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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1903 - 30. September 1903)
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45. UWU. — ^ Lll)



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Samstllg, 19. Le-teulber 1V3.

Der Kaiser in Wien.

Wicn, 17. Sept. KaiserWilhelmist heute Vor-
^ittag 91/2- Uhr auf dem Südbahnhof hier eingetroffen
von KaiserFranzJosef und den übrigen Mit-
Äiedern des kaiserlichen Hauses begrüßt worden. Die
deiden Monarchen begrüßten sich überaus herzlich mit
^hrmaligem Händedruck und Umarnmng und küßteu
^Nander wiederholt. Nach dem Abschreiten der Ehren-
^Nipanie fuhren beide Kaiser unter den stürmischen
HuIdigungen der am Bahnhof versammelten und dis
^traßen einzäunmden Menschenmassen nach der Hofburg.
^ei der Ankunft Kaiser Wilhelms am Bahnhof Wie auf
Hofburg gab die Artillerie einen Salut von 24
^chüssen ab.

_ 4 Wien, 18. Sept. K a i s e r W i l h e l m stattete als-
^ld nach seiner Anrunft iu der Hofburg Koiser Franz
^"sef einen längeren Besuch ab und kehrte 2 Uhr nach-
tchttags von den Besuchen bei dsn Mitgliedern des kaiser-
^chen Hauses zurück. Zur Frühstückstasel in der Hofburg
.^rrn der Reichskanzler Graf Bülow, der deutsche Bot-
lafter Graf Wedech das Gefolge und der österreichische
heendienst zugezogen. Nach dem Frühstück setzte der
,miser die Besuche bei den Erzherzoginnen fort und traf
Men 4 Uhr wieder in der Hofburg ein. Der Kaiser wurde
"erall, wo das Publikum seiuer ansichtig wurde, respekt-
begrüßt.

U Wicn, 18. Sept. Se. Maj. Kaiser Wilhelm stattete
^chmittags der Königin-Mutter vou Spanien einen Be-
N ab. Auf der Fahrt von der Wrener Neustadt nach
^ien hörte Se. Maj. Kaiser Wilhelm den Vortrag des
^ichskanzlers Grafen Bülow. Auf der Vesuchsfahrt be-
öleitete Se. Majeftät der den Ehrendienst versehende Feld-
^arschall-Leutnant Frhr. v. Alborg.

U Wien, 18. Sept. Um 6 Uhr abends fand in dem
sUll Blumen herrlich geschmückten großen Redoutensaale
Hofburg eine Galatafel zu Ehren Se. Maj.
Käisers Wilhelms statt, an welcher außer den Maje-
l uten und den Mitgliedern des kaiserlichen Hauses beider-
.ertige Gsfolge, die hohen Hof- und Staatswürdenträger,
iamtliche Mitglieder der deutschen Mission und. die Prä-
Udenten beider Häuser des Reichsrats, sowie der Bürger-
lUeistex voa Lueger teilnahmen. Unter den Klängen der
^iverture der Oper „Die Regimentstochter" hielten die
P^ajestäten ihren Einzug in den Redoutensaal, Kaiser Wil-
in der Uniform eines österreichischen Generals der
^avallerie mit der Erzherzogin Maria Josepha am Arm,
ifaiser Franz Josef in Prenßischer Feldmarschall-Uniform
mit der Erzherzogin Maria Annunziata. Es folgten die
^rigen Mitglieder des kaiserlichen Hauses und die ge-
adenen Gäste. Bei dem Mahle saßen zur Rechten des
^aisers Franz Josef Se. Maj. Kaiser Wilhelm, Erzherzo-
Maria Josepha, Erzherzogin Franz Ferdinand, links
M Erzherzogin Maria Annunziata, dis Erzherzöge Fer-
. Mand Karl und Lüdwig Viktor. Gegenüber den Maje-
uäten saßen der Reichskanzler Graf Bülow, der Minister
.fs Auswärtigen Graf Goluchowski und der deutsche Bot-
lmafter Gras Wedel und weitere Gäste. Um 7 Uhr abends
fdar die Tafel zu Ende und die Majestäten sowie der Hof
^rließen den Saal in derselben Reihenfolge wie beim
fllntritt. Um 84^ Uhr fuhren beide Majestäten zur Fest-
^arstellung in die Hofoper.

. X Wicn, 18. Se'pt. Bei der heutigen Galatafel
^ der Hofburg brachte Kaiser Franz Iosef folgen-
^n Trinkspruch aus: Herzlich willkommen heiße ich
Majestät und gebe der aufrichtigsten Freude Aus-
"^uck, den treuen Freund und Bundesgenossen heute in
llnserer Mitte zu empfangen. Ew. Majestät sind durch
Are Hierherkunft dem von mir gehegten Wunsche des
^iedersehens mit einer Bereitwilligkeit entgegengekom-
^kn, pw in mir das Gefühl warmer Erkenntlichkeit wach-
und das schon so feste Gefüge unserer beidsrseitigen
soeziehungen gewiß mit neu erhöhter Kraft ausstatten
^ird. Von dieser Zuversicht durchdrungen, bitte ich Ew.
^ajestät, zu gestatten, daß ich dieses Glas auf Jhr Wohl
^Nd auf unsere unerschütterliche Freundschaft erhsbe und
xNbei ausrufe: Se. Maj. Kaiser Wilhelm lebe hoch! Die
^Nwefenden stimmten begeistert ein und die Musik into-
Ij^rte das „Heil dir im Siegerkranz". Alsbald erhob
N Kaiser WiIheIm und erwiderts mit folgendem
^kinkspruch: Von tiefer Dankbarkeit erfüllt, bitte ich Ew.
^ajestcit, in Gnaden den Ausdruck meines innigsten Dan-
entgegennehmen zu wollen für die freundlichen Worte,
?llt wslchen Ew. Majestät mich soeben bewillkommnet ha-
sowie für den herzlichen und glanzenden Empfang,

, mir die stets gastfrsie und ewig schöne Kaiserstadt an
br Donau, Ew. Majestät Residenz, bereitet hat. Nichts

konnte mir willkommener sein, als dem Wunsche Ew. Ma-
jestät entsprechend hierher zu eilen, um meinen in Ehr-
furcht geliebten erhabenen Freund und Bundesgenossen
zu begrüßen. Der Anblick Ew. Majestät stolzer Regi-
menter. war nnr eins Herzensfreude, denn den Bund un-
serer Länder tragen und festigen unfere beiden Heere
zum Wohle des Friedens und Europas. Wenn ich mein
Glas nunmehr auch auf das Wohl Ew. Majestät erhebe,
bitte ich zugleich der Dolmetsch der Gefühle aller Deutschen
im Reiche sein zu dürfen, wenn ich dem Wunsche Ausdrnch
gebe: Gott segne und erhalte Ew. Majestät unh. Wr er-
lauchtes Haus! Se. Maj. der Kaiser mch Lfänig Franz
Josef Hurra! Die Bersammlung stimmte begeistert ein.

V Mcn, 18. Septbr, Kaiser Franz Josef ließ dem
Reichskanzler Grafen Bülow sein von Horwitz gemaltek
lebensgryßes Bildnis überreichen. — Der Reichskanzler
Graf Bülow stattete nachmittags dem 'Grafen Goluchowski
einen IWtündigen Besuch ab.

Zum Rücktritt Chamberlains.

Durch Ehamberlains Rücktritt ist alle Welt aufs
äußerste überrascht worden. Aber im Grunde tat der
Lisherige cnglische Kolonialsekretär recht, daß er sich aus
den Fesseln des INinisteriums losmachte mit dem er sich
doch nicht mehr in voller Ilebereinstimmung befand.
Die neue weitschauende Jdee, die er vertritt — nämlich
den engeren Zusammenschluß aller englischen Besitzungen
mit dem Mutterlande mit Hilfe von Zöllen auf Lebens-
mitteln in dem letztsren — hat in dem Kabinett nicht die-
jenige Aufnahme gefunden, die nötig gewesen wäre, wenn
Chamberlain sich als Minister für seinen Plan einsetzen
sollte. So ist er zurückgetreten und wird nun als freier
Mann für feine Jdee agitieren. Schon ist ein großer Rede-
feldzug angekündigt; jetzt schon hat er neun Reden in
Aussicht genommen. Was ein angesehener Staatsmann —
und ein solcher ist Chamberlain,— mit einem Redefeld-
zuge erreichen kann, das hat seiner Zeit Gladstone gezeigt:
Sein Midlothian-Feldzug hat damals die Parteiverhält-
nisfe Englands vollständig umgedreht und den Liberalen
zum Siege geholfen. Ehamberlain ist ohne Zweifel gegen-
wärtig der stärkste Mann, das heißt, der bedeutendfte
Staatsmann inEngland; sein persönliches Ausehen ist nicht
nur in seiner Partei sehr groß. Seine Energie und seine
Rücksichtslofigkeit, seine Ausdauer in schwerer Stunde
haben England Südafrika gewonnen. Man leugnet nicht,
daß er aus tiefster Ueberzeugung für das Wohl des
Reiches arbeitet, und es läßt sich auch nicht leugnen, daß
viele sich mit seinem wirtschaftlichen Programm befreundet
haben, 'die im ersten Augenblick die Hände über dem
Kops zusammenschlugen, als sie davon hörten. Anderer-
seits hat er durch sein nenes Programm große Massen
gegen sich aufgebracht. Wird es ihm gelingen, sie zu über-
zeugen, daß der von ihm vorgeschlagene neue Weg der
richtige ist? wird es ihm insbesondere gelingen, den Mil-
lionen Konsumenten begreiflich zu machen, daß sie Opfer
bringen müßten, um das Ganze zu erhalten, daß es ein
gntes Geschäft ist, kleine Lasten auf sich zu
nehmen, wenn dadurch die zukünftige Existenz ge-
sichert wird? Wir in Deutschland werden, wenn
wir die jetzigen Vorgänge in England sehen, un-
willkürli-ch an bas Jahr 1877 erinnert, da Fürst Bis-,
marck seinen berühmten Brief schrieb, der zum Uebergang
zur Schutzzollpolitik in Deutschland aufforderte. Welche
schwere erbitterte Kämpfe sind doch diesem Briefe gefolgt!
Bismarck hat seinem Gedanken in Deutschland zum Siege
geholfen; wird- Chamberlain das gleiche für England ver-
mögen?

Man glanbt nnn in England allgemein, daß die Auf-
lösung des Parlaments und die Neuwahlen nicht mehr
lange auf sich warten lassen werden. Es ist eine große
politische Frage der Nation vorgelegt worden und die
Nation hat nach englis-cher Auffassung das Recht, möglichst
bald zur Beantwortnng derselben durch d-ie Wahlen beru-
fen zu werden. Ueber dsn voraussichtlichen Ausgang
der Wahlen heute schon eine Dermutung anstellen zu
wollen, wäre znm Mindesten sehr versrüht; aber so viel
darf man wohl sagen: Wenn Chamberlain auch nicht im
ersten Anlauf siegen sollte, seine Jdee ist aus dem Be-
dürfnis der Zeit und des britischen Gesamtreiches
erwachsen und sie wird weiter um sich greifen, zumal,
wenn Chamberlain selbst, der heute allerdings schon 68
Jahre zählt, ihr als Vorkämpfer noch längere Zeit erhalten
bleibt.

Mit Chamöerlain ist zugleich der Schatzkanzler Ritchie
der entschiedenste Freihändler im Kabinett, aus dem Mini-
sterium ausgetreten. Dieses hat sich also durch Abstoßung

der beiden äußersten Flügel nach der Mitte konzentriert,
doch gilt seine Stellung deshalb njcht sür gesicherter. Der
Kamps wird zwischen den entschiedenen Freihänd-lern und
den Chamberlainisten ausgefochten werden. Das Mini-
sterium, bas zwischen beiden steht, kommt dadurch in ein
Kreuzfener, dem es schwerlich unverletzt entgehen wird.

Teursches Reich.

— Das „Militär-Wochenblatt" meldet, daß d-er
Kronprinz unter B-eförderung ,zum Hauptmann
zum Kompagniechef im ersten Garderegi-
ment zu Fuß ernannt worden ist.

— Aus Herbertshöhe, Anfang Juli, schreibt
man der „Nat.-Ztg.": Der Jubel über die Goldfunde
in Kaiser W i l h e l m s l a n d, auf Neu-Guinea ist
verstummt. Wie verlautet, hat sich das vermeintliche
Cdelmetall als gemeiner Schwefelkies entpuppt. Es ist
eben nicht alles Gold, was glänzt.

Baden.

Karlsruhe, 18. Sepi. „Bad. Korresp." wird
Mitgeteilt, baß dev konservatiöe Kandidat für Karlsruhe-
Lan'ö, Dskan Mayer, in der Klostersrage andere Wege
gehen wolle, üls Herr von Stockhorner, der sich bekannt-
lich fllr d-ie Zulasstmg von Männerklöstern ausgesprochen
hat. Unter solchen Umstauden darf Hcrr Mayer wohl anf
Unterstützung seitens der Nationalliberalen rechnen.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Ober-Postpraktikant Wil'helm Treh aus Steinm-auern
wurde in einer Burcaubeamtenstelle erstcr Klasse bei der Kais.
Ober-Postdirektion Konstanz angeftellt.

— Kulturinspektor Friedrich Siebert bei der Kultur-
inspektion Karlsruhe wurde zur Wasser- und Stvaßenbauinspek-
tion Offenburg versetzt.

Karlsruhe, 18. Sept. Gestern Mittag trafen der
Fürst und die Fürstin zu Fürstenberg aus Heiligenberg
mit Extraboot von Unteruhldingen auf Schloß Mainau
ein und wurden am Hasen von dem Erbgroßherzog emp-
sangen. Die fürstlichen Herrschaften nahmen an der
Frühstückstafel teil und kehrten um 4 Uhr mit dem Kurs-
schiff zurück. Der Großherzog, die Großherzogin und der
Erbgroßherzog geleiteten ihre Gäste zum Hafen. Heute
Vormittag halb 11 Uhr hat dsr Erbgrotzherzog Schlotz
Mainau verlassen, um sich mit der Erbgrotzherzogin bei
d-en Grotzherzoglich Luxemburgischen Herrschaften zu ver-
einigen. Der Großherzog uijld die 'Grotzherzogin geleiteten
den Erbgroßherzog zum Hafen, wo derselbe sich zur Fahrt
nach Unteruhldingen einschiffte, um von dort aus die
Reise über Lindau fortzusetzen. Heute Nachmittag 1 Uhr
kehrte Staatsminister von Brauer wieder na-ch Karlsruhe
zurück.

Ausland.

Oesterrcich-Ungarn.

BudaPest, 18. Sept. Der Sozialistenführer Max
Großmann wurde wegen Majestäts-Beleidigung und
Aufreizung zum Klassenhatz zu 4 Monaten Gefängnis
verurteilt. Ein Mitangeklagter wurde freigesprochen.

Aus Stadt uud Laud.

Heidelberq. 19. September.

-p Friedrich Adolf Ueberle tz. Eine überaus zahlreiche
Trauergemeinde fand sich gestern Nachmittag in der stviedhos-
kapelle ein, um dem verschiedenen Prrvatm-ann Frredrrch Adolf
Ueberle die letzte Ehre zu erwersen; darunter Oberbürgermeister
Dr. Wilckens, Bürgermeister Wielandt, viele Mitglje-
der des Stadtrats, die evangelischen Stadtpfarrer, sowie eine
große Anzahl hiesigcr und auswärtiger Freunde und Bekann-
tcn, die durch ihre Gegenwart der Anhänglichkeit und Ver-
ehrung für den Verblichenen Ausdruck gaben. Dekan v.
Hönig schilderte in ergreifenden Worten der^ Lebensgang des
Verstorbenen, der an Arbeit, aber auch an Segen reich war.
Nachdem der Geistliche geendet, legte Oberbürgermeister Dr.
Wilckens mit Worten warmer Ancrkennung namens der
Stadt Heidelberg und Stadtpfarrer Schwarz im Austrage
der cvcmgelischen Kirchengemeinde Kränze an der Bahre meder.
Hierauf begab sich die Trauerversammlung unter den feierlichen
Klängen eines Chorales zum Krematorium, wo die irdcschen
Neste des biederen Mannes den Flammen übergeben wurden.

Das Kaiser-Panorama wird, um vielfachen Wünschen
nachzukommen, die so großes Aussehen erregende Serce
„C h i n a - K r i e g" auch noch für Sonntag beibehalten. DaZ
beliebte Kunstinstitut gibt hierdurch jedem Gelegenheit, einen
Blick in die Ereignisse zu machen, die vor Jahr und Tag das
Jnteresse der ganzen Welt auf sich zogen.-,Die Namen Taku,
Tienisin, „Jltis", Boxer, sind allen Lesern noch von damals 5r
Erinnernng. Die inzwischen aus China zurückgekehrten Krieger
der verbündeten Mächte haben ihre Erlebnisse erzählt; jeder-
mann hat von der Sache gehört, aber es fehlte die persönliche
Anschauung davon. Diese wird nun vom Panorama geboten.
Der weltgeschichtliche Vorgang, der fich da im fernen Osten ab-
spielte, rollt sich hier nochmals vor unseren Augen in voller
Wirklichkeit auf. Manche Szenen, wie die Hinrichtung der
 
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