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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1903 - 31. Juli 1903)
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Preußcn.

Trier, 14. Iuli. Auch hier stößt üie in dem neuen
Weingesetz vorgesehene K e 11 e r k o n t r o 11 e auf große
Schwierigkeiten. Die hiesigen, zur Kontrolle bestellten
Sachverständigen, welche ihr Amt schon vom 1. April d. I.
ab ausüben sollten, haben es aufs bestimmteste abgelehnt,
die zu untersuchenden Weine selbst den betreffenden Kellern
zu entnehmen, und so ruht denn das ganze Kontroll-
geschäft.

Kvburg-Gotha.

Gotha, 14. Juli. Jn der letzten Sitzung des
Land'tags spielte sich ein l e b h a f t e r A u f t r i t t
ab, worüber wir der „Magdb. Ztg." folgendes entnehmen:
Ein Abgeordneter hatte einem anderen eine unparlamen-
tarifche Bemerkung zugerufen, worauf ihn der Präsi -
dent Liebetrau zur Ordnung rief. Der Bize-
präsident, sozialdemokratischer Abgeordneter Bock,
bemerkte darauf, daß dieser Ordnungsruf in einem
so kommandomäßigen Tone erfolgt fei, „a l s ob wir
dumme Jungen" wären. Der Präsident legte in-
folge dieser Aeußerungen den Vorsitz nieder, worauf Bock
die Leitung der Verhandlungen übernahm. Jm Verlauf
der Sitzung gab Bock dem Wunsche Ausdruck, daß Prä-
sident Liebetrau den Vorsitz wieder übernehme, dieser er-
klärte jedoch, seine Mefchäftsführung sei in so tief ver-
letzender Weise angegriffen worden, daß er sein Mandat
in die Hände der Wähler zurücklege. Mehrere Abgeord-
nete versuchten alsdann, den Abgeordneten Bock zu veran-
lassen, seine beleidigende Aeußerung zurückzunehmen. Letz-
terer unterbrach die Verhandlungen, um in der Zwischm-
zeit die Angelegenheit zu regeln. 'Nachdem mehrere Ab-
geordnete den Präsidenten Liebetrau ersucht hatten, auf
seinen Posten zurückzukehren, und auch der Abgeordnete
Bock feinen Ausspruch zurückgenommen hatte, erfolgte die
einftimmige Wiederwähl Liebetraus züm Präsidenten, der
darauf die Etatsberatung weiter und zu Ende führte.

Ausland.

Amerika.

Newyork, 14. Juli. Aus Oysterbay wird der
„Köln. Ztg." gemeldet: Präsident Roofevelt empfing heute
die von der jüdischen Gesellschaft B'nei b'rith zusammen-
gebrachte Petition wegen der Vorgänge inKi -
schine w. Wahrscheinlich wird die Petition nich 1
w e i t e r g e g e b e n, sondern das rufsische Auswärtige
Amt auf diplomatischem Wege benachrichtigt werden, daß
sich eine solche Petition in dm Händen der Regierung der
Vereinigten Staaten befindet. Es würde Rußland über-
lassen bleiben, sich zu äußern, ob es die Petition annehmen
will. Es heißt, Präsident Roosevelt wünsche, da eine
Verzögerung die andern diplomatischen Verhandlungen
der Regierung mit Rußland stören könnte, eine rasche Er-
ledigung der Angelegenheit, zumal Rußland durch die
strengen Matznahmen, die es getroffen habe, zeige, daß es
bereit sei, die an den Kischinewer Metzeleien Schuldigen
gebührend zu bestrafen.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg. 16. Juli.

* Die bevorstehende Universitätsfeicr. Was hat es denn
eigentlich mit diesem neuen Universitätsjubiläum für eine Be-
wandtnis? so wird man vielfach gefragt, auch von Solchen, von
denen man annehmen sollte, sie wüßten einigermaßen Bescherd.
Es zeigt sich, daß in den weitesten Kreisen der Bürgerschaft ein
dringendes Bedürfnis besteht, über die Bedeutung der bevor-
ftehenden Feier ausgeklärt zu werden. Dieses Bedürfnis wird
befriedigt durch den ausgezeichneten Auffatz von Prof. L o -
renhen, den wir an dcr Spitze unseres heutigen zwciten
Blattes veröffentlichcn. Kurz und bündig, klar und anschau-
lich wird dem Leser auseinandergesetzt, worum es sich bei die-
ser Feier handelt und was sie bedeutet. Wir machen hiermll
auf diesen Aufsatz noch besonders aufmerksam.

X Bon der Strasienbahn. Die Fortführung der elektri-
schcn Straßenbahn nach den Stadtteilen Neuenheim und Hand-
schuhshcim wird nun nicht mehr tange auf sich warren lasfen,
denn die ministerielle Genehmigung ist eingetroffen und nach
Umfluß der Einspruchsfrist kann mit dem Legen der Gleise
begonnen werdcn.

X Boettge Wagner-Abend. Wir wollen nicht verfehlen,
unsere Leser darauf aufmerksam zu machen, daß am Freitag,
den 17. Juli, abends Uhr, Herr Königlicher Musikdirektor
Adolf Boettge mit seiner gesamten Kapelle im Garten der
Schloßrestauration einen Wagner-Abend veranstaltet.

-f- Stadtgartenkonzert des städtischen Orchesters. Zum
französischen Nationalfeste am 14. Juli wurden die hier an-
wesenden Franzosen von Herrn Musikdirektor Paul Radig mit
einem auserlcfcnen Programni dcr schönsten französischen
Kcmpositionen im Stadtgartenkonzerte erfreut. Für diese
Ueberraschung wurde dem Dirigenten des städt. Orchesters
während des Konzertes ein prachtvoller Lorbeerkranz mit
Schleife überreicht. Bei dieser Gelegenheit ergeht an Herrn
Dir. Nadig der Wunsch mehrerer Stadtgartenkonzertbesucher,
welchen es an diesem Abend nicht möglich war, dem Konzerte
beiwohnen zu können, das Programm nochmals im Stadt-
garten zur Wiederholung zu bringen.

-I- Der Fürst von Montenegro sowie Prinzessin Wera
machten gestern im Ausstattungsgeschäft der Herren Ge -
brüder Ammann sehr bedeutende Cinkäufe.

Kcnferenz aufgestellt werden solle und wenn ja, in welcher
Weise dieser Gegenstand für die nächste Konferenz vorzubereiten
sei. Der Antrag wurde eingehend begründet vom Züricher
Kirchenratsprästdenten Dr. Scheller. Er betonte, die Sache
biete in landeskirchlichen Verbänden gewisse Schwierigkeiteu,
allein sie liege nun einmal in der Luft und dringe in immer
weitere Kreisei Der Redner schloß mit dem Antrag, es sci
das Frauenstimmrecht auf die Tagcsordnung der Konferenz zu
setzen und ein Berichtcrstatter zu bestellen. Nach einer lcb-
haften Tebatte, in der von gegncrischcr Seite die bekanntcn
Phrascn ins Feld gcführt wurdcn, wurde mit 19 gegcn 11
Stimmen Zürichs Antrag angenommen. Das Frauenstimm-
recht kommt demgemäß an der nächsten protestantischen Kir-
chenkonferenz zur Behandlung.

---- Tclefon-Verkehr. Jn der letzten Zeit sind an das Orts-
Fernsprechnctz angcschlosscn wordcn:

Nr. 915 A'delsberger, G.; Privatwöhnung Uferstr. 8.

„ 906 Augenklinik der Universität, Bergheimerstraße 20.

„ 917 Brühl, Professor, Dr. I. W., Rohrbacherstr. 48.

„ 895 Burkardt Jos., Brot- und Feinbackerei, Unterestr. 27.

„ l 19 Caf4 Jmperial, Jnh. Hngo Wasserbauer, Wredeplatz 1.

„ 708 Dörsam, Andreas, Kunst- und Handelsgärtnerei, La-

denburgerstrahe 58.

„ 656 Freund, M., Kaufmann, Hauptstraße 33.

„ 188 Heidelberger Hof, Hotel, (Wilhelm Hillengatz) , Wrede-

platz 1.

„ 905 Hofmann, Karl, Schreibmaschinenbureau, Graben-
gasse 11.

„ 908 Kirchgeßncr, Albcrt, prakt. Zahnarzt, Leopoldstr. 18.

„ 903 Pfaff, Heinrich, Sattlcr- und Tapeziergeschäft, Haupt-

strahe 72,

„ 911 Seehagen, Heinr., Möbelspediteur, Hauptstr. 190.

Fn den Teilnehmerverzeichnissen sind zu streichen die Ein-
tragungen:

Nr. 26 Ludwigshafener Ziegelwerke, H. Holz, Ludwigshafen
(Rh.), Verkaufsbureau, Falzziegelwcrke, Häusscr-
straße 39. p.

„ 510 Schüler, A., Gastwirt, Hotel Bahrischer Hof, Rohr-
bacherstratze 2.

„ 520 Deutsche HolZ^arenfabrik, G. m. b. H., Wieblingen,

„ 523 Taub-er, R., Cäfe Jmperial, Hotel Heidelberger Hof,

Wredeplah 1—3,

„ 696 Müller, Jakob, Kohlenhandlung, Lagerplatz Römer-

strahe 16—18.

„ 771 Schäfer, Gg., Jnstallation für Gas- und Wasser-An-

lagen, Röhrbacherstraße 40.

„ 883 Sanz Enrique, Privatmann, Klingenteichstr. 15.

Jnternationaler Mathematiker-Kongreß. Der dritte inter-
nationale Mathematiker-Kongreß wird in -den Tagen vom 8.
bis 13. August 1904 hier stattfindcn.

-e- Daubstummcnanstalt Heidclberg. Auf 15. Oktobcr l. I.
wird in Heidelberg eine weitere Unterrichtsklasse für etwa 12
taubstumme Zöglinge eingerichtet. Aufnahmesähig sind bil-
dungsfähige taubstumme Kin-der vom 8. bis zum 11. Lebens-
jahre; dabei kommen in erster Linie solche Zöglinge in Be-
tracht, die noch Gehörreste besitzen. Eltern und Vormünder
solcher Kinder werden aufgefordert, etwaige Aufnahmegesuche
unter Benutzung der vorgeschriebenen Fragebogen, sowie mit
einem bezirksärztlichen Zeugnis, das sich besonders über den
Stand des Gehörs auszusprechen hätte, alsbald bei dem Leiter
der Taubstummenkurse —- Heidelbeiz;, Plöckstr. 61 — einzu-
reichen, von dem auch -die erforderlichen Fragebogen auf Ver-
langen unentgeltlich zu beziehen sind.

X Reingefallen. Jn arge Verlegenheit geriet vor einigen
Tagen ein älterer Privatier aus Männheim, welcher auf ein
Heiratsgesuch in der Zeitung reagierte und auf diesem Wege
eine hübsche junge Dame kennen lernte. Es kam schließlich
so weit, datz er zur Berlobung schritt, zumal die Braut, nach
ihren Angaben, ebenfalls nicht unvermöglich war, sondern ein.
Gut mit Grundstück bei Jnnsbruck (Tirol) besaß. Zum Zweck
der Verlobung an Ort nnd Stelle machte nun dieser Tage das
Brautpaar die Reise nach Tirol, wobei der Privatier eine be-
deutende Geldsumme (man munkelt von 87 000 Mark) in
Banknoten bei sich trug. Jn Jnnsbruck mußte man übernachten.
Als am anderen Morgen der Bräutigam erwachte und das Zim-
mermädel nach dem Befinden seiner „Braut" fragte, erklärte
dasselbe, däs Fräulein sei bereits in aller Frühe weggegangen.
Zugleich vermißte der Privatier seine Hcmdtasche, in welcher
sein Bargeld in Papiergeld verwahrt war. Die „Braul"
aber blieb verschwunden. Sie hatte natürlich, wie sofort ein-
gezogene Erkundigungen ergaben, kein Gut. Der Mann war
einer Diebin und Heiratsschwindlerin zum Opfer gefallen. Zu
allem Schaden wird der „alte Knabe" nun noch ausgelacht,

/X Oeffentliche zionistischc Bersanuiilung. Man bcrichtet
uns: Einen ziemlich großen Erfolg bedeutete für die hieftge
zionistische Ortsgruppe die vorgestrige von ihr einberufenc
Versammlung, die einen überaus zahlreichen Besuch zu ver-
zeichnen hatte. Nach Eröffnung der Versammlung erhielt der
Referent, Herr Julius Simon - Mannheim, das Wort. Er
erinnerte zunächst an die entsetzlichcn Vorgänge in Kischniew,
über welche die Erregung auch hcute noch nicht nachgelasscn
und die uns die elende Lage der überwiegenden Mehrheit des
jüdischen Volkes wieder mit furchtbarcr Deutlichkeit vor Augen
geführt habe. Dennoch habe dasselbe keinen Grund zum Ver-
zweifeln. .Wenn viclmehr das jüdische Volk nur noch sovicl
Lebensenergie an den Tag lege, um zu zeigen, daß es nicht gr-
willt sei, inmitten der fremden Völker dem Untergang anheim-
zufallcn, so bietc das schon einc Gewähr für eine Besscrung
bezw. Umgestaltung der Verhältnissc im zionistischen Sinne.
Das jüdische Volk müsse sich s e l b st helfen. Vor allen Din-
gen müsse dic uralte, auch hcute noch dnrchaus nicht verschwun-
dene, sondern fortschreitcnde jüdische Kultur Gelegcnheit und
Möglichkeit erhalten, sich unter freier Entfaltung aller Kräste
in ihrer Eigenart zu erhalten und weiterzubilden. Die Bedin-
gungen aber für ein solchcs ungcstörtes Sichauslebcn der jü-
dischen Volkskraft seien nirgends vorhanden als in dem Land
Jahrtausende alter Sehnsucht, in Palästina, Es bedürfe nichts
als tüchtiger wirtschaftlicher Arbeit, um das jetzt noch öde Land,
das seiner Größe nach zur Aufnahme mehrerer Million n
Menschen wohl befähigt sei, wiedcr zu einem gesegneten und
fruchtbaren zu machcn. Neun Zehntel der gesamtcn Judenheit
schmachten in den Ghetti von Rußland, Rumänien und Gali-
zien, aber auch von London und Newyork; eine Besserung Scr
Lage sei nur durch Auswandcrung zu erreichen. Jn allcn hier-
für irgendwie in Betracht kommendcn Ländern sind scharfe
Einwcmderungsgesetze teils vorhandcn, tcils in Vorbereitung
(Ilmerika, Südafrika, England). Eine Garantie für cine
glückliche Lösung dcr Judenfrage biete viclmchr cinzig und
allcin die cinträchtige und tatkräftige, Mitarbeit aller jüdi-
schen Elemente an dcr Verwirklichung des zionistischcn Pro-
gramms, welches lautet: Dcr Zionismus crstrebt für das
jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten
Hcimstätte in Palästina. Trotz jahrtausendc langer Leiden
habe sich das Judentum noch immer die nötige Frische be-
wahrt, um sich aus cigener Kraft zu helfen. Für scine von
Herzen kommcndcn Worte crntete der Redner reichlichen Bei-
fall. Jn der Diskussion kam als crster Redner Herr stud.
Schlüchtcrer zum Wort, der seinen assimilatorischcn
Standpunkt betonte und die Existenz eines jiidischen Volks in
Abrede stelltc. Von gleichen Anschauungcn ausgehcnd, ver-
focht Herr Dr. Wimpfh e i mer gegenüber dem Natio -
n a l i s m u s dcr Zionisten den „Panismus". Die Ju--
den müßten stch überall bestreben, im Staatsganzen aufzuge-
hcn. Gcrade unter den jetzigcn schwierigen Verhältnissen müsse
es übrigens ihr Stolz sein, auszuharren. Jn seiner Wider-
lcgung betonte Herr Dr. Moses, daß die Existenz eines ;ü-
dischen Volkesvor dem Auftreten des Zionismus von jedcr-
mcmn als etwas selbstverständliches betrachtet worden sei. Fer-
ner wies er aus Grund cigener Erfahrung darauf hin, wie
häufig dcr „Stolz" der „ausharrenden" Juden am Taufbecken
scin Ende nehme. -— Großcr Aufmcrksamkeit begegnctcn die
Ausführungen dcs augcnblicklich hier weilendcn Führers der
amerikanischen Zionisten, Prof. Dr. G o t t h e i l, Dieser be-
tonte u. a., wie in Amerika und Englcmd, wo die Zionisten sich
als die ersten an patriotischen Tatcn stcts betciligt hätten, noch
niemand gewagt habe, dieselben des Mangels an Vaterlanös-
liebe zu beschuldigen, — Nach einem kurzen Schlußwort des
Referenten wurde die Versammlung hierauf geschlossen. Die

Ortsgruppe verdankt dem Abend eine beträchtliche Zahl neuer
Mitgliedex ünd darf mit Befriedigung auf ihn zurückblicken.

O Strafkammersitzung vom 14. ds. Vorsitzender: Land-
gerichtsdirektor Dr. West; Vertreter der Großh. Staatsbe-
horde: Staatscmwalt Dr. S e b o I d. 1. Die 25 Jahre alre
Dienstmagd Eleonore Mohr von Ziegelhausen erklärt, nur aus-
Not, in die sie durch die Sorge um ihr Kind geraten sei, ver-
schiedene kleinere Gelddiebstähle begangen zu haben, Als
mehrfach vorbestrafte Diebin wird sie zu 1 Jahr 3 Monatc
Gefängnis berurteilt, wovon 1 Monat erlittener Untersuch-
ungshaft abgerechnet wird. — 2. Karl Marquetant, 66 Jahrc
alter Taglöhner von Friedrichsfeld, verübte auf dem Feldweg-
von Dossenheim nach Hcmdschuhsheim an einem noch nicht 14
Jahre alten Kinde cin Sittlichkcitsverbrechen. Das Strasi
register des Angeklagten, welches 44 Vorstrafen aufweist, irsird
dies Mal um eine Zuchthausstrafe von 2 Jahren und 5jährigeN
Ehrverlust bereichert. — 3. Dcr 21jährige, schon oft vorbe-
strafte Schlojser Otto Bitzer von Barbclroth (Rheinpfalz) tricb
sich von Walldorf aus, wo er sein Standquartier aufgeschla-
gcn hatte, auf Dicbszügcn in der Gegcnd von Mcmnheim, Hei-
dclberg und Sinsheim herum, wobci er es besonders auf
Fahrräder und Taschenuhren abgesehen hatte. Wegen eines
schweren Diebstahls und 13 einfacher, darunter allein 8 Fahr-
raddiebstähle, erkennt das Gericht auf 4 Jahre Zuchthaus, -b
Jahre Ehrverlust, sowie auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. —-
Hauptlehrer Hermann Freh von Eichelberg hat sich wegcü
Körpcrverlctznng im Amte zu verantworten, deren er sich durch
Mißbrauch und Ueberschreitung seines Züchtigungsrechtes
der Schule schuldig gemacht haben soll. Die Beweiserhebung
ergibt jedoch, daß der angeblich mißhandelte Knabe ein recht
störrisches und widerspenstiges Bürschlein ist, dessen Eigensinn
mit Gewalt gebrochen werden muß. Auch in der heutigew
. Verhandlung verweigerte er jede Antwort und konnte nur mik
Ecwalt vor die Gerichtsschrcmke gebracht werden. Unter die-
sen Umständen konnte das Gericht dem Lehrer die Befugnis
zu körperlicher Züchtigung nicht aberkennen und hielt auch einc
Ueberschreitung derselben nicht für vorliegend, da es wahr-
scheinlich sei, daß der Knabe die ganz geringsügigen Hautab-
schürfungen durch sein ungeberdiges Wesen sich selbst zuge-
zogen hat. Es erfolgte deshalb die Freisprechung des Ange-
klagten. — Wcgen Unterschlagung haben vom Schöffengcricht
der Maurer Joh. Wittmann in Eppelheim 8 Tage Gefängnis
und seine Ehefrau 20 Mark Geldstrafe erhalten. Sie hakten
ein von einem Weinhändler irrtümlich an sie adressiertes Fasi
Wein, obwohl sie keinen Wein bestellt und zu xrwarten hatten,
in Empfang genommen und den Wein getrunken, ohne ihn zü'
bezahlcn. Das Gericht wies die Bcrufung des wegen Betrugs
schon vorbestraften Angeklagten mit der Maßgabe zurück, daß-
die Bestrafung nicht wegen Unterschlagung, sondern wegen Be-
tiugs erfolgt. Die Frau hatte keine Berufung eingelegt. —
6. Maurer Jakob Dörner von Reihen hat sich an einer Rau-
ferei auf dem Wege von Hilsbach nach Weiler beteiligt und
stch dabei einer erschwerten Körperverletzung schuldig gemacht.
Seinc Berufung gegcn das auf drei Monate Gefängnis erkcn-
nende Urteil des Schösfengerichts wird als unbegründet zurück-
gcwiescn. — 7. Ebenso zurückgewicsen wird die Berufung der'
Karl Guland Ehefrau hier, welche vom Schöffengericht wcge»'
Ruhestörung zu 8 Tagen Haft verurteilt worden war.

V Karlsruhe, 15. Juli. (Die hiesige Baufir-
ma Zoller und B i I l i n g) ist in Z a h l u n g s s ch w i ch-
rigkeiten geraten. Am 14. ds. Mts. hatte sie nun ihrn
Gläubiger zu ciner Besprechung der Lagc zusammengerufen-
Es war dies dadurch nötig geworden, weil nach dem Tode de^
bisherigen Teilhabers, Herrn Ritzhaupt, sich ergeben hatte, öaß.
das Geschäft mangels genügender Kapitalmittel in der bis-
hcrigcn Weise nicht mehr fortgeführt wcrden könne, falls
nicht gelinge, eine finanzielle Sanierung herbeizuführen. N
der Versammlung hcrrschte Einstimmigkeit darüber, daß cs
im Jnteresse der Firma sowohl als der Gläubiger liege, das-
Geschäft in der bisherigen Weise weiter zu sühren, zumal reickst
liche lohnende Aufträge vorliegen, wclche die Firma für die
nächsten Monate voll beschäftigen. Um dies zu ermöglichen,
wurde von den anwesenden Gläubigern, welche weit mehr als
/U der Gesamtsumme aller in Frage kommenden Forderungen
zu bcanspruchen haben, beschlossen, der Firma ein Moratoriuin
bis Endc November zu bcwilligcn. Zugleich wurde ein Gläu-
bigerausschuß gcwählt, welchcr in der Zwischenzeit den Betrieo-
zu überwachen hat. Jn dicscr Zeit soll von sachverständigee
Scite cin genauer Status über dic Gcschäftslage und über die
Aktiva und Passiva angefertigt werden und, sobald dieser Sta-
tus borliegt, soll der Gläubigerausschuß alsdann den Gläubi-
gern Vorschläge über die L>anierung des Geschäfts machen,
wclche daraufhin zielcn, wenn irgcnd möglich, von den Gläu-
bigern jedcn Verlust abzuwenden. Es ist in Aussicht genoM-
men, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründc»,
bci welchcr sich die Gläubiger dcr Firma in der Wcise beteiligen
würden, daß ein Teil ihrer Forderungen in Geschäftsanteile
unigcwandelt würdc. Es wäre im Jntcresse von Karlsruhe -P
begrüßen, wcnn dic Firma, welchc beinahc 200 Arbeiter be-
schäftigt, beini Platz crhaltcn btcibcn könntc.

O Ettlingen, 15. Juli. (Verunglückt) ist am MoN-
tag Abend das Zichjährigc Bübchen des Johann Buchschcid, >n-
dem es in einem Zubcr heißen Wasscrs ficl und sich derart vcr-
biühte, daß cs dem „Bad. Ldsm." zufolge heute an den Fo^
gen starb.

Freilmrg, 15. Juli. (D a s A b i t u r i c n t e n e x n ^
m e n) am Großh. Gymnasium, dcssen mündlicher Teil a>n
Montag und Dienstag vor Herrn Geh. Rat Wagner als Prn^
fungskommissär stattfand und dcni sich 60 Abiturientcn untci^
zogcn, habcn sä mtliche Obcrprimaner bestanden.

Hügelsheim, 13. Juli. (I m r r w a h n.) Letzlen
Freitag entsernte sich dic Bernhard Herrmann Witwe, die asi-
geistig nicht normal bekannt ist, von hier. Die Ortseinwohue
suchten vergeblich drei Tage nach dcrselben. Gestern wuso
die Bedauernswertc, wic das „Rast. Tgbl." meldet, tot >»
Jffezheimer Wald von cincm Jffezhcimer Bürger aufgcfuN-
den. Anschcinend ist dieselbe verhungert. .

O Meersvurg. 15. Juli. (Verhaftet.) Der flüchtw
gcwordene Kassier des Hagnauer Landwirtschaftlichen Konsuy^
vereins hat sich nicht das Lcben genommcn, sondern ist bereiu-
verhaftet und dcm Landgericht Konstanz vorgeführt worden-
Bis jetzt sind 3000 Mark Fehlbetrag ermittelt. Die Unter-'
suchung ist aber noch nicht beendigt.

O Radolfzell, 15. Juli. (Gewitter und H a g§ '(^
Vorgestern Nachmittag zog ein Gewitter mit Hagclschlag uv-
unsere Gegcnd, das großen Schaden anrichtete. lleberall wi> ,
den Baumzweige, Fruchtansätze an Bäumen, Sträuchern u
Gemüsen abgeschlagcn und manche. Fenstcrscheibe und Latei'
zertrümmersi Auch die Feldfrüchtc littcn zum Teil schwer.

Kleine Zeitung.

— Hochschulnachrichten. Der Geh. Medizinalrat ProfeiM,,
Dr. A. Neisser-Breslau hat sich, wie die „Neue Freie Pr5,>j,,-
meldct, zur Annahme dcr durch das Ausscheiden Jsidor^ Ow
manns sreiwerdenden Professor für Dermatologie und SYpp^
lis an der Universität in Wicn bereit crklärt. — Der o. A
fessor in der theologischen Fakultät der Universität Gietzen,
Kirchcnrat O. F. Kattenbusch, hat dcn an ihn ergangcncn ^ ^
an die Universitat in Göttingen angcnommen. — Aus dN u
burg wird der „Frankf. Ztg." gcschrieben: Der Professor ^ ^
Philosophie Kühnemann, der erst kürzlich einen Ruf nach
angcnommen hatte, wird zum tommenden Winterscmestcr
Posen übersiedeln, um dort die Leitung der akademischen -s
lesungen zu übernehmen. — An der deutschen Universtta
 
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