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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1901 - 31. Januar 1901)
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Erstes Blertt.

XXXXUI. Jahrgang. - Ar. 17

Montag, 21. Januar 1901.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgcholt 40 Pfg. Durch die.Post ^be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für dir Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt.— Anschlag der Inserate auf den Ptakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Die schwere Erkrankung der Königin von
England.
Den ersten Andeutungen über eine bedenkliche Erkrankung
der Königin von England folgen weitere Marinierende Nach-
richten, welche Schlimmes für das Leben der greisen
Dionarchin fürchten lassen.
Die Kaiserin und Königin Victoria, welche am 24.
Diai ihr 82. Lebensjahr vollenden würde, folgte ihrem
Dheim, dem König Wilhelm IV., am 20. Juni 1837 auf
dem Thron von England und wurde 28. Juni 1838 ge-
krönt. Sie würde also in diesem Jahre ihr 64. Regie-
riingsjahr vollenden. Ihre (»he mit dem Prinzen Albert
don Sachsen-Koburg und Gotha währte von 1840 bis zum
Tode des Prinz-Gemahls im Jahre 1861. Die Monarchin
hat am 18. d. das Alter ihres Großvaters erreicht. der
Unter allen englischen Königen am längsten gelebt hat. Sie
hat alio jeden ihrer Vorgänger auf dem englischen Thron
an Lebensdauer übcrkroffcn und ebenso an Regierungszeit.
Im letzten Jahr hatte die greise Königin viel Trauer.
Sie verlor einen Sohn, den Herzog von Koburg, und einen
Enkel, den Prinzen Christian von Holstein.
Die Besuche der aus Südafrika Hnmgckehrten in Os-
bcrne haben die durch die Kriegsereignisse vielfach sehr an-
gegriffene Herrscherin tief erschüttert. Die Königin, die
sonst eine tapfere, auch in schwerer Zeit gefaßte Frau war,
Hit in neuerer Zeit häufig an Betrübnis und Niedergeschla-
genheit und weinte still vor sich hin. Einige Mitteilungen
aus London sprechen davon, daß die Königin nahezu er-
blindet sei; andere erzählen, sie hätte kürzlich einen leichten
Schlaganfall erlitten. Jedenfalls ist ihr Zustand sehr be-
denklich wie aus den nachfolgenden Depeschen hervorgeht.
London, 19. Jan. Ein offizielles Kommunique
sogt, daß die große Spannung im verflossenen Jahre das
Nervensystem der Kön igin bis zu einem gewissen
Erade angegriffen habe. Die Aerzte haben deshalb ge-
glaubt, anordnen zu müssen, daß die Königm in ihren
Eemächern vollständiger Ruhe pflege und sich für
den Augenblick mit öffentlichen Angelegenheiten nicht be-
schäftige.
London, 19. Jan. Die letzte Ausfahrt der
Königin in dieser Woche fand am Dienstag mit der
Vfltwe des Herzogs Alfred von Sachsen-Koburg und Gotha
statt. Die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag war
schlaflos, was bei der Monarchin äußerst selten vorkommt,
dagegen war die letzte Nacht sehr befriedigend.
Osborne, 19. Jan. Nach dem beute Mittag ver-
öffentlichten amtlichen Bulletin leidet Ihre Majestät die
Königin Viktoria an hochgradiger körperlicher Er-
schöpfung. Ihr Zustand erregt Besorgnis.
London, 19. Jan. Die Nachrichten über den Ge-
sundheitszustand Ihrer Majestät der Königin lauten
sehr beunruhigend. Die nächsten Angehörigen ver-
sonimeln sich um das Krankenlager.
London, 19. Jan. Der Prsnz von Wales, der
beabsichtigte, sich heute nach Sandrtngham zu begeben, ver-
ueß heute Nachmittag London und fuhr nach Osborne.
^>e Prinzessin von Wales hat heute Nachmittag
^andrmgham verlassen und ist nach Osborne abgereist.

Stadt-Theater.
L. Heidelberg, 20. Jan.
^ „Die schöne Helena", komische Operette von
^ucques Offenbach.
Das ob seiner Sünden vielgeschmähte, streng verurteilte
^ud in Grund und Boden verdammte Lieblingskind der
^sfenbach'schen-Muse hat wieder einmal seine frech-genialen,
^bcr unwiderstehlichen Weisen ertönen lassen und — einen
^°ßen Erfolg davongetragen. Freilich, wer unbefangen
^ diesen Weisen sich erfreuen will, der muß den Moralisten
auch den musikalischen! — daheim lassen, darf nicht
Mesgräniig jeder textlichen und musikalischen Unverschämt-
st nachgrollen, sondern muß dieselben in Kauf nehmen
^b kann dann über das übertolle, ausgelassene Stück sich
^endlich amüsiren. Wie frisch und reizend diese Töne
>eder an unser Ohr schlugen! Man muß immer auf's
^Ue über diese übersprudelndc Erfindungskraft des Man-
staunen, der vielleicht zu anderer Zeit und in anderer
s^gebung einer unserer Größten hätte werden können,
^»dessen — es muß auch solche Käuze geben!
. Die gestrige Aufführung war im großen u. ganzen eine
^gezeichnete.' Die gute Laune, von der die ganze Bur-
^'e erfüllt ist, harte alle Mitwirkenden erfaßt und teilte
^ iofort dem Publikum mit, welches dankbaren Herzens
y. guten und schlechten Witze entgegennahm. Der
h^enanteil des Erfolges gebührt der sowohl musikalisch
^ darstellerisch gleich hervorragenden Leistung des Frln.
dpenhöfer. Mit ihrer nicht großen, aber ungemein
Apathischen und gutgeschulten Stimme führte sie die zum

Sie blieb unterwegs nur eine Stunde in London. Mit
der Prinzessin von Wales reiste der Herzog von Jork von
Sandringham, mit dem Prinzen von Wales die Prinzessin
Luise, Herzogin von Argyll, von London nach Osborne.
Heute Mittag ist folgendes Bulletin veröffentlicht worden:
„Die Königin leidet angroßemVerfallderKörper-
krä fte, der von Anzeichen begleitet ist, die Beunruhigung
verursachen".
Berlin, 19. Jan. Der deutsche Kaiser reiste um
6 Uhr mit dem Herzog von Connaugth mittels
Sonderzuges nach London. In seiner Begleitung be-
finden sich die Generäle v. Kessel und v. Scholl, Korvetten-
kapitän v. Grumme und der Generalarzt Dr. Leuthold.
Berlin, 19. Jan. Der „Reich-anzeiger" veröffent-
licht eine Hofansage, wonach wegen der schweren Er-
krankung der Königin von Großbritannien
und Irland und wegen der Abreise des Kaisers nach
England die für den 21. und 23. d. M. in Aussicht ge-
nommenen großen Couren nicht stattfinden.

Aus dem Reichstage.
Während der Dounerstagsitzung erschien, wie die „Nat.-
Ztg." berichtet, im Sitzungssaale ein Reichstags-
diener mit einem großen wohlgefüllten Geld-
sack. Aber keine gewöhnliche Münze barg dieser Sack.
Sein Inhalt bestand vielmehr aus lauter Jubiläums-
münzen, Fünf- und Zweimarkstücken mit den Köpfen
des ersten und des jetzigen preußischen Königs, Münzen, die
bekanntlich in beschränkter Anzahl zur Feier des 200jährigcn
Bestehens des Königreichs Preußen geprägt worden sind.
Jeder Abgeordnete hatte daS Recht, zwei dieser Fünf-
und fünf dieser Zweimarkstücke sich einzuwechseln. Von
diesem Recht wurde eifrig Gebrauch gemacht, und eine
Zeit lang begleitete das Klappern der auf die Pulte auf-
gezählten Silbermünzen die mehr oder weniger schönen
sozialpolitischen Ausführungen der Redner.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser hat. durch Kabinetsordre vom 18.
d. M. der Marinestation der Nordsee 50 000 Mark
überwiesen, deren Zinsen zu Gunsten der Hinterbliebenen
von Seeoffizieren, die der Nordseestalion angehören ver-
wendet werden sollen. Die gleiche Summe wurde zu dem-
selben Zwecke der Marinestation der Ostsee zugewiesen.
— Die „Berliner Korrespondenz" meldet: Nach einer
Depesche vom Kommando des ostafiatischen Expeditions-
korps ist das Unglück beim Salutschießen in den
Peitangforts dadurch hervorgerufen worden, daß nach
einem Schlagrohrversager mit Feuererscheinung der Verschluß
eines eroberten Geschützes zu frühzeitig geöffnet wurde.
Die Vorschrift sagt ausdrücklich, daß nach einem Versager
mit dem Oeffnen des Verschlusses eine bestimmte Zeit ge-
wartet werden soll. Der in der Nähe befindliche Kartusch-
raum wurde in Brand gesetzt und das Unglück dadurch
wesentlich verschlimmert. Das Geschütz war eine eroberte
15 vm Kanone und nicht, wie zuerst gemeldet wurde, ein
deutsches Feldhaubitzrohr._ ,
Teil recht schwierige Partie der Helena mit sehr gutem
Gelingen durch. Ihre hübsche Erscheinung und ihr humor-
volles Spiel trugen das Ihrige bei, um eine ganz vor-
zügliche Gesamtleistung zu erreichen.
Der Paris des Herrn Runsky bot ebenfalls viel
Erfreuliches: ein routiniertes, manchmal nur etwas zu un-
ruhiges Spiel und eine im ganzen glücklich durchgeführte
Beherrschung seiner Gesangsparlie, wobei nur das Forcieren
der hohen Töne manchmal störend auffiel. Frl. Ptlna
war als Orest üurch ihr muntres Spiel und ihre musika-
lische Sicherheit gut am Platze. Ein Hauptanteil fällt
natürlich immer den eigentlich komischen Figuren des Stückes
zu und waren dieselben diesmal in den besten Händen.
Der Kalchas des Herrn Kal len berger, der Mcnelaus
(Hr. Meltzer-Burg) und Agamemnon (Hr. Wetn-
mann) sorgten durch ihre drastische Komik redlich dafür,
daß die übermütige Stimmung der Operette glänzend zur
Geltung kam. Die übrigen „Völkerfürsten", insbesondere
die beiden Ajaxe, erregten wie üblich das bekannte homerische
Gelächter. Da das ganze Werk sorgfältig cinstudiert schien,
Chor und Orchester sicher funktionierten, so ergab sich eine
flotte Vorstellung, welche unter der Leitung des Herrn
Kapellmeister Waliczeck, wohlverdienten Beifall fand.
O. 8.

Kleine Zeitung.
— Wölfe in Lothringen und im Rheinland. Der
„Metzer Zeitung" wirb gemeldet: Wölfe zeigen sich seit
einiger Zeit im Staatswalde. Beim Hofe Bagneux sind

— Die Personalveränderringen im Heere, die das
„Militär-Wochenblatt" in einer Sonderausgabe bekannt
gibt, haben einen größeren Umfang und sind zum Teil
schon durch den Telegraphen übermittelt. Die beiden
ältesten Generäle in aktiven Dienststellungen, v. Hahnke
und Graf v. Haeseler, wurden zu Generalobersten
befördert, deren Zahl dadurch auf vier gestiegen ist. Ob-
schon die Generalobersten den Rang der Generalfeldmarschälle
haben, wie dies beim Großherzog von Baden und dem
Frhrn. v. Los in der Rangliste besonders hervorgehoben
wird, ist dies bei der jetzigen Ernennung der beiden Ge-
neralobersten nicht zum Ausdruck gelangt, sodaß es scheint,
als ob mit dem Dienstgrad des Generalobersten fortan der
Rang des Generalfeldmarschalls nicht ohne weiteres ver-
knüpft sein soll. Von 208 beförderten L eutna n ts erhielt
eine erhebliche Anzahl ein Patent vom 1. Februar 1900,
und zwar wurden mit dieser Pate ntvo rd atierung
solche Fähnriche ausgezeichnet, die auf Gymnasien u. s.^w.
das Abiturienten examen gemacht haben. Diese
Berücksichtigung, die früher nur den Abiturienten des Ka-
dettenkorps zuteil wurde, ist zum ersten Male erfolgt;
diese Vordatierung umfaßt ein Jahr und wird daher für
den Nachwuchs unseres Offizicrkorps ein Ansporn sein, das
Gymnasium u. s. w. ganz durch zu machen und nicht vor-
zeitig abzugehen, sodaß die wissenschaftlichen Kenntnisse
unserer Offiziere dadurch eine weitere Hebung erfahren
werden.
— In Posen ist als gemeinsamer Reichstagskandi-
dat aller deutschen Parteien der Oberbürgermeister
Willing aufgestellt worden. Ein erfreuliches Zeichen!
Wilhelmshaven, 19. Jan. Der Lloyddampfer
„H. H. Meyer" ist heute Vormittag mit dem 900 Mann
starken Rekrutentransport für die in China befind-
liche Panzerdivision nach Ostasten gegangen.
Baden.
Karlsruhe, 17. Jan. Bei der Versammlung der
Amtsverkündiger-Verleger war am 6. Januar
in Rastatt beschlossen worden, eine Kommission von vier
Mitgliedern zum Minist er desJnnernDr. Schenkel
zu entsenden. Die Herren wurden nach der „Landesztg."
gestern empfangen und sind von den Mitteilungen, die bei
gegenseitiger offener Aussprache Dr. Schenkel gemacht hat,
befriedigt.
— Unter den Militärpersouen, denen anläßlich des
Jubiläums der preußischen Krone der erbliche Adel ver-
liehen wurde, befindet sich auch Generalarzt Dr. Strübe,
Korpsarzt des 14. Armeekorps.
ft Mannheim, 18. Jan. Der hiesige national-
liberale Verein hielt gestern Abend seine General-
versammlung ab. Bei der Erstattung des Jahresberichtes
wurde mitgeteilt, daß der Verein im abgelaufenen Jahre
eine rege politische Thätigkeit entfaltet hat. Auf dem
Lande wurde eine große Reihe von Versammlungen ab-
gehalten, die hauptsächlich den Zweck des Ausbaues der
Parteiorganisation in unserem Reichstagswahlkreis ver-
folgten. Die allwöchentlichen gemütlichen Zusammenkünfte
der Parteifreunde, die jeweils Donnerstags stattfinden,
drei gesehen worden. — Ein Jäger aus Köln schoß dieser
Tage in der Nähe des Ortes Brin im Rheinland einen
Wolf.
— Hunnenpackete. Aus Duisburg berichtet die
„Niederryeinische Volksztg.": Viel Kopfzerbrechen machte
der hiesigen Steuerbehörde eine kostbare Sen-
dung, welche gestern ein hiesiger Händler von seinem als
Seesoldat in China mitkämpfenden Sohn erhielt. Die
Sendung bestand aus einer Boxerjacke, einem seidenen
Hofbedienten-Anzug und einem prachtvollen Mantel
einer chinesischen Hofdame. Die beiden letzteren Kleidungs-
stücke sind vollständig neu und stammen aus einem kaiser-
lichen Palaste in Peking. Insbesondere ist der Mantel
ein Muster chinesischer Kunstfertigkeit in der Seidenbranche.
Er ist ganz aus bunter, feinster Seide hergestellt, mit
kostbaren Stickereien versehen und mit echten Gold-
fäden durchwirkt. Der etwa ein halbes Meter breite
Saum setzt sich aus schweren seidenen Strängen zusammen.
Das Zollamt wußte nicht recht, wie die Sendung zu
verzollen sei. Der Mantel wurde schließlich nach
seinem Seiden- und Goldwert zu 1500 Mk. taxiert, die
Livree zu 500 Mk. Im ganzen waren 41.70 Mk. Zoll-
gebühren zu entrichten. Der Empfänger der Sendung
beabsichtigt, die höchst interessanten Kriegstrophäen hier
öffentlich auszustellen.

— Auch eine Familienähnlichkeit. Ein älterer berühmter
Universitälsproft-ssor an einer süddeutschen Hochschule fuhr mit
einem Reisenden in einem Coups Letzterer erzählte unauf-
gefordert eine MenK Witze. Da unterbricht ihn der Professor
und fragt: „Entschuldigen Sie, sind Sie nicht Herr Wolter ans
 
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