonen, Pferdedepot,
Feldbäckerei, Sanitätskompagnie. Von diesen Truppen
bleiben in Nordchina rund 3600 Mann und in Tsing-
tau das dritte Seebataillon zurück. Da allen Anzeichen
nach im Uangtsegebiet, das noch einer scharfen Neber-
wachnug bedarf, außer den Kriegsschiffen ein starkes
Detachement Infanterie mich fernerhin stationiert wird
— seit der Ankunft des zweiten Expeditionskorps la-
gen ständig in Shanghai 400 Mann —, so ergiebt sich
für China ein künftiger Truppenbestand von 5400
Mann. Die dauernd im MarinediSnst befindlichen
Dampfer „Palatia" und „Krefeld" können 3000 Mann
befördern. Demnach ist noch Raum für reichlich 13 000
Mann erforderlich. Die Beförderung der drei Expedi-
tionskorps im Sommer 1000 beanspruchte die Ermie-
tung von 20 Dampfern. Für die Heimsendung von
18 000 Mann müssen mindestens 12 Dampfer gechartert
werden. _
Der Krieg in Südafrika.
Der „Times" wird aus Cradock 27. Mai folgende
Uebersicht über die militärische Lage gesandt)
Die Lage sei in der Kapkolonie weniger günstig
als in Transvaal. Die Mißerfolge gegen Krnitzinger,
Scheeper und Malan bilden nun schon seit drei Monaten
eine Hauptenttäuschung des Feldzuges. In den letzten
14 Tagen sei die Lage schlimmer geworden. Nach
mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen, Scheepers
kleine Schar aus dem Distrikt Graaf Reinet zu ver-
treiben, stehen die britischen Detachements im dortigen
Grenzgebiet dem mit 600 bis 800 Mann zurückgekehr-
ten Kruitzinger gegenüber. Bei Mariasburg haben die
Buren 41 Mann der Midiander berittenen Schützen
nach heftiger Gegenwehr gefangen genommen und be-
finden sich neuerdings 55 estgl. Meilen östlich von Cra-

dock. Kruitzinger habe die Absicht, einen Handstreich
gegen eine der Städte in dem Midland auszuführen,
der, wenn erfolgreich, ihm für lange Zeit Kleidung und
Lebensmittell verschaffen würde. Daher sei für die
nächsten Tage heftiges und entscheidendes Käm-
pfen zu erwarten. Die Hauptursache des beständigen
Erfolges der Buren sei die Unterstützung, die sie von der
Bevölkerung erhalten.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser, umgeben von den Herren des Haupt-
qnartiers und den fremdherrlichen Offizieren, darunter
der französische General Bonnal, besichtigte und exer-
zierte gestern wie alljährlich am 29. Mai die 2. Gard e-
I n f a n t e r i e b r i g a d e auf dem Tempelhoferfelde.
An die Gefechtsübungen schloß sich ein Parademarsch
aller beteiligten Truppenteile. Der Kaiser kehrte an der
Spitze der Fahnenkompagnie mit zahlreichem Gefolge,
darunter die französischen Offiziere, nach der Stadt zu-
rück, von der Menge lebhast begrüßt, und nahm das
Frühstück beim Offizierkorps des 2. Garderegiments ein.
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das Gesetz
betreffend den Verkehr mit Weinen, sowie
weinhaltigen nnd weinähnlichen Getränken. Das Ge-
setz tritt am 1. Oktober 1901 in Kraft.
— Das Kriegsministerium teilt mit: Dampfer
„Wittckind" mit d i en stun b ra u ch b a r e n Mann-
schaften des Expeditionskorps ist auf der Reise nach
Deutschland am 25. Mai in Colombo eingetrofßm
und fährt am 29. Mai weiter.
— lieber den Verkehr unserer deutschen Handels-
flotte in und nach ausländischen Häfen im Jahre
1900 geben die Schiffslistün der kaiserlichen Konsulate
einige interessante Daten. Den lebhaftesten Anteil an
diesem Verkehr deutscher Schiffe im Ausland nahm der
Hafen Middlesborough mit 299, dann Cardiff mit 298,
Southampton mit 288, Hüll mit 225, Kolding mit 220,
KonstantinopÄ mit 204, Bahia mit 141, Antosagasta
mit 92, Kotka mit 90, Hartlepool 89, Valenzia 79,
Archangel 58, Kalkutta 56 u. s. w. — Nach dieser —
allerdings bei weiten; nicht erschöpfenden — Liste ver-
kehrten in den 36 namhaft gemachten Häfen 2519 deut-
sche Schiffe mit insgesamt 3 416 522 Registertons.
Preuße«.
Berlin, 29. Mai. Der Parteitag der
polnischen Sozialisten hat sich mit dür Stel-
lung zur Polenfrage beschäftigt. In einer ein-
stimmig gefaßten Resolution erklärte der Parteitag es
für Pflicht der polnisch-sozialistischen Partei, die germani-
satorischen Bestrebungen der preußischen Regierung zu
bekämpfen und fordert für das polnische Volk in
Preußen völlige Autonomie nach dem Muster
Galiziens mit obligatorischer polnischer Amts-
sprache. lieber das Verhältnis der polnischen zur
deutschen Sozialdemokratie gab es stundenlange Debat-
ten, in denen namentlich der „Vorwärts" und der so-
zialdemokratische Parteivorstand heftig angegriffen
wurde. Es wurde beschlossen die bisherige selbständige
Organisation beizubehalten, aber in allen allgemein Po-
litischen Fragen mit der deutschen Sozialdemokratie zu-
sammenzugehen.

* Ermordung des Rittmeisters v. Krosigk
vor dem Kriegsgericht.
^ Gumbinnen, 28. Mai:
tzjw-xorgen beginnt vor dem Kriegsgericht der zweiten
^ "wu der Prozeß gegen die drei Unteroffiziere Mar-
^ Hsteckel und Domnig, welche angeklagt sind, ihren
den Rittmeister nnd Eskadronchef von
vom Dragoner-Regiment von Wedel (11. Pom.)
Men bezw. bei der That Beihilfe geleistet zu haben,
r in der neueren Geschichte der deutschen Armee
?wzig dastehende Fall hat bekanntlich das größte
erregt und die Oeffentlichkeit fortgesetzt auf
Est^Wchste erregt. Auch der Kaiser hat sehr großes Jn-
dem Vorfall genommen und sich wiederholt
M Kriegsherrn der zweiten Division, Generalleut-
.8en pM Alten, Bericht erstatten lassen. In der hie-
st>k>j„,^tadt sieht man, wie der „Berl. Lokalanz." be-
^ zf sowohl in Militär- als auch in Zivilkreisen
Tegx^wsgang tzes Prozesses mit größter Spannung ent-

^Mordete Rittmeister v. Krosigk war bei seinen
MEon sehr wenig beliebt. Er war im Dienst
° gewöhnlich hart und unnachsichtig und Mstrafte
^ No^Wsten Vergehen aus das strengste. Dazu neigte
"w'k zum Jähzorn. Er war deshalb von' seinen
Mßt Mcht nur gefürchtet, sondern vielfach tätlich ge-
war schon vor Jahr und Tag in dem früheren
^Uck wMorte seiner Eskadron Stallupönen zum Aus-
ffMSt, mo bereits einmal ein Attentat gegen ihn
^Ämllm^uwar.
M der m ^wnuar d. I. war der Rittmeister v. Krosigk
vierten Eskadron früh morgens MM Scharf-

schießen nach dem Scheibenstand ausgerückt. Nach der
Rückkehr ließ er die Schwadron in Abteilungen in der
Reitbahn schwierige Reitübungen, wie Nehmen von
Hürden und dergleichen ausführen. Die Karabiner hat-
ten die Mannschaften in dem Vorraum der Reitbahn
abgelegt. Um die Pfbrde an den Knall von Schüssen
zu gewöhnen, feuerte Rittmeister von Krosigk aus einem
Revolver Platzpatronen ab. Es war gegen 5 Uhr nach-
mittags, und die Abteilung, welche gerade geritten hdtte,
sollte die Reitbahn verlassen, um einer andern Platz
zu machen. Rittmeister von Krosigk gab dem Wacht-
meister den Revolver, und während dieser sich bückte,
um die Waffe in den Sand niederzulegen, ertönte plötz-
lich ein Schuß. Niemand ahnte den Zusammenhang.
Herr v. Krosigk rief erschreckt aus: „Wachtmeister haben
Sie geschossein?" Auch Leutnant Hoffmann, der sich
in der Nähe von Krosigk befand, rief: „Was ist denn
los, wer hat da geschossen?" In diesem Augenblicke be-
merkte Leutnant Hoffmann, wie Rittmeister v. Krosigk
wankte pnd umfiel. Er sprang zu, um ihn aufzufangen,
Herr v. Krosigk war aber bereits tot. Eine Kugel war
ihm durch das Herz gegangen. Inzwischen hatte sich der
Mannschaft eine allgemeine Panik bemächtigt. Der Kara-
biner wurde zwar noch rauchend im Vorraum gefunden,
der . Thäter chatte aber noch hinreichend Zeit. gefunden,
sich unter die Menge zu mischen. Ilm die Reitbahn zieht
sich ein dunkler Gang hin, in den Thüren und Wänden
befinden sich zahlreiche Gucklöcher, und es Pflegten bei
interessanten Reitübungen, namentlich bei denen dts
Rittmeister v. Krosigk, immer Soldaten durch die Löcher
zuzuschauen. Mit Bestimmtheit hat sich bisher nicht
feststellen lassen, von wo aus. der Schuß abgefeuert wor-

den ist; man nimmt aber ätt, daß der Thäter von dem
dunklen Vorraum aus eines dieser Gucklöcher benutzt
hat. Der Karabiner gehörte einem Dragoner, der sich
während der Mordthat in der Reitbahn befunden
hätte.
Zunächst wurde ein Fahnenschmied als der That
verdächtig eingezogen. Der mit den Ermittelungen be-
traute Berliner Kriminalkommissär von Bäckmann
stellte aber alsbald fest, daß dieser Mann nicht der Schul-
dige, sondern der einzige war, der überhaupt einige
Wahrnehmungen gemacht hatte. Dagegen lenkte sich
nunmehr der Verdacht auf den Unteroffizier Marten.
Derselbe sollte sich schon bei den nachträglichen Feststel-
lungen, welche Leute bei Abgabe des Schusses in der Reit-
bahn gewesen waren, sehr verdächtig benommen haben.
Dazu kommt, daß der Vater des Marten, der bis vor
kurzem Wachtmeister in der Krosigkschen Schwadron ge-
wesen war, fortgesetzt mit Rittmeister v. Krosigk Zwistig-
keiten gehabt hatte und von letzterem sehr oft scharf ab-
gekanzelt worden war, so daß Marten sen. schließlich in
eine andere Schwadron versetzt wurde. Die Anklage
nimmt an, daß der junge Marten, ivegen dieser Maß-
regelung seines Vaters, eines alten Soldaten, der auf
eine 30jährige, bisher tadellose Dienstzeit zurückblicken
konnte; dem Rittmeister v. Krosigk tätliche Rache ge-
schworen hatte. Zur Ausführung seiner Rachepläne
wurde er bestimmt, durch einen Zusammenstoß mit
v. Krosigk unmittelbar vor dem Morde. Während der
erwähnten Rcitübung war Marten vom Rittmeister
v. Krosigk heftig gerüffelt worden. Herr v. Krosigk
hatte ihn vom Pferd absteigen lassen und erklärt: wenn
er. (Marten) sein Pferd nicht in die Bahn zu bringen der-
 
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