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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 126 - 149 (1. Juni 1901 - 29. Juni 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0833

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Samstag, 1. Jmi ISA. Erstes Blatt _43. Jahrgang — «r. 12«.


«rsch eint täglich. Sonntags ausgenommen. - Preis mit Familienblättern monatlich SV Pfg. frei in'S Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 4V Pfg. Durch die Post b«.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 2V Pfg. für die Ispaltige Petitzeile -der deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprcch-Auschluß Nr. 82.

Aestetkungen
auf die
„Heidelberger Zeitung"
für den Monat
SW' I«»i -WU
tvollr man sofort bei unseren Trägern, in den Zweig-
stellen, bei den kaiserlichen Postanstaltcn oder bei den Post-
boten machen.
Der Preis der „Heidelberger Zeitung" für den Monat
beträgt SV Pfg. von unseren Trägern in's Haus ge-
bracht, 4V Pfg. bei Abholung im Verlage oder bei
Unseren Zweigstellen.
_Der Verlag.
Deutsches Reich.
— Die „Nordd. Allg. Ztg." stellt fest, daß der
Toast des Kaisers nach dem Exerzieren der 2.
Garde-Jnfanterie-Brigade vom „Berl. Lokalanz." zwar
im wesentlichen richtig wiedergegeben sei, aber auf Ver-
trcuiensbruch beruhe, da die in einem solchen Falle nö-
tige Autorisation nicht erteilt worden war. Es wider-
spreche den Allerhöchsten Intentionen und den ausdrück-
lichen Weisungen des Kaisers, daß Ansprachen und
Aeußerungen desselben bei militärischen Anlässen und
M kameradschaftlichen Kreisen ohne ausdrückliche Er-
mächtigung durch die Presse verbreitet werden.
— Die Ernennung des Geheimen Regierungs-
Äats Courtois zum Direktor im Reichs-Patentamt ist
in der gesamten Industrie und namentlich in den engeren
technischen Kreisen sehr beifällig ausgenommen worden, da
Geheimrat Courtois Techniker ist, nährend bisher nur
Juristen zu Direktoren berufen wurden. Die Regierung
hat mit dieser Ernennung einem vielfach gehegten Wunsche
der beteiligten Kreise entsprochen.
— Gestern hat in Berlin die Frühja'hrspa-
^ade des Gardekorps bei herrlichstem Wetter
stattgesunden. Die Königin von Holland
Und ihr Gemahl sowie der Großherzog von Mecklenburg
lohnten ihr bei; ebenso der französische General Bonnal
Mit seinem Adjutanten. Nach der Kritik führte der Kai-
ser mit dem Großherzog und dem Prinzen Heinrich der
Niederlande die Fahnen und Standarten nach dem Ber-
liner Schlosse, während die Königin Wilhelmina und die
Kaiserin zum Einzuge nach dem Brandenburger Thor
suhren. Die Königin der Niederlande wurde bei ihrer
Aückkehr auf der Fahrt nach dem Schlosse am Pariser
Platze namens der Stadt Berlin offiziell empfangen
Und von der Bevölkerung auf ihrem ganzen Wege zum
Schlosse mit brausenden Hochrufen begrüßt. Vor Be-
ginn der Parade erlitt der Bataillonskommandeur im
Alexander-Regiment Major v. d. Burg durch Sturz
b«n seinem unruhigen Pferde eine schwere Gehirn-
erschütterung.
— Die Schlußziffern bei der Stichwahl in Grimmen-
Greifswald sind zwar noch nicht festgestellt. Aber un-
Uähr kann man sagen: der freisinnige Handelskammer-
Syndikus Gothein hat mit 10 000 gegen 7000 Stim-
men über den agrarischen Landrat v. Behr gesiegt und

zwar in einem ländlichen Wahlkreis in dem die Kon-
servativen noch bei der letzten Wahl im ersten Wahlgang
glatt siegten. Diese Wahl hat die Situation der Konser-
vativen wi^- ein greller Blitzstrahl erhellt. Für die
Agrarier ist sie eine ernstliche Warnung, ihre Forde-
rungen nicht zu überspannen, sondern damit in dem
Rahmen des Gesamtinteresfes zu bleiben.
— Das Zentralkomitee für das Bismarck-
Denkmal in Berlin teilt mit: Wegen des plötzlichen
Ablebens des Grafen Wilhelm v. Bismarck ist
die Feier der Enthüllung des Denkmals
verschoben. — Der „Reichsanzeiger" widmet dem
verstorbenen Grafen Wilhelm v. Bismarck den Nachruf:
In allen seinen Aemtern habe sich Graf Bismarck durch
sein warmes Interesse für die ihm anvertrauten Auf-
gaben und durch volle Hingebung an seine dienstlichen
Pflichten ausgezeichnet. Wie ihm alle Beamten ein
ehrenvolles Andenken bewahren werden, so sicherte er
sich durch seine gewinnenden persönlichen Eigenschaften
in weiten Kreisen ein dauerndes Gedenken. — Den
„Berliner Neuesten Nachrichten" zufolge ging dem
Fürsten Herbert Bismarck aus Anlaß des Todes seines
Bruders Wilhelm bereits gestern früh ein in warmen
Worten gehaltenes Beileidstelegramm des
Kaisers zu.
Baden.
— Pfarrverweser Epp, der seinerzeit wegen der viel-
besprochenen Schulgcschichte von Karlsruhe weg nach Tau«
berbischofsheim versetzt wurde, hat dem kürzlich daselbst
verstorbenen Kreisschulrat Bender die Grabrede gehalten.
In den beiden Schulzeitungen wird er nun scharf ange-
griffen, er habe den Lehrcrstand beleidigt, indem er sagte,
Bender sei als Opfer böswilliger Verfolgung gestorben,
und es sei die ganze Lehrerschaft für den Tod Benders
verantwortlich. Als Antwort hierauf wird nun im „Bad.
Bcob." die Grabrede Epps .wörtlich abgcdruckt. Es zeigt
sich, daß der zweite Satz zwar etwas anders gelautet hat.
Der Redner erklärte es für eine Ehrensache des badischen
Lehrerstandes, die Ehre Benders unbefleckt wiederherzustel-
lcn. Aber der Anstoß, den diese Stelle bei der Lehrer-
schaft erregte, ist deshalb nicht beseitigt. Die Lehrer sind
Bender nichts schuldig, aber Bender ist leider den Lehrern
viel schuldig geblieben. Es existiert ein ehemaliger Lehrer
in Baden, ein tüchtiger Mann, welcher behauptet und wie
er sagt, auch durch Zeugen beweisen könne, daß Bender
als Seminarlehrcr ihn bei der Dienstprüfung auf Wunsch
einer anderen Persönlichkeit, die hier zunächst nicht genannt
sei, habe durchfallen lassen, bloß weil seine selbständige
Persönlichkeit der maßgebenden Stelle nicht gefallen habe.
Wenn die Sache dieses Lehrers einmal öffentlich vor dem
Lande verhandelt werden sollte, dann würde die Welt
staunen über die Zustände in dem angeblichen liberalen
badischen Volksschulwesen.
Elsaß-Lothringen.
Rusdorf (Kreis Diedenhofen), 30. Mai. Das hiesige
Klosterpensionat Samte Chrvtienne ist behördlich
geschlossen worden, weil eine evangelische 16-jährige
Pensionärin gegen den Willen des Vaters katholisch ge-
tauft worden ist. Der Pfarrer wird versetzt, die franzö-
sischen Schulschwestern werden veranlaßt, nach Frankreich
zu gehen.

Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 31. Mai. Der Großherzog
nahm heute Vormittag von halb 11 Uhr an den Vor--
trag des Ministers Dr. Buchenberger und dann des
Ministers von Brauer entgegen. Hierauf meldete sich
der Oberst Kutzen, beauftragt mit der Führung der 57,
Infanterie-Brigade, bisher Kommandeur des 3. ^roß-
herzoglich Hessischen Infanterie-Regiments (Leib-Re-
giments) Nr. 117. Nachmittags 3 Uhr begab sich der
Großherzog nach der Grotzherzoglichen Technischen Hoch-
schule, woselbst Seine Königliche Hoheit von dem Rektor,
Hofrat Dr. Lehmann, dem Geheimrat Professor Dr.
Engler und dem Hofrat Professor Brauer empfangen
wurde. Seine Königliche Hoheit besichtigte zunächst in
eingehender Weise unter Führung des Geheimrats Dr.
Engler das neue chemische Institut und sodann unter
Führung des Hofrats Brauer das neue Gebäude der
elektrischen Zentrale mit den zugehörigen Einrichtungen.
Um 5 Uhr kehrte Seine Königliche Hoheit nach dem
Schlosse zurück und nahm sodann die Vorträge des
Präsidenten Dr. Nicolai und später des Legationsrats
Dr. Seyb entgegen. Die Großherzogin hat die
Reise nach Weimar glücklich zurückgelegt. Dieselbe wird
heute Abend die Heimreise antreten.
Ausland.
Ocsterreich-Ungarn.
— Ueber die He er es verhält» i sse in Oesterreich-
Ungarn verbreitete sich der Kriegsminister v. Krieg-
Hammer in einer in der Budgetkommission des Reichs«
ratß gehaltenen Rede. Der Minister fand die Zustimmung
der Kommission, als er erklärte, daß auch in der habs-
burgischen Monarchie demnächst eine Militärgerichtsordnung
zur Einführung gelangen werde, die den modernen Grund-
sätzen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens
entspreche. Die Klagen über Soldatenmißhandiungen in
der Armee seien leider nicht unbegründet; die Mißhand-
lungen würden jedoch nur in Ausnahmefällen von den höheren
Vorgesetzten verübt, die Mehrzahl derselben fiele dem
Unterosfiziersstande zur Last. Es sei auch nicht in Abrede
zu stellen, daß die Zahl der in der Armee vorkommenden
Selbstmorde eine betrübend hohe sei. Er könne jedoch die
Versicherung geben, daß die Militärverwaltung unentwegt
bemüht sein werde, alle der Armee etwa noch an-
haftenden Schäden zu beseitigen.
Afrika.
— Lord Kitchener meldet aus Pretoria vom 30.
Mai: Die Streitmacht des Generals Dixo n in
Blakfontein wurde gestern von den Truppen De -
lareys angegriffen. Nach heftigem Kampfs
wurde der Feind mit schwerem Verluste zurückgeschlagen.
Die Buren hatten 35 Tote. Zu meinem Bedauern sind
auch diebritischenVerlusteschwer. Dieselben
betrugen 174 Tote, 2 Verwundete. Unter den Toten
befinden sich 4 Offiziere.

Erklärung.
Zn der „Bad. Presse" vom 30. d. M. ist die Mit-
teilung enthalten, in einer am 19. d. M. dahier abge-
haltenen Versammlung nationalliberaler Vertrauens-
männer sei bei der durch mich bewirkten Kennzeichnung

Kleine Zeitung.
^ — Aschaffcnburg, 31. Mai. Die Errichtung eines
^kchnikums der S t a d t A s ch a f f en b u r g als Lehr-
anstalt für Maschinenbau, Elektrotechnik, Hoch- und Tief-
en zum 1. Oktober d. I. ist nunmehr gesichert.
^ — Gumbinnen, 31. Mai. Im Mordprozeß
Krosigk wurde heute der Angeklagte, Unteroffizier
harten, durch die Aussagen zweier Dragoner,
w er belaste t. Sie erklärten aus ihren Eid, daß
E dem Marten zur Stunde des Mordes in der Nähe
Karabinerstandes begegnet seien. Er habe sie auch
»pgerufen. Marten bestritt das und behauptete, die
-.kiden müßten sich geirrt haben. Sie blieben aber bei
, eidlichen Aussage.
g —- Vom Dresdener Schleppcnkricg. Ten Kampf
Neu die Schleppe will der Rat der König!. Haupt- und
^sidenzstadt Dresden nicht in der von den Stadtverord-
hsskn gewünschten entschiedenen Weise ausnehmen. Diese
^sten den Rat ersucht, das Schleppen und Schleifen der
Hosenkleider aus den Straßen zu verbieten. Außer-
war von der Dresdner Ortsgruppe des deutschen
^eins für Volkshygiene der Rat gebeten worden, die
j, Meppenträgerei überhaupt zu untersagen. Jetzt nun
der Rat beschlossen, keines der beantragten Verbote
hörigsten, es vielmehr lediglich dem Verein für Dolks-
h^enc anheim zu geben, seinerseits durch Aufklärung
M Publikums aus Abstellung der Unsitte des Kleider-
hsiHpens oder auf Abschaffung der Schleppen hinzu-
Das wird natürlich nur sehr wenig nützen,
hat sich aber der Dresdner Stadtrat bei der Da-
ivx^vlt sehr beliebt gemacht, und das ist auch etwas

Wien, 31. Mai. Nach der „Linzer Tagespost"
erwartet die Gemahlin des Thronfolgers
Antwerpen, 31. Mai. Als heute während des
Exerzierens der Bürgergarde im Velodrom
ein Gardist von einem Offizier beim Rauchen er-
tappt und deshalb zur Rede gestellt wurde, erhob er
Einspruch dagegen und wurde vom Offizier deshalb fest-
genommen. Alle Gardisten begannen nun-
mehr zu pfeifen, drehten die Gewehre
um und stimmten die Marseillaise an;
hiprauf zertrümmerten sie mit den Gewehrkolben den
Raum, den der Thürhüter des Exerzierhauses bewohnte.
Zum Schluß des Exerzierens mußte die Polizei eingrei-
sen. Ein Gardist wurde verhaftet, die übrigen durch-
zogen die Stadt unter Absingung der Marseillaise.
(Eine herrliche Truppe!)
— Das Begräbnis Brescis. Die Leiche Brescis
ist in dem kleinen Friedhof von San Stefano in Gegen-
wart des Gefängnisdirektors, zweier Magistratsper-
sonen und eines Beamten des Ministeriums des Innern
beerdigt worden. Der Friedhof besteht aus zwei Ab-
teilungen. In der einen ruhen die Neapolitaner, die
gegen die Bourbonen in Neapel kämpften, in der an-
deren sind einige berüchtigte Raubmörder begraben.
Bresxi besaß eine Summe von 55 Frcs., die seiner Frau
zugestellt wird. Seine Ueberwachung kostete den Staat
täglich 32 Frcs. Bresci hatte seine Kravatte 2 Mvter
über dem Erdboden angebracht, rasch seine Serviette,
aus deren Ende er einen Knoten knüpfte, daran ge-
schlungen und sich die Schlinge um den Hals geworfen.
Wie die gerichtliche Untersuchung ergab, war dies das
Werk von fünf Minuten, so daß keinen der Wärter, die

alle Viertelstunden nachzusehen haben, Strafe treffen
kann.
— Frauen im Postdienst früherer Zeiten. Der
weibliche Postbeamte ist durchaus keine Errungenschaft
des 19. Säkulums. Schon im 18. Jahrhundert wurden
Frauen im Postdienst angestellt. Im Archiv des
Reichspostmuseums finden sich die Bestätigungen zweier
Postverwalterinnen aus den Jahren 1740 und 1748,
eigenhändig ausgestellt vom Fürsten Alexander Ferdi-
nand von Thurn und Taxis. Eine dritte Urkunde von
1779 bestätigt die Ernennung einer Frau zur Post-
halterin in Warendorf. Sehr interessant sind auch die
Bilder einiger weiblicher Postbeamten. Marianne,
genannt „Die Zoppoter Schnellpost" besorgte 32 Jahre
den Postverkehr zwischen Zoppot und Danzig. Sie hätte
ihn wahrscheinlich noch länger besorgt, aber abergläubische
Bauern erschlugen sie im Walde. Die „Ragniter
Schnellpost", Marie Zwicklinsky hatte von 1823 bis
1868 also 46 Jahre den Postdienst zwischen Nagnit und
Tilsit, 33 Jahre arbeitete die Witwe Hammerstein
zwischen Wald und Elberfeld. Gesund scheint der Schnell-
postdienst auf alle Fälle gewesen zu sein.

— Das schon! Onkel: .Nicht wahr, ^Fritzchen, auf meinen
Kniecn zu reiten, ist lustiq!" — Fritzchen: „Dos schon, lieber
Onkel! Aber gestern war's doch noch schöner: da bin ich im
Zoologischen Garten auf einem richtigen Esel geritten!"
— Kindesahnen. „Du, Märchen, freue Dich. Mama hat
soeben einen Brief erhalten: Großmama kommt nächste Woche."
— „O weh', Lieschen, da bekommen wir gewiß wieder einen
kleinen Bruder!"
— Ein weites Herz. Frau: „Aber Liese, in drei Tagen
zehn Liebesbriefe schreiben, das ist doch stark!" — Köchin: „Ich
bitte, gnädige Frau, es ist ja jeder an einen Anderen!"
 
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