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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 77-100 (1. April 1901 - 30. April 1901)
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Freitag, 19. April 1901

Grstes Blatt.

43. Jahrgang. — Ar. 91


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SO Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.85 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate am den Plakattaseln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Der Brand des Kaiserpalastes in Peking.
lieber den Brand des Kaiserpalastcs in Peking liegen
einige weitere Nachrichten vor. Zunächst ist richtig zu
stellen, daß der Name des dabei ums Leben gekommenen
Offiziers nicht v. Schwarzkoppen, sondern v. Schwarzhoff,
vollständig v. Groß genannt v. Schwarzhoff lautet. Es
ist, so berichtet ein weiteres Telegramm vom 18. d. keine
Hoffnung mehr, daß der General v. Groß genannt
v. Schwarzhoff gerettet sein könnte. Die Leiche ist
nicht gefunden; man muß annehmen, daß sie völlig
verkohlt ist.
Generalmajor v. Groß gen. Schwarzhoff gehörte
ebenso wie der im Kohlendunst erstickte Oberst Graf
Jork v. Wartenburg zu den hervorragendsten Offizieren
des deutschen Generalstabes. Er war nicht nur ein bei-
deutender Kopf, sondern auch ein hervorragender Cha-
rakter. Vom August 1870 Offizier, hat General v.
Schwarzhoff die unteren Grade der militärischen Hier-
archie rasch durchlaufen und verschiedene Generalftabs-
stellen, u. a. auch die eines Militärattaches in Paris
bekleidet. 1897 wurde er zum Kommandeur des In-
fanterie-Regiments Nr. 91 in Weimar ernannt, 1899
nahm er als militärischer Delegierter an der Friedens-
konferenz im Haag teil. Es ist noch in frischer Erinne-
rung, daß er dort durch sein entschiedenes Auftreten die
allgemeine Aufmerksamkeit erregte, indem er^in einer
trefflichen Rede ausführte, daß Deutschland unter den
Lasten des Militarismus nicht erliege, sondern trotz der
Persönlichen und pekuniären Opfer,die unser Wehrsystem
erheische, zu einer Höhe nationalen Wohlstandes gelangt
sei wie nie zuvor, und daß ferner die Präsenzziffer der
Heere nicht durch internationale Verträge festgelegt wer-
den könne, da sie nur eines der vielen Elemente in dem
System der nationalen Verteidigung eines jeden Landes
bilde und in ihrer Bedeutung wesentlich von diesen be-
stimmt werde. Bei der Mobilmachung des ostasiatischen
Expeditionskorps wurde General v. Schwarzhoff mit
dem Kommando der 1. Brigade betraut, bei Aufstellung
des deutschen Oberkommandos zum Chef des General-
stabes des Grafen Waldersee ernannt. Seitdem ist nur
wenig über seine Thätigkeit berichtet worden; teils mag
dies daran liegen, daß zu Operationen größeren Stils
käme Gelegenheit mehr vorhanden war, andernteils
spricht der Umstand aber sehr deutlich zu gunsten der
Persönlichkeit des Generalstabschefs. Mit ihm ver-
liert die deutsche Armee abermals einen Mann, auf den
hohe Erwartungen gesetzt werden durften.
Nack den bisherigen Ermittelungen ist der General das
einzige Opfer des Brandes. Das Feuer wurde unter
kräftiger Hilfe der Franzosen und Japaner auf 2
Gehöfte beschränkt, deren Gebäude niedergebrannt sind. Die
Ursache des Feuers ist noch unaufgeklärt. Daß Brand-
stiftung vermutet wird, ist schon mitgetcilt worden. Die
Vermutung stützt sich darauf, daß das Feuer in der Woh-,
nung des abwesenden Majors Lauenstein auskam. Die
Akten sind gerettet. General Frhr. v.'Gayl, Oberstleut-
nant Boehm, Major Lauenstein, Hauptmann Wilberg, Leut-
nant v. Rauch und Waldersee selbst haben fast die ganze
Habe verloren. Der Generalfeldmarschall Graf Waldersee
befindet sich wohl und bleibt zunächst noch in dem großen
Gebäudekomplex, der von dem iteuer verschont geblieben ist.

Niedergebrannt sind außer der Wohnung des Generalfeld-
marschalls u. a. die Wohnungen der Generäle v. Groß ge-
nannt v. Schwarzhoff, Frhr. v. Gayl und des persönlichen
Adjutanten Waldersecs, Hauptmanns Wilberg. Uebrlgens
ist nicht zum erstenmal in dem Kaiserpalast Feuer aus-
gebrochen, seitdem die Verbündeten den Palast besetzt halten.
An andern Orten, in Tientsin und Taku z. B., wurden
mehrfach Brandstiftungen durch Chinesen fest-
gestellt und geahndet.

Die Einstellung des Prinzen Adalbert.
Kiel, 18. April. Die Feier des Dienstan-
tritts des Prinzen Adalbert, des dritten
Sohnes des Kaiserpaares, in die Kriegsmarine begann
heute Vormittag um 10 Uhr mit einem Gottesdienst an
Bord des Linienschiffes „Kaiser Wilhelm II." Die
Kaiserin war mit dem Prinzen Adalbert und den
aus Ploen eingetroffenen anderen Prinzen kurz vorher
auf das Schiff gekommen. Der Feier wohnten bei Prinz
und Prinzessin Heinrich, der Generalinspekteur der
Marine, der Staatssekretär des Reichsmarineamtes, der
Direktor der Marineschule und die unmittelbaren Vor-
gesetzten des Prinzen Adalbert. Nach Beendigung des
Gottesdienstes leistete der Prinz bedeckten Hauptes an
dem mit der Kriegsflagge bedeckten Altäre den Fah-
neneid. Nach der Eidesleistung meldete sich der
Prinz beim Kaiser, dem Generalinspekteur der Ma-
rine, dein Kommandanten der „Charlotte" und den üb-
rigen Vorgesetzten. Gegen 11 Uhr war die Feier be-
endet. Nach der feierlichen Eidesleistung begaben sich
das Kaiserpaar mit Gefolge und die Mitglieder des kö-
niglichen Hauses auf die in vollem Flaggenschmuck in der
Nähe des Linienschiffes „Kaiser Wilhelm II." liegende
„Charlotte", die sofort die Kaiserstandarte und die
Großadmiralsflagge hißte. Unter den Klängen des
holländischen Ehrenmarsches betrat das Kaiserpaar das
Schiff. Der Kaiser, in Großadmiralsuniform, schritt
die Front der Besatzung ab. Nachdem hierauf die Mann-
schaft auf dem Achterdeck versammelt war, stellte der
Kaiser mit einer Ansprache den Prinzen Adalbert in
Dienst. Der Kommandant der „Charlotte" Kapitän z.
S. Vuellers, dankte auf die Ansprache des Kaisers und
brachte ein Hoch auf diesen aus. Nach kurzem Aufenthalt
auf der „Charlotte", wo das Kaiserpaar und die Prin-
zen die Wohnräume des Prinzen Adalbert besichtigten,
fuhr er auf das Linienschiff „Kaiser Wilhelm II." zu-
rück, wo Frühstückstafel stattfand.

Zum Gesetz über das Urheberrecht.
Zu den umstrittenen Punkten in dem der Beratung des
Reichstages unterliegenden Entwurf des Urheberrechts ge-
hört, was das Zeitungswesen angeht, die Bestimmung,
welche die Verpflichtung zur Angabe der Quelle
regelt. Die Kommission bat vorgeschlagen, den Z 18 des
Entwurfs wie folgt zu fassen: „Zulässig ist der Abdruck
einzelner Artikel aus Zeitungen, soweit die Artikel nicht
mit einem Vorbehalt der Rechte versehen find; jedoch ist
nur ein Abdruck gestattet, durch den der Sinn nicht ent-
stellt wird. Bei dem Abdruck ist die Quelle deutlich an-
zugeben. Der Abdruck von Ausarbeitungen wissen-
schaftlichen, technischen oder unterhaltenden Inhalts ist,

auch wenn ein Vorbehalt der Rechte fehlt, unzulässig.
Vermischte Nachrichten thatsächlichen Inhalts und
Tagesneuigkeiten dürfen aus Zeitungen oder Zeit-
schriften stets abgedruckt werden."
Die Bestimmung ist nicht glücklich gefaßt. Was ist denn
der Unterschied zwischen einem Artikel, einer Ausarbeitung
gedachter Art, einer vermischten Nachricht und einer Tagesneuig-
keit s DieseBegriffe fließen so ineinander, daß selbst der erfahrenste
Redakteur gelegentlich — oder vielmehr häufig — in Zweifel
darüber geraten wird, unter welchen dieser Begriffe eine
Arbeit zu bringen sei. Leider ist (s. Reichstagsbericht) die
Bestimmung in der Plenarberatung des Reichstages nicht
verbessert worden.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser hat den Offizieren und Beamten der
Marine Erleichterungen für ihre litterarische Thätigkeit
gewährt, hat aber gleichzeitig die Erwartung ausgesprochen,
daß sie bei allen Veröffentlichungen mit besonderem Takt
verfahren würden, um Reibungen zu vermeiden und das
Wohl der Marine zu fördern.
— Der Regierungssitz Kamerun hat, um die
stets wiederkehrende Verwechslung mit dem Namen des
Schutzgebietes zu vermeiden, den amtlichen Namen Duala
erhalten.
— Der in Tientsin leider verstorbene Prost
Dr. Kohlstock stand erst im 41. Lebensjahre. Er wirktg
s. Z. in Deutsch-Ostafrika als Militärarzt. Später be-
gleitete er den Geheimrat Prof. Dr. Koch nach Süd-
afrika, um Mittel zur nachdrücklichen Bekämpfung den
Rinderpest zu finden. Ihm ist eß vor allem zu danken^
daß diese gefährliche Rinderkrankheit so rasch und er-
folgreich im südwestafrikanischen Schutzgebiet bekämpft
wurde, sodaß sie dort nicht allzu großen Schaden mehr
anstiften konnte. Nach der Rückkehr aus Afrika wurde
er wieder dem Oberkommando der Schutztruppen zuge-
teilt, bis er jetzt in den deutschen Kriegslazaretten in
Tientsin die nützlichste Verwendung fand.
— Wie die „Köln. Ztg." meldet, ist der Chef des
Militärkabinets, Generaloberst v. Hahnke, der am
26. d. M. sein fünfzigjähriges Militärdienstjubiläum
feiern wird, seit vorigen Samstag an einem Gelenk-
rheumatismus nicht unbedenklich erkrankt.
Deutscher Reichstag. Berlin, 18. April.
Die Beratung des Gesetzentwurfes betreffend das Urheberrecht
wird bei § 14, der von den Folgen der Uebertragung des Ur-
heberrechts handelt, fortgesetzt. Die U 14 und 15, Begriff des
Nachdrucks, werden in der Kommissionsfassung angenommen.
Ebenso § 16 und 17.
Z 18 betrifft die Bestimmungen, welcheZeitungsarttkel
nackged ruckt werden dürfen.
Abg. Dr. Sattler (natl.): Die Interessen aller Richtungen
treffen bezüglich dieser Paragraphen in der Ansicht zusammen,
daß die Kommissionsbeschlüsse schlechthin unannehmbar
seien.
Abg. Dr. Oertel (kons.): Der größte Teil der Presse ist
mit den Kommissionsbefchlüffen durchaus zufrieden. Nur die
„Kölnische Ztg." und „Franks. Ztg." erheben Einspruch. ES gibt
in der politischen Presse Deutschlands keinen Redakteur, der die
Quellenangabe nicht für eine Ehrenpflicht hält. Eine solche An-
standspflicht durch Strafen zu erzwingen, ist gesetzgeberisch un-
möglich und praktisch unthunlich.
Staatssekretär Dr. Nieder ding: Nach diesemWaragraphen
sind zu unterscheiden: Feuilleton, eigentliche Artikel des Blattes

Kleine Zeitung
. — Das Elend der Garnisonnester in Dcutsch-Loth-
Ange«, schildert sehr drastisch die nachfolgende, in einem
deutsch-lothringischen Offizierskafino vorgetragene
Hymne. Sie lautet also: Schmutzversoffene Erdenhöhle.
^ Sag' warum mit Dir ich quäle — Meinen Stift,
bin abzumalen — All' den Jammer, all die Qualen —
And des Schmutzes ekles Bild, — Das Dir Straß' und
Haus erfüllt? — Treu zu schildern all dies Gift, —
Ast zu schwach Du, armer Stift. — Wort noch Pinsel
wird's gelingen, — All' das auf's Papier zu bringen.
Was das Fremdlingsherz durchdringt, — Wenn der
Abend niedersinkt, — Wenn durch Deiner Gassen Zeile
A Gähnend schleicht die Langeweile, — Wenn die Lam-
pen trübe brennen, — Weil sie es nicht besser können.
Wenn von Düften ein Gewimmel — Steigt zum
Aßerfüllten Himmel, — Wenn in Schmutz- und andern
Haufen — Man bedroht ist zu ersaufen, — Wenn in
Schlamm, der immer stinkt — Die Galosche still ver-
Mkt! — Horch', dort heult ein kranker Hund, — Eine
Agel hört man wimmern, '— Grollend grinst die
Finsternis — Aus der Häuser dunklen Zimmern! —
And der Wind fegt durch die Gassen — In des Wahn-
Wns tollen Sätzen, — Wirbeln in die dicke Luft —
Aaub und alte Zeitungsfetzen, — In die Luft, aus
Ar der Ruß — Der Saline endlos träufelt. — Sag',
?ein Herz, ist's da ein Wunder, — Daß man sicher hier
Arzweifelt? — Ist's ein Wunder, wenn der Fremdling
F,,Froh den Weg zum Bahnhof sucht? —Garnison,
'a)Ütz' Dich der Himmel! — Schauernest, du fei verflucht!
. — Tuberkulose und Influenza. Daß die Influenza,

welche nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt ein
ständiger Gast bei uns ist, durchaus nicht den harmlosen
Charakter zeigt, den man ihr ursprünglich beigelegt hat,
hat fast jeder erfahren, der von der Krankheit einmal
befallen worden ist. Vor allem gefürchtet find die Nach-
krankheiten, welche auf das Konto der Influenza gesetzt
werden müssen, wie Lungenentzündungen, Mittelohr-
affektionen, Erkrankungen des Herzens, nervöse Stö-
rungen aller Art, hartnäckige Magendarmkatarrhe rc.
Besonders gefährlich aber wird die Influenza — wie
ein Berliner Arzt Dr. Ruhemann, hervorhebt — durch
ihre nahen Beziehungen zur Tuberkulose. Die Influenza
verschlimmert nicht nur eine bereits bestehende Lungen-
schwindsucht in ihrem Verlaufe, sondern trägt wahr-
scheinlich auch häufig zur Entstehung der Tuberkulose
bei.
— Korsetts für Männer. Von einer Pariser Firma
werden jährlich nicht weniger als 18 000 Männerkorsetts
hergestellt, deren Preis zwischen 23 und 60 Mark pro
Exemplar schwankt. An weiteren Hilfsmitteln, um von
der Natur allzu stiefmütterlich behandelte Herren der
Schöpfung in wahre Adonisgestalten umzuwandeln,
preist der Katalog des Geschäftshauses „Herkulesschul-
tern" in Fischbein und Nickel in der Preislage von 23
bis 73 Mark an und — ausgestopfte Waden für den
bescheidenen Betrag von 8—10 Mark.
M — Ein alkoholfreies Trinkgelage. An einem der letzten
Abende vereinten sich die Kongreßmitglieder des VIII.
Internationalen Kongresses gegen den Alkoholismus in
Wien zu einem alkoholfreien Festabend, der
durch ein Damenkomitee unter dem Ehrenpräsidium von

Marie v. Ebner-Eschenbach im Hotel Kontinental arrangiert
worden war. Die wenigen Alkoholisten, die sich in die
Höhle des Löwen gewagt hatten, mag ein heimliches Ent-
setzen gefaßt haben beim Anblick der Mengen anti-alkoho-
lischer Getränke: Thee mit Obers, Milch, Syphon, Limo-
nade, Gießhübler, Krondorfer, Kracherl und Himbeerwaffer,-
die an diesem Abend vertilgt wurden. Besonders gefeiert
wurde der Volksdichter Peter Rosegger, der eine Geschichte
in steierischer Mundart zum Vortrag brachte. Professor
Forel (Chigny) betonte in einem „Trinkspruch" auf das
Komitee, daß er „mit einem Glas Wasser" seinen Freun-
den Gesundheit bringe. Es sei eine Schmach, „mit einem
Gift", nämlich mit Champagner, auf Jemandes Gesundheit
zu trinken. — Aber, aber!

Du sollst reden, nicht viel, aber sinnig;
Du iollst beten, nicht lang, aber innig;
Du sollst handeln, nicht rasch, aber kräftig;
Du sollst lieben, nicht laut, aber heftig;
Du sollst leben, nicht wild, aber heiter;
Du sollst dir helfen, Gott hilft dir weiter.
Halm.

Literarisches.
—Z Katechismus der Baustile von Dr. Ed. Freiherrn von;
Sacken. Vierzehnte Auflage. Mit 103 Abbildungen. In
Originaleinband 2 Mark, Verlag von F. I. Weber in Leip-
zig. Ist die Kenntnis der verschiedenen Baustile schon von
allgemeinem Interesse, so hat sie für Gewersleute, die mit!
architektonischen Formen oder Ornamenten irgendwie zu thim
haben, wie Bauleute, Schreiner, Steinmetzen, ganz besonders
 
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