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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 77-100 (1. April 1901 - 30. April 1901)
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Freitag, 26. April 1901. Erstes Blatt. 43. Jahrgang. — ssr. 97.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SV Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Auschluß Nr. 82.

_Die Bonner Kommersrede des Kaisers.
Bonn, 24. April. Auf dem heute zu Ehren des
Kaisers abgehaltenen Kommers hielt der Kaiser in
Erwiderung der Ansprache des Vorsitzenden des Korps
„Borussia" folgende Rede:
Es bedarf wohl für Sie, meine lieben jungen Kommili-
tonen. nicht besonderer Erwähnung oder Betonung, welche
Gefühle mein Herz durchzittern, wenn ich mich im lieben
Bonn wieder unter Studenten befinde. Es entrollt sich vor
meines Geistes Auge herrlich das schimmernde Bild voll
Sonnenschein und glücklicher Zufriedenheit, welches die Zeit
meines Hierseins damals erfüllte: die Freude am Leben,
die Freude an den Leuten, alt wie jung, und vor allem die
Freude an dem erstarkenden Deutschen Reiche. So ist denn
auch der Wunsch, der mich vor allem jetzt erfüllt, in dem
Augenblick, da ich meinen teuren Sohn in ihre Mitte reihe,
daß ihm eine ebenso glückliche Studienzeit beschieden sein
möge, wie mir einst geworden. Und wie sollte das auch
eigentlich anders möglich sein l Ist doch Bonn, die liebliche
Stadt, so gewöhnt an das Treiben lebensfroher Jünglinge,
und von Natur wie dazu geschaffen, findet der Kronprinz
doch Erinnerungen an seinen herrlichen Großvater, der
nimmer Bonns vergessen konnte — sein Auge leuchtete,
wenn der Name der ihm so lieb gewordenen Stadt genannt
wurde, an seinen Urgroßvater, den edlen Prinzgemahl, den
Lebensgefährten jener jetzt verklärten königlichen Frau, die
stets ein friedliches, freundliches Verhältnis
zwischen ihrem und unserem Volk, die ja beide
germanischen Stammes sind, an ge strebt hat, und so
manchen andern edlen deutschen Fürsten, der hier seine
Vorbereitung für seinen späteren Beruf durchlaufen hat.
Aber weiter noch: Bonn liegt ja am Rhein! Da
wachsen unsere Reben. Ihn umschweben auch unsere
Sagen, da redet jede Burg und Stadt von der Ver-
gangenheit. Unser Rhein mit seinem Zauber soll auch
auf den Kronprinzen und Sie seine Wirkung üben, und
wenn der Becher fröhlich kreist und ein frisches Lied
erschallt, dann soll Ihr Geist sich voll des schönen Augen-
blicks erfreuen und darinnen aufgehen, wie es lebens-
mutigen deutschen Jünglingen ziemt. Doch die Quelle,
woraus Sie Freude schöpfen, sie sei rein und lauter, wie
der goldne Saft der Reben, sie sei tief und nachhaltig wie
der Vater Rhein! Blicken wir umher im wonnigen Rhein-
land, da steigt vor uns unsere Geschichte in greifbarer
Gestalt empor. Ja, freuen sollen Sie sich, daß Sie
junge Deutsche sind, beim Durchziehen der Strecke von
Aachen bis Mainz, das heißt von Carolus Magnus zur
Glanzzeit Deutschlands unter Barbarossa! Aber warum
ward nichts aus all der Herrlichkeit, warum sank das
Deutsche Reich dahin? Weil das alte Reich nicht auf
streng nationaler Basis begründet war. Der Universal-
gedanke des alten römischen Reiches deutscher
Nation ließ die Entwickelung in deutsch-nationalem
Sinne nicht zu. DaS Wesen der Nation ist in der Ab-
gre^ung nach außen der Persönlichkeit des Volkes und
seiner Rasseeigentümlichkeiten entsprechend. So mußte
Barbarossa's Glanz erbleichen und des alten Reiches Be-
stand zerfallen, weil es durch seinen Universalismus an

Von den Bonner Festtagen.
Die lateinische Matrikel des Kronprinzen lautet auf
deutsch in freier Ucbersetzung wie folgt:
Glück und Segen! In Gegenwart und auf Befehl
Seiner Majestät Kaiser Wilhelms deS Zweiten, des er-
lauchten deutschen Kaisers und Königs von Preußen, des
wohlwollenden Förderers der rheinischen Friedrich Wilhelm-
Universität und unter dem Rektorat des Adolf Freiherrn
de la Valette St. George, Doktors der Medizin und
Philosophie, Ordentlichen Professors der Anatomie, Ge-
heimen Medizinalrats und Ritters des Ordens vom Roten
Adler und Kronenordens, gelobt Friedrich Wilhelm
Viktor August Ernst, der edle Sohn des deutschen Kaisers,
ein Prinz aus dem königlichen Stamme Preußens und
Erbe der deutschen Kaiserkrone und Königskrone von Preußen
als Student der Rechte mit Handschlag an Stelle des Eid-
schwurs Treue und Gehorsam den akademischen Gesetzen.
Nach Ablegung dieses Gelöbnisses ist er in die Zahl der
Hörer der rheinischen Friedrich Wilhelm-Universität ausge-
nommen worden, und zum Zeugnis dessen diese Urkunde
Mit beigedrücktem Jnsiegel ausgestellt. Gegeben Bonn, 25.
April 1901. (gez.) de la Valette, Rektor; Karl Hoffmann
als Sekretär der Universität.
An diese Matrikel ist ausnahmsweise das große Uni-
bersttätssiegel, in Wachs ausgedrückt, gefügt worden. Die
Matrikel ist einer großen braunen Ledermappe mit ge-
schmackvoller Goldverzterung einverleibt; seidene Schnüre
Mit Troddeln in den preußischen Landesfarben durchziehen
den goldverzierten Rand. Nach der Immatrikulation über-
gab der Univerfitätsrichter Riesenstahl dem Kronprinzen die

dem Krystallisationsprozeß zur Nation gehindert wurde
und zwar zur Nation im Ganzen; denn kleinere Kerne
krystallisierten sich in der Form starker Fürstentümer und
gaben den Grundstock für das neue Staatengebilde ab,
aber dadurch mußten sie und ihre Oberhäupter leider in
Konflikt mit dem, dem Universalismus dienenden Kaiser
und Reich gelangen und so ging der innere Friede dem
stets schwächer werdenden Reiche verloren. Leider muß
auch über diese Entwickelung unseres deutschen Volkes das
schwerwiegende Wort des großen Kenners Germaniens,
Tacitus, geschrieben werden: „xroxtor invickiam". Die
Fürsten neideten den Kaisern ihre Macht, wie einst dem
Arminius trotz seines Sieges. Der Adel beneidete die
reich gewordenen Städte und der Bauer beneidete den
Adel. Was für unselige Folgen, welch schweres Unheil
hat unser liebes Vaterland „xroxtsr jrrviäiain" erlitten!
Davon können die Gestade des Vater Rhein uns etwas
erzählen. Nun, was damals nicht gelang, Gott gab es
Einem zu vollbringen. Aachen und Mainz sind uns
historische Erinnerungen, aber das Sehnen nach Zu-
sammenschluß zu einer Nation blieb in des Deutschen
Busen und Kaiser Wilhelm der Große vollbrachte es im
Verein mit seinen treuen Dienern. Drum nach Koblenz
auf's „deutsche Eck" den Blick, nach Rüdesheim zum
Niederwald, die Bilder lehren und beweisen Ihnen, daß
Sie jetzt Germanen sind im deutschen Land, Bürger einer
streng begrenzten Nation, an deren Heil und Entwickelung
in Zukunft mitzuarbeiten Sie alle zur Vorbereitung hier
sind.
Herrlich emporgeblüht steht das Reich vor Ihnen.
Freude und dankbare Wonne erfülle Sie und der feste
mannhafte Vorsatz, als Germanen an Germanien zu arbeiten,
es zu heben, zu stärken und zu tragen durchglühe Sie!
Die Zukunft erwartet Sie und wird Ihre Kräfte ge-
brauchen, aber nicht, um sie in kosmopolitischen Träu-
mereien zu verschwenden oder in den Dienst einseitiger
Parteiinteressen zu stellen, sondern um die Festigkeit
des nationalen Gedankens und um unsere Ideale zu
pflegen. Gewaltig sind die Geistesheroen, welche der
Stamm der Germanen durch Gottes Hilfe hat hcrvor-
bringen dürfen, von Bonifazius und Walther von der
Vogelwcide bis auf Goethe und Schiller und sie sind zum
Licht und Segen der ganzen Menschheit geworden. Sie
wirkten „universal" und waren doch streng in sich selbst
abgeschlossene Germanen d. h. Persönlichkeiten,
Männer! Die brauchen wir heute mehr als je, mögen
Sic auch dahin streben, solche zu werden. Wie soll das
aber möglich sein, wer soll Ihnen dazu verhelfen? Nur
einer, dessen Namen wir alle tragen, der unsere Sünden
getragen und ausgetilgt hat, der uns vorgelebt hat und
gearbeitet, wie wir arbeiten sollen. Unser Heiland und
Herr, der pflanzt den sittlichen Ernst in Sie, daß Ihre
Triebfedern stets lauter. Ihre Ziele stets hehre seien. Die
Liebe zu Vater und Mutter, zum Vaterhaus und Vater-
land wurzelt in der Liebe zu ihm. Dann werden Sie
gefeit sein gegen Verlockungen jeder Art, vor allem gegen
Eitelkeit und Neid. Dann können Sie singen und sagen:
Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der
Welt! Dann werden wir auch fest und kultux,spendend in
Erkennung skarte. Sie lautet: „ Erkennungskarte für
den auf der K. Pr. Rhein. Friedrich Wilhelms-Universität
zu Bonn immatrikulierten Studenten stuäivsus Huris Wil-
helm, Kronprinz des deutschen Reiches und von Preußen,
Kaiserliche und Königliche Hoheit." Dann trat der Dekan
der juristischen Fakultät. Geh. Justizrat Professor Dr.
Seuffert, vor und richtete an den Kronprinzen folgende
Worte: „Kaiserliche und Königliche Hoheit! Als Dekan
der juristischen Fakultät habe ich Ew. K. und K. Hoheit
in das Album der juristischen Fakultät eingetragen, in das
nämliche Buch, in das vor 24 Jahren Prinz Wilhelm von
Preußen eingetragen worden ist als stuäiosus Huris, heute
Seine Majestät der Kaiser und König, unser allergnädigster
Herr. Im Namen der Fakultät überreiche ich Ew. K. und
K. Hoheit das Kollegien buch mit dem ehrerbietigen
Wunsche, daß Ew. K. und K. Hoheit Gefallen finden
mögen an der juristischen Lehre." Nunmehr sprach der
Rektor der Universität das Schlußwort: „Nun habe
ich die Ehre, Ew. Kaiserliche Hoheit als den jüngsten
unserer Kommilitonen zu begrüßen. Mögen die Tage,
welche Ew. Kaiserliche Hoheit in Bonn, der aufblühenden
Stadt an den herrlichen Ufern des Rheins verleben werden,
glückliche und freudige sein, und ernste Wissenschaft mit
fröhlichem Jugendmut vereinigen."
Der Kronprinz wohnt einstweilen im Hotel Royal;
die Villa König, die der Kaiser für den Bonner Aufenthalt
seiner Söhne erworben hat, ist im Innern noch nicht fertig-
gestellt.
Das Korpshaus der Bonner Borussia, welcher
der deutsche Kronprinz als jüngster Fuchs bestritt, wird

der Welt dastehen und ich werde ruhig meine Augen
schließen. Sehe ich eine solche Generation um meinen
Sohn geschaart heranwachsen, dann Deutschland, Deutsch-
land über Alles! In dieser Zuversicht rufe ich: Es lebe
die Universität Bonn!
Der Kaiser kommandierte sodann selbst den Salamander
auf die Bonner Studentenschaft, worauf sich endloser Jubel
erhob.

Das ««jährige Militärdienstjubiläum unseres
Grostherzogs.
Heute, am 26. April, begeht unser Großherzog sein
60jähriges Militärdienstjubiläum. Die Feier wird sich
nach den Wünschen des hohen Herrn in engstem Rahmen
vollziehen. Empfangen werden heute von ihm: Der
Generaladjutant des Kaisers, General der Infanterie von
Plessen, der ein Handschreiben des Kaisers überbringen
wird, die kommandierenden Generäle Generaladjutant und
General der Kavallerie von Bülow, Generalleutnant
Herwarth von Blttenfeld und General der Ka-
vallerie Graf Häseler für das 14., 15. und 16. Armee-
korps, der kommandierende General des 2. Bayer. Armee-
korps, General der Infanterie von Lylander. Ferner
Deputationen des Preußischen Ulanen-Regimcnts Großherzog
Friedrich von Baden (Rheinisches) Nr. 7, des 1. Badischen
Leib-Grenadier-Regiments Nr. 109, des 1. Badischen Leib-
Dragoner-Regiments Nr. 20, des 1. Badischen Feldartillerie-
Regiments Nr. 14, des Bayerischen 8. Infanterie-Regiments
und des 8. Württcmbergischen Infanterie-Regiments Nr. 126
Großherzog Friedrich von Baden. Die militärischen Ge-
bäude haben geflaggt. Die ausgehenden Mannschaften
tragen den Helm. Festlichkeiten der Offiziere u. s. w.
finden nicht statt.
Das „Militärwochenblatt" schreibt zu dem
Militärdienstjubiläum des Großherzogs: Was der Groß-
herzog der Armee und dem Vaterlande in guten und
bösen Tagen gewesen ist. verzeichnen die Blätter der Ge-
schichte. Als Vorbild ritterlicher Gesinnung und soldati-
scher Pflichttreue steht der erlauchte Schwiegersohn Kaiser
Wilhelms auch heute noch in unseren Reihen, eine der
edelsten Herrschergestalten unserer Zeit, ein deutscher Fürst
in des Wortes schönster und edelster Bedeutung. Wir
wissen uns eins mit unserem erhabenen Kriegsherrn, mit
der gesamten deutschen Armee und vielen Millionen dank-
barer Verehrer des Großherzogs in dem Wunsche, daß
Gott ihn in neugestärkter Gesundheit seinem Volke und dem
Reich noch lange erhalten möge als treuen und stets be-
währten Freund des Kaisers und des Heeres.
Großherzog Friedrich von Baden trat mit der am
20. Juli 1852 erfolgten Ernennung zum Chef des 7.
Ulanen-Regiments in Beziehung zur preußischen Armee, die
ihn von diesem Tage ab zu den Ihrigen zählt. Am Tage
seiner Vermählung, 20. September 1856, wurde er zum
preußischen General der Kavallerie ernannt und übernahm
die Jnhaberstelle seines Leib-Grenadier-, des Leib-Dragoner-
und des Badischen Artillerie-Regiments. Nach dem Kriege
gegen Frankreich, welcher eine noch engere Verbindung der
badischen Armee mit derjenigen Preußens durch Abschluß
der Konvention vom 25. November 1870 herbeiführte, die

als eine vornehme Villa mit großem, schönem, in der Kaiser-
straße gelegenen Garten geschildert. Es ist seit 1887 im
Besitz der Verbindung. Die eigentlichen Besitzer sind die
alten Herren des Korps, die ein erhebliches Kapital in
dieser Anlage stecken haben und zudem noch dauernd be-
deutende Zuschüsse leisten müssen. Von den Aktiven ist
nämlich nach dieser Richtung trotz eines ansehnlichen
Monatswechsels nicht allzuviel zu erwarten.
Im Korpshause der Borussen hängt ein im Jahre 1887
gemaltes Bild des Kaisers mit dem Stürmer auf dem
Haupte und dem Burschenbande über die Brust. Bei dem
letzten Kommerse der Bonner Korps am 6. Mai 1891
trug der Kaiser überdies die Kneipjacke der Borussen.
Unter den vielen Bildern von Fürstlichkeiten fällt ein Jugend-
bild Kaiser Friedrichs aus dem Jahre 1850 auf, die
Ähnlichkeit unseres Kronprinzen mit seinem Großvater tritt
scharf hervor. Versammlungsraum, Kneiplokal, Speise-
zimmer und Leseräume des Korpshauses sind von gediegener
Eleganz und höchstem Komfort. Ueberaus groß ist die
Zahl kostbarer Widmungen, wie bemalte Glaspokale, luxu-
riöses Silbergeschirr und wertvolle Möbelstücke. Ein alter
Herr des Korps hat Len Lehnstuhl erstanden, in dem Beet-
hoven seinen letzten Seufzer aushauchte; die Rarität ist
im Schreibzimmer aufgehoben worden. Einen Ehrenplatz
in der Waffenkammer nehmen die vom Kaiser gespendeten
Paradeschläger und ein Korpsspeer, der erste der Verbindung
aus dem Jahre 1827, ein. Einen besonderen Raum Hai-
der Einrichter des Hauses auch den von der Seekrankheit
befallenen Mitgliedern gewidmet. Zurzeit ist das trinkfeste
und waffenfreudige Korps nur acht Mann stark. Aber
 
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