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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1901 - 31. Januar 1901)
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Dienstag, 29. Januar 1901.

Erstes Blatt

XXXXHI. Jahrgang. — Xr. 24.


scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SO Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die..Post..be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
"zeig enpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr- 82.

AejleCrmgen
die „Heidelberger Zeitung"
für die Monate
Februar und März "W8

. We man sofort bei unseren Trägern, in den Zweig-
ten, bei den kaiserlichen Postanstalten oder bei den Post-
en machen.
^_ Aer Werlag.
Unser Kaiser in England.
, Die Feier von Kaisersgeburtstag in Os-
7°rne am u7. ds. verlief, wie man der „Straßb. Post"
?^det, den Umständen gemäß füll, aber äußerst herzlich.
Mh morgens empfing der Kaiser zuerii die Glückwünsche
^>ner Verwandten, in erster Linie des Königspaares,
lwirig Eduard überreichte, wie schon mitgeteilt, unter anderen
schenken das vom Tage datierte Patent über die Er-
füllung zum bri ti s ch en Feldmarschall, das die amt-
Gazette in einer Sonderausgabe heute mitteilt, sowie
kn Brillantstern des Hosenbandes, den noch die verewigte
?Migin für ihren Enkel als Geburtstagsgeschenk batte an-
Mgen lassen. Der Herzog von Connaught schenkte seinem
fkffen einen Säbel für seine neue Rangstelle. Nachher
tipfing der Kaiser, begleitet von dem Kronprinzen, dem
^afen Paul Metternich und dem General Wessen, in der
Mskummer die abends zuvor eingetroffenen Herren der
futschen Botschaft, den Hofstaat der verstorbenen Königin,
fN Hofstaat des Königspaares, die Offiziere der Kaiser-
fstht Hohenzolleru und des Kreuzers Nymphe, sowie die
sMziere der Leibkompagnie der englischen Garde-Grenadiere,
k ließ darauf den Botschaftsrat Freiherrn v. Eckhardstein
mit dem er dann eine dreiviertclstündige Besprechung
ftle, und begab sich alsdann mit dem Königspaare und
fu übrigen hohen Verwandten zum Gottesdienste nach der
fkche von Whippingham, von dort nach Cowes an Bord
Hohenzolleru, wo das Frühstück eingenommen wurde.
3 Uhr begaben sich dann der König, der Herzog von
h.unnaught, der Herzog von Koburg. Prinz Christian und
's Prinzen Arthur von Connaught und Albert zu Schles-
?'S-Holstein, alle mit Gefolge, in großer Uniform an Bord
fr Hohenzollern zum formellen Gratulationsbesuche. Auch
, url Roberts machte seine Aufwartung. Der König trug
fk Uniform eines Admirals der Flotte, ebenso der Kaiser,
isfr Kaiser zeigte telegraphisch Lord Salisbury und Earl
fuberts seine Ernennung zum englischen Feldmarschall an
Id erhielt umgehend ehrerbietige telegraphische Danksagung
Glückwünsche von Beiden.
.„ Die großen englischen Blätter, allen voran der offi-
„Daily Telegraph", begrüßen den Geburtstag des
Äffers mit äußerst herzlichen Artikeln. Gestern (Montag)
ks 11 Uhr sollie der Kronprinz in Gegenwart des
Kaisers und der englischen Herrschaften vom Könige mit
k'ü Hosenbandorden investiert werden.

Eine Encyklika des Papstes
über die christliche Demokratie ist am Samstag in
Rom veröffentlicht worden. Das Schriftstück umfaßt 20
Druckseiten. Die Bezeichnung christlicher Sozialismus wird
als nicht richtig zurückgewiesen und dann der Unterschied
zwischen dem Sozialismus und der christlichen
Demokratie festgestellt. Ersterer befasse sich nur mit
den materiellen Gütern und wolle vollständige Gütergleich-
heit und Gütergemeinschaft Herstellen, während die christ-
liche Demokratie die Vorschriften des göttlichen Gesetzes
achte und bei ihrem Bestreben, eine maierielle Besserung
herbeizuführen, auch das geistige (?) Wohl der Völker
im Auge habe. Ebensowenig dürfe man die christ-
liche Demokratie mit der politischen verwechseln, denn
erstere könne und müsse, wie die Kirche, unter den
verschiedensten Regierungsformen fortbestehen. Sie müsse
auch die gesetzmäßige bürgerliche Autorität achten. So
verstanden habe die Bezeichnung „christlich" nichts, was
irgend Jemand abstoßen könnte. Der Papst ermutigt so-
dann den Eifer und die Thätigkeit der Katholiken, die sich
diesem im höchsten Maße nützlichen Werke widmen, lobt
das Spenden von Almosen, das nicht, wie Sozialisten
meinten, eine Beleidigung der Armen sei, sondern dazu
diene, die Bande der christlichen Liebe innerhalb der
menschlichen Gesellschaft enger zu gestalten. Schließlich
ermahnt der Papst die Katholiken, sich diese Grundsätze
zu eigen zu machen, sich einig zusammenzuschließen und
unnütze Streitigkeiten bei Seite zu lassen.

Deutsches Reich.
— Die nächst Feldbriefpost nach China geht von
Berlin am Freitag, den 1. Februar ab. Den
Kriegsschauplatz wird sie zwischen dem 15. und 20. März
erreichen.
— Aus Tsingtau ist in Berlin die Trauernachricht
eingetroffen, daß der Gouverneur des Kiautschou-
g ebie les, Kapitän zur See Jaeschke, am 27. ds. Mts.
an den Folgeerscheinungen des Darmtyphus gestorben ist. —
Kapitän zur See Jaeschke war am 15. April 1867 in die
Marine eingetreten und hatte am 11. Juli 1894 seinen
jetzigen Dienstgrad erreicht. Er war seit dem 10. Novbr.
1898 Chef der Militär- und Zivilverwaltung des Gou-
vernements Kiautschou, auch Befehlshaber der Streitkräfte
an Land. Vor etwa Jahresfrist hatteer sich wieder verheiratet.
Er widmete sich seiner ihm in Kiautschou gestellten Auf-
gabe mit großem Geschick und großer Hingabe. Sein Tod
r,i ein schwerer Verlust für Deutschland.
Deutscher Reichstag. Berlin, 28. Januar. Präsident
Graf Balle st rem teilt mit, der Kaiser habe über die Ge-
burtstagsglückwünsche des Reichstags sich hocherfreut aus-
gesprochen und telegraphisch herzlichen Dank gesendet.
In der Fortsetzung der Etatsberatung polemisiert Abg.
Fischbeck (fr. Volkp.) gegen Graf Herbert Bismarck.
Abg. Steinhauer (fr. Vgg.) legt dar, daß der ländliche
Kleinbesitz gegen die Erhöhung der Getreidezölle sei.
Abg. Hilbck (nat.-lib.) betont, daß ' die Lohn- und
Wohnungsverhältnisse im Bergbau in den letzten Jahren sich sehr
gebessert hätten.

Abg. Frhr. Hehl v. Hernsheiin (natl) verlangt eine
gesetzliche Reaelung der Frage der Reinhaltung der Ströme, die
mehreren Bundesstaaten gemeinsam gehören.
Abg. Singer (Soz.l wendet sich in heftigen Worten gegen
die Rechte, besonders den Abg. Stöcker. Der Reichskanzler habe
am Samstag vor den Agrariern kapituliert im Abgeordneten-
hause, das nur eine Karikatur einer Volksvertretung sei.
Redner erhielt einen Ordnungsruf.
An der weiteren Debatte beteiligten sich die Abgg. Arendt,
Gamp, Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky und Geheimrat
Wendelstadt. Der Staatssekretär erklärt: Der Reichskanzler
bestätigte am Samstag im Abgeordnetenhause nur, was bereits
Staatssekretär v. Thielmann als Ansicht der verbündeten Re-
gierungen ausgesprochen habe. Minister Brefeld teilte nur
bezüglich des Bueckbrtefes mit, er könne nach so langen Jahren
sich natürlich nicht mehr entsinnen, ob seine Worte richtig wieder-
gegeben seien. Er werde sich über die Angelegenheit erklären,
falls er daraufhin im preußischen Abgeordnetenhause angesprochen
würde.
Geheimrat Wendelstadt bemerkt, bisher habe kein An-
laß zum Einschreiten der preußischen Staatsregierung gegen die
Zulassungsstelle der Börse Vorgelegen.
Morgen Wetterberatung.
Baden.
— Von freisinniger Seite wird der „Neuen Bad.
Landesztg." geschrieben: Die politischen Folgen
der nationalliberalen Stellungnahme zu Gunsten
der direkten Wahl werden nicht ausbleiben. Für das
öffentliche Leben unseres Landes und für das Verhältnis
der Parteien erhoffen wir davon eine Gesundung, eine
Besserung der durch eine eigentümliche Zwangslage bedingt
gewesenen Verrenkung, welche das parteipolitische Bild des
Landes zeigte. Die Schwenkung der Nationalliberalen
schafft eine neue Situation, und da diese Schwenkung nach
links erfolgte, werden die Parteien der Linken an derselben
nicht vorübergehcn können. Am interessantesten aber wird
Wohl das Verhältnis von Zentrum und Nationalliberalen
sich gestalten; wir. denken dabei zunächst an gewisse Wahlen,
die bevorstehen. Welche Wirkung die nationalliberale Hal-
tung auf die Regierung haben wird, bleibt vorderhand
dunkel. Hier wird schließlich alles davon abhängen, wie
man sich oben zu der veränderten Situation stellen wird.
Noch wird es viel Arbeit brauchen, um die direkte Wahl
zu erringen, aber sie wird kommen, und das größere Stück
des Weges zu ihr ist frcigelcgt.
Karlsruhe, 28. Jan. In Sachen des Organisten-
Paragraphen steht, wie die „Landesztg." hört, die
Regierung nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die
Aufhebung desselben unbedingt notwendig ist. Die
Gesetzesvorlage wird auch den nächsten Landtag wieder
beschäftigen. Die erste Kammer wird vermutlich dieses
Mal kein Hindernis in den Weg legen.
Bayern.
München, 27. Jan. Zur Feier des Geburtsta-
ges des Kaisers versammelten sich gestern Abend, wie
alljährlich, die Offiziere des Beurlaubtenstandes zu einem
Festessen, an welchem Prinz Ludwig und die im aktiven
Militärdienst stehend,n Prinzen und Herzöge teilnahmen.
Prinz Ludwig brachte das Hoch auf den Prinzregenten
aus und gedachte dabei, wie die „Allgem. Ztg." meldet,
der besonderen Umstände, unter denen Kaiser Wilhelm
seinen diesjährigen Geburtstag in England begehe. Weiter

^ (letztes) Abonnements-Konzert des Bach-
Bereins am 28. Januar.
HI Heidelberg, 29. Januar.
Wieder einmal kann Heidelberg stolz zurückblicken auf
hke Reihe musikalischer Großihaten, auf die 6 Konzerte
^ Bachvereins, unter der Führung seines unermüdlichen
^Üers und „Streiters" Philipp Wolfrum. Ein tapferer
h ^iter ^ der unerschrocken das Banner seiner Idee
erhält und unentwegt die Ziele verfolgt, die ihm als
°eal vorschweben.
y. Jeder, dessen Urteil nicht durch kleinliche Parteiinteressen
Noch kläglichere Beweggründe getrübt ist, muß sich
^en, wenn Erfolg da blüht, wo ein ernstes, energischesStreben
k- k) edlen Zielen ringt. Auch der gestrige Abend brachte
y E" solchen Erfolg. Galt cs doch, wie schon oft, Werke
^ Mfhhren, denen der musikalische Philister seit ihrem
«^stehen feindlich gegenüberstand, und deren Aufführung
is.°k an und für sich ein Wagnis ist. Nun, das Wagnis
^öelungcn, und Liszt's „Totentanz" und Max Schillings'
h^krphonischxr Prolog zu Sophokles' Oedipustragödie"
»- En ih^ Existenzberechtigung, wie mir scheint,

ejy .Wobem Nachdrucke bewiesen. Das Liszt'sche Werk,
^.überlebensgroßes „Thema mit Variationen" für Klavier
, Orchester ist in seiner ganzen Anlage und Aus-
eine hochgeniale Schöpfung. Aufbauend auf
dx? düster und schaurig wirkenden Dies irae-Gesange
Wittelalters, entwickelt der Meister eine solche Fülle
kmsikalischen Gebilden aller Art, die in einem tollen

Wirbeltanze (analog dem großen Vorbllde Holbeins des
Jüngeren) an uns vorbeiziehen, däß der Hörer kaum zu
Atem kommt. Jede der Variationen bringt ein anderes
Bild und damit eine andere Stimmung: wir sehen die
verschiedensten Menschentypen charakterisiert und wenn am
Schluffe Alles im tollen Todesreigen sich zu drehen
scheint, so ist es uns, als müßten wir uns selbst Hinein-
stürzen in das schauerliche Gewimmel. Das Werk stellt
an die Ausführenden gauz abnorme Anforderungen, in
erster Reihe an das Klavier. Man hatte dazu einen
Künstler berufen, der besonders geeignet erschien, diese
Aufgabe zu bewältigen, einen der treuesten Jünger Liszts
und einen seiner überzeugtesten Apostel. Prof. Berthold
Keller mann aus München, der seit Jahren nur das
Konzertpodium betritt, wenn es gilt, seinem „Meister" zu
dienen, that dies auch gestern in vollendeter Weise. Eine
anfänglich vorhandene Befangenheit verschwand bald und
besonders bei der Wiederholung der Nummer, welche trotz
einer kleinen Opposition zu Stande kam und welche wesent-
lich zum besseren Verständnisse des Werkes beitrug, stand
der ausgezeichnete Pianist ganz auf der Höhe seiner Auf-
gabe.
Max Schillings, der noch junge, aber durch seine Opern
„Jngwelde" und „Pfeifertag" bereits berühmte Tondichter
führte uns einen Bruchteil seiner letzten Schöpfung, der
Musik zum Sophokleijchen „König Oedipus" persönlich vor.
Der „symphonische Prolog" ist ein tief ergreifendes, durch
schöne, edle Melodieführung und sehr feine thematische
Arbeit sich auszeichnendes Tongedicht. Die schweren, wuch-

tigen Schläge des unerbittlichen Verhängnisses, das schön-
empfundene Thema des Klagegesanges sind von meister-
hafter Konzeption und das Ganze wirkt durch die oft
eigentümlich antikisierende Harmonieführung und Instrumen-
tation im hohen Grade packend. — Der Kaisermarsch aus
H. v. Bülow's „Julius Cäsar"-Musik hatte in solcher
Gesellschaft einen schweren Stand, sich geltend zu machen;
es ist ein festlich rauschendes Eröffnungsstück, das jedoch
einen nachhaltigen Eindruck nicht zu erreichen vermag.
Schuberts 6-äur-Symphonie, in der von früher her be-
kannten ausgezeichneten Wiedergabe, schloß das interessante
Konzert versöhnend ab, und man sah wieder aufs neue,
wie schon in der vorhergehenden Nummer, auf welcher
Höhe unser Orchester steht und was es unter der Leitung
Wolfrums geworden ist. 0. 8.

Kleine Zeitung
— Mörchingen (Elsaß), 28. Januar. Gestern Abend
gegen halb 12 Uhr wurde Hauptmann Adams von der
9. Kompagnie des 17. Infanterie-Regiments in seiner
Wohnung erschossen aufgefunden. Ueber die näheren
Umstände der That ist noch nichts bekannt.
— Aus Sachsen, 24. Jan. Nach dem Vorbilde der
bayerischen Dialektlheater soll nunmehr auch ein sächfisches
Dialekttheater als natürlicher Ausdruck des eigen-
artigen Volkslebens im Königreich und in ver Provinz
Sachsen, in Thüringen u. s. w. gegründet werden. Das
 
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