Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 126 - 149 (1. Juni 1901 - 29. Juni 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0981

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Samstag, 29. Juni 1901.

- »r. 149.

^scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.38 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
^V?eigenpreis: 2V Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate ans den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Unsere verehilichen Post-Abonnenten ersuchen wir,
^ Bestellung auf die „Heidelberger Zeitung" für das
Vierteljahr 1901
bei den betreffenden Postanstalten
!"fort bewerkstelligen zu wollen, damit keine Unterbrechung
^ Bezug des Blattes eintritt.
Der Verlag -er „Kei-elberger Zeitung".

Skli

Ministerwechsel in Baden.
Die „Karlsruher Zeitung" meldet amtlich:
z Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben unter
^ 27. Juni d. I. gnädigst geruht, den Präsidenten des Staats-
ZM'teriums und Minister der Justiz, des Kulms und Unterrichts,
^dtsuiinister vr. Nokk aus sein unterthänigstes Ansuchen
leidender Gesundheit unter besonderer Anerkennung seiner
gezeichneten langjährigen und erfolgreichen Dienste in den
Bestand zu versetzen,
den Minister Höchst Ihres Hauses und der auswärtigen An-
EAenheiten von Brauer unter Belastung in dieser Stellung
Staatsminister und Präsidenten des Staatsministeriums,
^ °en Oberstaatsanwalt, Geheimen Oberregierungsrat Freiherrn
»Lander von Dusch zum Präsidenten des Ministeriums der
"sz. des Kultus und Unterrichts und zum Staatsrat. und
H ,en Domänendirektor, Geheimen Rat zweiter Klasse Richard
sh, ^uhard unter Belastung in dieser Stellung zum stimm-
enden Mitglied des Staatsministeriums und zum Staat-rat,
tz^wie unter dem gleichen Datum den Ministerialdirektor im
tz^Üerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts, Geheimen
°e°9ierungsrat Wilhelm Hübsch zum Geheimen Rat zweiter
'iE zu ernennen.
Königliche Hoheit der Großherzog haben an
der Z^äsidenten des Staatsministeriums und Minister
^ ^i'diz, des Kultus und Unterrichts, Staatsminister
dhz aus Anlaß seines Uebertritts in den Ruhestand
Nachstehende Schreiben zu richten geruht:
, Lieber Herr Staatsminister Nokk!
Sie wissen, wie ungern ich^Jhrem Wunsche ent-
breche, Sie von der wichtigen Stellung zu entheben,
eiche Sie seit vielen Jahren mit so großem Erfolg
, ? der Spitze des Staatsministeriums und des Mi-
riums der Justiz, des Kultus und des Unter-
»Ms bekleiden. Nur die Ueberzeugung, daß es Ihr
Mhlergehen- erfordert auf Ihre Gesundheit' Rück-
et zu nehmen, mußte mich verpflichten, Ihrem
Wunsche zur Ruhe gesetzt zu werden, entgegen zu
^Vrnen. Ich thue das mit den Gefühlen wärmster
Aberkennung und Dankbarkeit für die hervorragenden
zMMe, dst Sie dem Großherzogtum geleistet haben.
Nl allen Gebieten der Ihnen auferlegten Thätig-
haben Sie gewußt, Interessen zu pflegen, welche
lebend und veredelnd auf weite Kreise wirkten,
f -"d damit ein Ziel erreicht, das zu dem Schönsten
^Besten gehört, was in staatlicher Wirksamkeit
Ideal gelten kann. Die Stunden, in denen Sie
, ^ Ihre Absichten und Anträge darlegten, gehören
Ä..den schönsten Erinnerungen meiner staatlichen
JMtigkeit. Mit besonderer Dankbarkeit gedente rch
^^sder Zeiten, da Ihr Rat sich als erfolgreich

bewährte, geleitet von dem Sie beherrschenden Ge-
danken, das Wohl des Landes zu fördern. Die
Gerechtigkeit hoch zu halten, die Rechte der Krone
zu wahren, die Kraft der Regierung ungeschwächt
zu lassen und doch dabei die verfassungsmäßigen
Rechte des Volkes Zu beachten — das haben Sie in
langen Jahren gewissenhaft als Ihre höchste Auf-
gabe gepflegt und beharrlich durchgeführt.
Das Vertrauen, mit dem ich Ihre Wirksamkeit
beurteilst:, berichte auf der Ueberzeugung, daß Sie
stets von den edelsten Absichten geleitet waren und
Ihr Rat daher nur nützlich und erfolgreich sein
konnte. Dieses Vertrauen soll sich heute durch einen
öffentlichen Ansdruck meiner Dankbarkeit bekunden,
indem ich Ihnen hiermit den Hausorden der Treue,
Fidelitas genannt, verleihe und wünsche, Laß Sie
als Ritter dieses Ordens noch lange und gesegnete
Jahre erleben mögen.
Schloß Baden Ihr
den 27. Juni dankbar ergebener
1901. (gez.) Friedrich, Großherzog.
Arr den Herrn Staatsminister
Dr. Nokk in Karlsruhe.
* Die warmempfundenen anerkennenden Worte, womit
der Großherzog den zurücktretcnden Staatsminister Nokk
verabschiedet, werden in den weitesten politischen Kreisen —
nationalliberalen sowohl wie andern — ein Echo finden.
Minister Nokk hat in seinem Wesen etwas freundlich
Zwingendes, was ihm in seinem Wirken als Staatsmann
zugut kam. Der Idealismus seines Strebcns, die Lauter-
keit seiner Absichten wurden überall anerkannt; mit ihnen
verband er ein nicht geringes Maß von Weltklugheit. Er
hatte Etwas von einem Nuntius oder Kardinal in Zivil.
Die langjährigen Dienste, die Herr Nokk in hohen Stellungen
dem Lande geleistet hat, werden nicht vergessen werden.
Herr Nokk galt politisch als gemäßigt liberal, doch
nicht als ein so bestimmt ausgesprochener Liberaler, wie
sein Vorgänger. Es hat im Verlauf der Jahre ein bestän-
diges Gleiten nach rechts im Staatsministerium statt-
gesunden. Auf den strammnationalliberalen genialen Jolly,
dessen Sturz leider seine eigene Partei mit herbeigeführt
hat, folgte 1876 der zwar auch liberale, aber gemäßigtere
Turban. Er schied >893, als die nationalliberale
Fraktion gerade noch eine Stimme Mehrheit im Landtag
hatte. Die schwieriger werdende parlamentarische Lage
brachte den Diplomaten Nokk ans Ruder, der immerhin
eine Vergangenheit als Minister im liberalen Ministerium
Turban gehabt hatte. Jetzt wird er von einem Manne
abgelöst, der als Reichsbeamter der badischen Parteipolitik
entrückt war, aber doch als badischer Gesandter in Berlin
unter einem liberalen Ministerium und als Ressortminister
in dem Kabinet Nokk fungiert hat. Viel will das
in parteipolitischer Hinsicht nicht sagen, aber es ist immer-
hin Etwas. Man darf Hrn. v. Brauer, den neuen
Staatsminister, politisch als parteilos mit Neigung zum
Konservatismus bezeichnen. Sein einstiges Anssteigen zum
Sessel des Staatsministers war vorauszusehen, man er-
wartete es mit Bestimmtheit und da Hr. v. Brauer sich
Achtung und Anerkennung in seiner bisherigen Minister-

laufbahn erworben hat, so sah man ihm auch mit Ver
trauen entgegen. Ein Triumph des politischen LiberaliS
mus ist seine Ernennung nicht; darüber darf man sich kei-
ner Täuschung hingeben. Schrittweise, wie der Liberalis-
mus in der Zweiten Kammer zurückgedrängt wurde,
ist das Staatsministerium nach rechts geglitten. Solche
Augenblicke, wie der gegenwärtige, sind sehr geeignet, daran
zu erinnern, daß die parlamentarische Stärke der Parteien
bestimmend fürZusammensetzung und Geist derStaatsregierung
ist. Geht der Liberalismus noch weiter zurück, dann
werden wir das nächste Mal einen ausgesprochen konser-
vativen oder gar einen ultramontan schillernden Staats-
minister haben. Darum sollten die Liberalen alle Kräfte
daran setzen, um ihre parlamentarische Stellung zu ver-
bessern. Auch die Linksliberalen sollten endlich cinsehen,
wohin ihre Politik der Absplitterung und ihr Kokettieren
mit dem Zentrum führt.
Zum Staatsrat und stimmsührenden Mitglied des
Ministeriums ist der „Katholik" Domänendircktor Rein-
hard berufen worden. Man kann gegen diese hochacht-
bare verdienstvolle Persönlichkeit nichts einwenden. Als
Respizient für die Landwirtschaft hat Herr Reinhard sich
s. Zt. im ganzen Land einen guten Namen gemacht; er
ist ein tüchtiger wohlmeinender Beamter von großer Arbeits-
kraft. Als Landeskommissär in Freiburg hatte er Gelegenheit,
Fühlung mit dem erzbischöfl. Stuhl zu nehmen. Man sprach
damals von einer Politik auf eigene Faust, die er dort
getrieben habe und zwar nicht in sehr glücklicher Weise.
Seine Berufung zum stimmführenden Mitglied des Staats-
ministeriums ist ohne Zweifel der charakteristische Moment
bei dem diesmaligen Ministerwechsel. Man muß daran
denken, daß Mitglieder des Ministeriums doch in der Reihe
des Kandidaten für das Staatsministerium vornan stehen,
um die Bedeutung dieser Berufung für die Gegenwart und
die Zukunft sich völlig klar zu machen. Herr Reinhard kann
als Wegweiser am Scheidewege angesehen werden. Von
dem Einfluß, den die politischen Parteien zu erringen ver-
suchen, wird es abhängen, ob der Staatswagen auf dem
Weg, den seine Rechte oder auf dem, welchen seine Linke
weist, weiterfahren wird. Daß Herr Reinhard vor nicht
langer Zeit als Reicbstagskandisat der Gemäßigten in
Offenburg Kehl aufgestellt war, soll nicht unerwähnt
bleiben.
Sehr erfreulich, namentlich für uns Heidelberger, ist
die Ernennung des Herrn v. Dusch zum Justiz-, Kulius-
und Unterrichtsminister. Herr v. Dusch ist hier inHeidel-
berg durch langjährige Thätigkeit am Ort bekannt. Man
hat ihn als Charakter schätzen gelernt. Wir erhoffen von
ihm eine tüchtige Geschäftsführung im Sinne des modernen
Staats. Eine Hauptaufgabe, die ihm als Unterrichts-
minister gestellt ist, ist die, daß er der obersten Schulbe-
hörde das Vertrauen der Lehrer, insbesondere der Volks-
schullchrer, wiedergewinnt. Ohne Personalveränderungen
in der genannten Behörde wird das allerdings nicht zn
machen sein. _
Von den bis jetzt vorliegenden Preßauslassungen sei
hier die der „Bad. Korresp." wiedcrgegeben:

Stadttheater.
'' Heidelberg, 29. Juni. „Othello, der Mohr von
W." Trauerspiel von W. Shakespeare. Drittes
des König!. Preußischen Hofschauspielers Adalbert
. Ä?skY.
dem vorigen Jahr ist bekannt, welch ein tem-
und kraftvoller Othello Herr M atko wsky und
vorzüglicher — schauspielerisch vorzüglicher — Jago
Abkehr ist. Beide Künstler haben gestern ihren
> ^ w diesen Rollen erneuert, und die Zuhörerschaft —
nicht so zahlreich war, wie zu wünschen ge-
^Märe — durch ibr Spiel gefangen genommen.
Unterstützung fanden sie in Fräul. Schwende-
die Brabantios unglückliche Tochter anmutig Ver-
ist ^ und für Desdemoncn das herzlichste Mitgefühl
^st^jffchauer erwarb und in Bewegung setzte. Die
^ ^ Mitspieler genügten im allgemeinen; genannt seien
Brabantio des Herrn Zollin und die Emilie
- E' Scholtz.
' drorgigeletzie Gastspiel des Ensembles, das „Raskolni-
Mt, wird hoffentlich vor ansverkauftem Hause
i ^ gehen.


Kleine Zeitung.

,,^tndcntcn als Schauspieler. Die Leipziger Fin-
^ hat bekanntlich mit ihrer Aufführung von
--Judith" (Luise Dumout in der Titelrolle und
1s A als Holofernes) im Leipziger Alten Theater
, ' iduni durchschlagenden Erfolg erzielt. Am 2.

Juli wird deshalb eine Wiederholung stattfinden. Am
1, Juli aber wird das ganze „Ensemble" nach Dresden
fahren, um auch dort die „Judith" aufzuführen. Das
Ensemble besteht zum größten Teil aus Studenten; denn
Regie und alle Nebenrollen liegen in der Hand der
Finken.
— Gcmeinsamcr Unterricht. In der Frage des
gemeinsamen Unterrichts beider Geschlechter und der
Aufnahme von Schülerinnen in höhere Knabenlehran-
stalten wurde in Hannover ein Versuch gemacht, dessen
Ausfall alle Freunde der Schulreform und der Frauen-
bildung interessieren dürfte. Seit Ostern d. I. nimmt
an dem Unterricht der Realgymnasial-Oberprima des
Gildemeister'schen Instituts eine junge Dame Teil, und
das jetzt ablaufende erste Quartal dieses Schuljahres
hat den Beweis erbracht, daß die Anwesenheit einer Mit-
schülerin nicht nur keinerlei Unzuträglichkeiten im Ge-
folge hat, sondern daß sie auf das Benehmen und das
Streben der jugendlichen „Herren" Primaner von durch-
aus vorteilhaftem und erfreulichem Einfluß gewesen ist.
Die junge Dame, die nach Ablegung der Maturitäts-
prüfung Medizin zu studieren beabsichtigt, kommt den
an ihre geistige und körperliche Kraft hohe Anforderungen
stellenden Aufgaben ihrer Klasse mit solchem Erfolge
nach, daß sie bereits jetzt in den meisten Fächern an der
Spitze ihrer Mitschüler marschiert.
- Ein allgemein interessierender Fall des Miß-
brauchs eines Fernsprechers durch einen Unberufenen
wird in dem Blatt i für Rechtspflege mitgeteilt. Ein Ko-
lonialwarenhändler erhielt eines Tages eine telephonische
angeblich von der Gattin eines angesehenen Mannes kom-
mende Anfrage, ob er ihr für zu entnehmende Waren
ein Kontobuch einrichten wolle. Auf Zusage erhielt er

auf gleichem Wege die weitere Mitteilung, die Dame
werde am nächsten Tage ihr Mädchen schicken und die
Ware holen lassen. Diese telephonische Unterhaltung
war aber nur ein Manöver der betreffenden Köchin, die
das Geld, welches sie für die zu besorgenden Einkäufe
empfing, für sich behielt und es vorzog, die Waren auf
Kredit zu entnehmen und in das Kontobuch eintragen zu
lassen. Der Dienstherr lehnte später die Ausgleichung
dieses Schuldkontos ab, der Kolonialwarenhändler ver-
klagte ihn darauf, wurde aber mit seiner Klage in zwei
Instanzen abgewiesen. In der Entscheidung heißt es
u. A.: „Die Köchin war nur ermächtigt, fük den Be-
klagten gegen Var einzukaufen; Vollmacht, Waren gegen
Kredit zu entnehmen, auch eine nachträgliche Genehmi-
gung des Beklagten, liegt nicht vor; er wußte von der
verübten Täuschung nichts und befand sich bei der Em-
pfangnahme der von der Köchin an seine Frau überbrach-
ten Waren in gutem Glauben. Wenn der Kläger sich
durch das Telephongespräch hat täuschen lassen, so ist der
Beklagte ebenso wenig verantwortlich, als wenn Jemand
aufgrund einer gefälschten schriftlichen Vollmacht für
den Beklagten aufgetreten wäre. Es mag häufig Vor-
kommen, daß Waren auf Kredit gegen Eintragung in
ein Buch entnommen werden. Hat die Dienstherrschaft
dies gestattet, so haftet sie, mich wenn der Dienstbots
diese Ermächtigung mißbraucht. Es ist aber Sache des
Kaufmanns, sich darüber zu vergewissern, daß eine' solche
Ermächtigung thatsächlich von der Dienstherrschaft er-
teilt worden ist. Ist dies-nicht der Fall, so fehlt es an
einem Rechtsgrnnd, um die Herrschaft haftbar zu
machen." Der Kaufmann muß also die Folgen der
Täuschung, deren Opfer er geworden ist, selbst tragen.
 
Annotationen