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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 77-100 (1. April 1901 - 30. April 1901)
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Montag, 29. April 1901.

Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — str. 99.






Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der'Expedition und dm Zweigstellen abgebolt 40 Pfg. Durch die^Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder derm Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Auschluß Nr. 82.

Für die Monate

Mai und Juni

kostet die

„HridklbklM Zeitung"

durck die Post bezogen ohne Zustellung
nur SO Pfg.,

bei Zustellung durch den Briefträger frei ins
Haus Mk. 1.18.

An allen Orten, an denen wir Träger unter-
halten, kann die „Heidelberger Zeitung" durch
diese zum Preise von SO Pfg. im Monat frei
ins Haus bezogen werden.

Der Kaiser in Weimar.
Eisenach, 27. April. Der Kaiser ist heute Abend
hier eingetroffen. Unterwegs sprach er in Cronberg
bei der Kaiserin Friedrich vor und verweilte bei
derselben von 12 bis gegen 4 Uhr.
Zu Ehren des Kaisers fand hier ein Festmahl statt.
Bei demselben brachte der Großherzog ein Hoch auf
den Kaiser aus.
Der Kaiser erwiderte: Ich freue mich, meinen
herzlichsten Dank dafür auszusprechen, daß ich die alten
Beziehungen fortsetzen kann, die unsere Häuser verbinden.
Es ist mir immer eine Freude, auf dem geheiligten Boden
der Wartburg einige Tage im schönen Hügelland zubringen
zu können. Es ist mir stets eine angenehme Aussicht,
wenn der Frühling heranrückl. Der Beziehungen zwischen
meinem Hause und dem weimarischen sind viele und so viel-
fach, so innige und tiefe, daß sie der Erwähnung kaum
bedürfen. Die beiden Häuser sind miteinander unauflöslich
verbunden. Weimar hat großen Anteil an der Ent-
wickelung des Reiches und an seiner jetzigen Gestaltung;
denn in der furchtbaren Periode, als unser Vaterland da-
niederlag, haben die Geistesgrößen, die von
Weimar ausgingen, uns gerettet, indem sie den
Geist in unser Volk hineintrugen, der das neue Vaterland
vorbereitete. Ew. kgl. Hoheit sind der Verwalter des hohen,
großen bedeutenden Palladiums geworden, des Palladiums
der Wissenschaft, des Palladiums der Ideale, an denen
unser deutsches Vaterland und die deutsche Kunst so reich
sind. Hierher blicken infolgedessen von allen Gauen Deutsch-
lands die Gelehrten und Diejenigen, die sich noch ein jugend-
frohes Herz bewahrt haben, alle, welche noch an Ideale
glauben, und deshalb, wenn ich jetzt mein Glas erhebe,
trinke ich nicht nur auf den Bundesfürsten, sondern auch

auf den Bewahrer der Traditionen, der wir unsere geistigen
Güter verdanken. Seine königliche Hoheit der Großherzog
hurrah, hurrah, hurrah!

Vom 60-jährigen Militärdienstjubiläum des
Grotzherzogs.

Karlsruhe, 27. April.
Bei der gestrigen Frühstückstafel im Großherzoglichen
Schlosse wurden nach der „Karlsruher Ztg." einige An
sprachen gehalten:
Der Großherzog richtete zunächst folgende Worte
an seine Gäste:
Meine verehrten Anwesenden! Sie fühlen wohl alle
mit Mir, daß die Empfindungen der tiefsten Dankbarkeit
Mich bewegen, der Dankbarkeit für alles, was Mir an
Liebe, an Freundlichkeit und Kameradschaft entgegen
gebracht worden ist. Zu allernächst aber gilt Mein
Dank Seiner Majestät dem Kaiser dafür, daß er die
Gnade hatte, durch einen besonderen Abgeordneten Mir
seine Glückwünsche zu überbringen, Glückwünsche, die in
so tiefer Empfindung ausgcdrückt sind, daß Ich wünschte,
sie Ihnen allen Mitteilen zu können, damit Sie mit Mir
empfinden, wie tief Meine Dankbarkeit ist. Herr General
von Plessen wird die Güte haben, Stellvertreter für
uns zu sein in dem Ausdruck des Dankes an Seine
Majestät für jedes Wort — Ich darf wohl sagen —
der Liebe, der Güte und der Gnade.
Aber Sie Alle, Meine Herren, werden Mit mir auch
empfinden; wenn Ich Dankgefühle ausspreche, so muß
Ich auch im Rückblick Dank sagen, — ein Rückblick, der
sehr weit zurückgreift. Und in dieser frühen Zeit ist
ein Dankgefühl ganz besonders vorherrschend: das gilt
unserm Hochseligen Kaiser Wilhelm I. Denn in der
Zeit, da Ich den Dienst anttat, da waren auch schon
die Anfänge der Zeit, in der schwierige Verhältnisse
entstanden, und aus diesen ist eine Entwickelung hervor-
gegangen, die durch die Hilfe, durch den Rat und durch
die Kraft des damaligen Prinzen von Preußen zu dem
Ziele geführt hat, das immer erreicht werden muß, wenn
man durch schwere Zeiten hindurch geht, daß es besser
wird. Und das haben wir ihm zu danken. Diese Dank-
barkeit geht aber durch das ganze Leben dieses Kaisers
hindurch, und Ich kann nicht in Worte fassen, Meine
Herren, wie groß das Dankgefühl ist, das in Mir lebt,
wenn Ich an diese Zeiten zurückoenke und Mir vergegen-
wärtige, was Ich zu erleben hatte. Sie werden nicht
erstaunen, wenn Ich sage: Meine Beziehungen zu dem
Hochseligen Kaiser sind nicht der geringste Teil, der Mich
glücklich gemacht hat, denn es sind nun 45 Jahre, daß
Ich mit seiner Tochter verbunden bin.
Alle diese Dankgefühle, meine Herren, führen Mich
aber auch wieder zurück auf den Beginn dessen, was Ich
eben gesagt habe, auf unfern gegenwärtigen Kaiser, dem
Ich von ganzem Herzen und aus tiefster Seele wünsche,
daß er das, was sein Großvater geschaffen und befestigt
hat, erhalte, durchführe und stärke, und in dieser
Empfindung, Meine Herren, ergreife ich das Glas und

fordere Sie auf, es auf das Wohl unseres Kaisers,
Seiner Majestät Wilhelm II. zu lehren. Aui sein Wohl!
Hierauf brachte in einer Ansprache der General der
Kavallerie und Generaladjutant von Plessen als Vertreter
des Kaisers und Königs dem Großherzog den ehrerbietigsten
uud aufrichtigsten, herzlichsten Glückwunsch der gesamten
deutschen Armee aus.
Der Großherzog ergriff sodann zum zweiten Male das
Wort zu folgender Rede:
Meine Herren! Ehe Sie Ihr Glas niederstellen«
habe Ich noch eine werte Pflicht zu erfüllen und zwar
die. Meinen Dank auszusprechen für die besondere
Sendung, die Seine Königliche Hoheit Prinz-Regsnt
Luitpold von Bayern an Mich zu richten die Güte
hatte. Die Gesinnungen, welche Seine Königliche
Hoheit bei diesem Anlasse Mir kundgegeben hat, er-
füllen Mich mit aufrichtigstem Danke. Ganz beson-
ders erkenne ich dankbar die liebevolle und gütige Auf-
merksamkeit an, dem Regiment, dessen Inhaber Ich
bisher gewesen bin, nunmehr Meinen Namen schenken
zu wollen. Diese Aufmerksamkeit kann ich nur damit
erwidern, daß es Mein Bestreben sein wird, die guten
Beziehungen, die wir immer gehegt haben, das Re-
giment und Ich, künftig fest zu erhalten und zu
pflegen.
Zu der Dankbarkeit, die Ich Seiner Königlichen
Hoheit dem Prinz-Regenten schulde, schließe Ich aber
auch die Dankbarkeit an für das, was Seine Ma-
jestät der König von Württemberg so freundlich war,
an Mich zu richten durch sein schreiben und durch die
Deputation des 126. Regiments. Auch hier kann
Ich nicht dankbar genug sein für alles Freundliche«
das Mir bei diesem Anlasse zu teil geworden ist.
Sie werden gewiß gerne, Meine Herren, auch
noch hier einen Rückblick werfen, den Ich nicht unter-
lassen kann, in Ihrem Kreise zu erwähnen. Ich ge-
denke Desjenigen, der in dem letzten großen Kriege
die süddeutschen Truppen geführt hat, des Kaisers
Friedrich III. Es kann nicht fehlen, daß in unserem
Kreise auch seiner gedacht wird, und indem Ich seiner
gedenke, weiß Ich, daß Seine Königliche Hoheit der
Prinz-Regent zu Denjenigen gehört, die ihm Liebe,
Anerkennung und Vertrauen stets geschenkt haben.
Und diese Empfindungen führen Mich wieder zum
Prinz-Regenten zurück mit der Bitte, Sie möchten mit
Mir ans sein Wohl und auf das Wohl Seiner Ma-
jestät dös Königs von Württemberg trinken. —>
Ihnen gilt Mein Glas!
Der Königlich Bayerische General der Kavallerie
Ritter von Xxlander dankte im Namen des Prinz-Regen-
ten von Bayern, für die sehr freundlichen Worte auf's
Wärmste und brachte ein Hoch auf den Großherzog aus«
Das Handschreiben, welches dem Großherzog gestern
von dem Vertreter des Kaisers überreicht worden ist,
hat folgenden Wortlaut:
Durchlauchtigster Fürst,
freundlich geliebter Vetter, Bruder und Onkel!
Euere Königliche Hoheit gedenken am 26. d. M«
des Tages, an dem Sie vor 60 Jahren in den Mi-
litärdienst eintraten. Mit nie ermüdender Hingebung
haben Euere Königliche Hoheit während dieser langen
Zeit Ihre Fürsorge! der Schlagfertigkeit des Heeres
gewidmet, und noch heute darf die fünfte Armee-Jn-

Ein Dokument deutscher Kunst.
Darmstadt, im April.

Es gab eine Zeit für uns Deutsche, wo unsere gro-
ßen Dichter Las Interesse des Bürgertums hatten. Die
Angelegenheiten des innern Menschen, Vernunft, Har-
monie, Freiheit, waren die Sterne, die uns leuchteten.
Unsere Dichtung verfiel dann, ging zurück und des frei
werdenden Interesses für höhere Dinge bemächtigten sich
die Musiker und Maler. Jetzt sind wir glücklich im
dekorativen Zeitalter angelangt. Alles muß seinen
Schmuck haben, Troponpakete! und Buchdeckel und Kon-
zertsaalwände. Das geht sogar soweit, daß man uns
gern suggerieren möchte, wir könnten Beethoven nsiyt
mehr mit voller Hingabe hören, wenn nicht die Wände
mit violetten und grauen Tüchern behängen würden.
Jede echte Bewegung für das Gute hat eben Hanswurste
die hinterdrein Hüpfen undmit Len Schellen klingeln.
Geschützt durch die Munificenz des Großherzogs
Ernst Ludwig ist die Künstlergruppe in Darmstadt,
Olbrich, Christiansen, Behrens, Habich u. s. w. mit der
Herrichtung ihrer Wohnhäuser auf der Mathildenhöhe
nun soweit, daß sie bald dem Publikum zeigen kann,
was die Ziele und Errungenschaften der neuen Be-
wegung sind.
Es wäre ja ein Segen, wenn etwas zustande käme,
das Charakter, Einheit und Zweckmäßigkeit hat. Es be-
deutete dann für unser Jahrhundert nichts anders, als
ein sicherer Schritt zur Eroberung eines neuen Stils.
Wilhelm Holzamer schreibt hierüber: „Man hatte
wither schon manches versucht in der „angewandten
Kunst" — einzelne Möbel und Interieurs jeder Art,

ilZiALü

, aber man hatte noch kein einheitliches Haus mit mo-
! derner Einrichtung, nicht im Fabrik-Jugendstil, sondern
ganz im Sinne und aus dem Geiste seines Besitzers,
ganz im Sinne unserer angewandten Kunst, die mo-
dern ist, wenn sie lebendig ist und die ihre Lebendigkeit
darin beweisen muß, daß sie allen Forderungen und
Bedürfnissen unseres Lebens genügt. Sie muß eigen
und echt sein in Arbeit, Material und in den Formen,
sie muß unser Leben selbst zum charakteristischen Aus-
druck bringen. Wieder zum Ganzen geht das Ziel, aber
es bleibt das gleiche im Einzelnen: Kunst! Und darin
Persönlichkeit, Notwendigkeit, Lebens- und Zeitcharakter!
Jeder Raum für sich und jeder Raum ein Ganzes in
seiner Bestimmung — aber jeder Raum ein Teil des
Ganzen und alle Teile fühlbar zusammengehörig. Und
das vom Keller bis zum Dach, in Thür und Klinke, in
Stuhl und Bett, in Fenster- und Wanddekoration, in
Teppich, Kamin, Tisch und Decke bis zum Tintenfaß
und zur Blumenvase, in jeder Einrichtung und jedem Ge-
brauchsgegenstand, in jeder Verzierung und jeder prak-
tischen Notwendigkeit, in Raumausnutzung und Einzel-
arrangement, in Stimmung des Ganzen und Bestim-
mung. Ohne Kompromisse, nicht gegen das „Alte"
um des Neuen willen, sondern in dem Neuen um der
Kunst willen und des Lebens. So sollten diese Häuser
eingerichtet werden. Schön, praktisch und wahrhaftig in
Allem. Nichts vollgestellt mit Plunder und Ramschware,
aus fleißigen bildenden Händen ist alles echt hervorge-
gangen, was hier recht an seinem Platze steht. Das
nun mutzte man ja z e igen. Die Kunst seinem Lande
seinem Volke zu bringen war der Wunsch und
Willen des Landesfürsten, und nun sollte das Volk sie
da sehen, wo es sie am meisten entbehren muß, in seiner

eigenen Wohnung, wo es mit Talmikunst umgeben ist,
mit den fabrikmäßig verhunzten Möbeln, die längst
vergangenen Kunstepochen angehören und anders ge-
arteten Lebensgewohnheiten und Lebensbedürfnissen! ! !
L. W.
Anmerkung: Aus die Ausstellung in Darmstadt ha-
ben zwei Plakate hingewiesen, die auch hier m Heide!-
berg angeschlagen gewesen sind, bezw. es noch sind.
Der stark symbolisierende Charakter der Plakate fällt
allgemein auf. Wenn diese, Plakate bezeichnend sind
für den Geist der DarmstädterKunst, dann kann man
sich nicht recht vorstellen, daß in Darmstadt „Kunst
fürs Volk" zu sehen sein wird. Um so größer ist die
Spannung m»f das, was Darmstadt in Wirklichkeit bieten
wird. Red. _

Kleine Zeitung.
— Eine heitere Parlamentsrede. Einen großen
Heiterkeitserfolg erzielte im württcmbergischen Landtag der
Abgeordnete Braunger, der bei der Beratung des Etats
des Innern. Kapital Landwirtschaft, nach dem Bericht des
„Staatsanzejgcrs" u. A. ausführte: „Man weiß bis heute
noch nicht, was eigentlich die Hauptursache der Verschlep-
pung bei Maul- und Klauenseuche ist. Ich glaube, vielfach
sind es die Oberamistierärzlc selbst. (Heiterkeit.) Je mehr
Kontrolle ihnen übertragen wird, desto häufiger sind wir
Landwirte mit der Maul' und Klauenseuche behaftet.
(Große Heiterkeit.) Tie Oberarr.tstierärzle tragen eben
auch Kleider an sich, wie andere Menschen (Große Heiter-
keit) und können die Seuche darin verschleppen. Ihre Mittel
nützen gar nichts, das weiß ich aus Erfahrung, denn ich
 
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