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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 281 - 305 (1. Dezember 1903 - 31. Dezember 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#1341

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O»sch»t«t tkittch, Goxntag» «u»,enommen. Prei» «it Fa«Ui«ndlättrn> «rmatlich 80 Pfg. iu'» Hau» »ebracht. Lei der Erveditio» imd de» Zweigßatto»e» abgrhott 40 Pfg. D»rch dt» Ovtz

d«»ogtn vterteljährlich 1,3b Mk. au»ichließltch Zufiellgedühr.

»«geigrnhret«: i« Pf». fitr dt« tspaltige Betit»eilr oder dere« «au«. Reklamezeile 4Ü Pfg. Für hiesige Veschäft»- s»d Privatanrrige» rrmäßigt. — Für die Aufnahm« d«t v»»«ig,L
a» brRmmte« Tage» toiro keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnierav auf den Plalattafeln der Heidelberger Zettuvg und den städtiichrn Bnschlagkellen. Fernsprrch« »L.

IßV.

Ostasien.

Berlin, 29. Dezbr.

Dcr „Südd. Reick)skorrespondenz" wird von hier ge-
Ichrieben:

Arankreichs ausmärtiger Minister, Herr DeIcassä,
hat vor dem Pariser Seimt den Verbreitern beun -
ruhigender Meldungen über üie Entwicklung der
-mantschurisch-koreanischen Frage zwischen Rutzland und
Japan eine Absage zuteil werden lassen. Seine Er°
klärung, daß nichts vorliege, was die Alarninachrichten
glaubwürüig mache, ist schon deshalb von Gewicht, weil
er, ohne in alle Einzelheiten üer in Tokio und neuerdings,
wie es scheint, mehr noch :n Sl. Perersburg gesührten
Verhandlungen eingeweiht zu sein, doch über die Äeweg-
gründe und die Ziete der russischen Politik durch Graf
Lambsdorff persöntich unterrichtet worden ist. Diese
ruhige Ansicht, deren Berechtigung täglich gegen neue
Sensationsdepeschen zu verteidigen ist, teilt die franzö-
sische Deplomatie mit der deutschen wie auch, trotz aller
Schwarzmalerei in Londoner Blättern, mit der britischen.

Wo immer in diesem russisch-japanischen Streit eine
dritte Macht das Wort nimmt, geschieht es zur Stär-
kung üer auf beiden Seiten nach wie vor wirksamen
F r i e d e n s st i m m u n g. Nur hat man sich den Ein-
flust der nicht unmittelbar beteiligten Slaaten auf die
Lösung der Schwierigkeiten ats einen mehr zusälligen
und gelegentlichen vorzustellen. Der Pariser „Temps"
übertreibt vermutlich, wenn er von besonderen Anstren-
gungen Frankreichs und Englands zur Bändigung Ja°
pans spricht, nnd nicht minder ist es eum Srano «kilis
aufzufassen, wenn die Wiener „Neue Freie Presse" aus
Frankreich nieldet, daß die Kabinetre von Paris und
London bei den diplomatischen Derhandlungen zwischen
Rußland und Japan mit ihren „gnten Diensten" mit-
wirken. Das wäre förmliche Beihilfe unter den Mcrk-
malen eines technischen völkerrechtlichen Begrifss, und
etwas Derartiges wird wohl nirgends beabsrchtigt. Wie
man sich übrigens in St. Petersburg zu einer unmittel-
Laren Mitwirkung dritter Mächte stellen würde, läßt die
nachstehende, zweifellos autorisierte Erklärung der Zei-
tung „Rutz" erkennen:

„Jn Petersburg hat fich heute das Gerücht verbreitet,
daß England und die Vereinigten Staaten von Nord-
amerika der russischen Regiernng wegen der Unterhand-
lungen mit Japan Vorstellungen gemacht hätten. Wie wir
auf unsere Erkundigung hin ans vollständig konrpetenter
Duelle erfahren haben, entbehren alle derartige Gerüchte
über die Einmischung irgend einer auswärtigen Macht
in die russisch-japanischen Unterhandlungen jeglicher Be-
gründung.

Völlig unrichtig sind auch die Nachrichten der ans-
ländischen Presse über eine anßerordentliche Gespanntheit
der russisch japanischen Beziehnngen. Eine derartige Ge°
spanntheit tritt in keiner Hinsicht zutage: im Gegenteil, !
der fortdauernde Meinungsaustausch über die Fragen
des Fernen Ostens gibt allen Grund zur Hoffnnng, daß

das Endresultat der Unierhandlungen vollständig günstig
sein wird". _

DcuLsches Reich.

— Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Aus Hannover
ließ sich das „Berliner Tageblatt" Verichten, der Kaiser
solle dort während seiner jüngsten Anwesenheit, als es
in intimem Kckeise auf eine scharfe Aeußerung des M-
nisters des Jnnern über die welfische Partei gekommen
sei, zu einem alten Hannoveraner lächelnd bemerkt haben,
er werde dem Minister, wenn dieser wieder nach Han-
nover komme, einen silbernen Maulkorb mit-
geben. Wir sind zu der Feststellung ermächttgt, daß diese
Erzählung vom ersten bis zum letzten Worte
erfunden ist.

— Zum Leiter der großen Expedition, die der Afrika-
Denkschrift zufolge das K a m e r u n - E i s e n b a h n -
Syndikat vor'bereitet, ist, wie die „Voss. Ztg." hört,
der Hauptmann a. D. v. B e s s e r in Ausficht genommen
worden, ein Offizier, der srüher der Kameruner Schutz-
truppe angehörte, dann aber ansschied, nachdem gegen
ihn Vorwürfe wegen harter Behandlung der Eingeborenen
erhoben worden waren. Die „Voss. Ztg." fügt hinzu:
Da das Syndikat in engster Fühlung mit der Kolonial-
abteilung vorgeht, die auch das Aufsichtsrecht hat, so mnß
man annehmen, daß diese Behörde jene Wahl billigt.
Uebrigens soll das Syndikat beschlossen haben, seine Bahn,
wenn irgend möglich, bis zum Tschadsee anszudehnen.

Badrn.

— Die Krankhcit des Finanzministers Bnchen
berger ist Gallensteinkolik, welche mit den heftigsten
Schmerzen am ersten Weihnachtsfeiertag auftrat. Erst
am Dienstag trat eine Wendung zum Bessern ein, sodaß
die Lebensgefahr ausgeschlossen erscheint.

Karlsruhe, 28. Dez. Die Genesung des Staats-
ministers v. Brauer macht von Tag zn Tag weiters
Fortschritte und es besteht sichere Hoffnung, datz er in
etwa 14 Tagen seine Arbeit wieder aufnehmen kann.

K a r I s r u h e, 27. Dez. Man schreibt dcr „Straßb.
Post" von hier: Das derzeit in Kraft befindliche Bier °
st e n e r g e s c tz sieht für je 100 Kilo Malz bei einem
Verbrauch bis zn 1600 Doppelzentnern sür die ersten 260
Doppelzentner'eine Steuer von 8 Mk.; sür die folgendcn
1260 Doppelzentner eine solche von 10 Mk., bei einem
Verbrauch von mehr als 1600 Doppelzentncrn bis zu
5000 Doppelzentnern eine solche von 11 Mk. nnd bei
einem Verbrauch von mehr als 5000 Doppelzentnern
eine solche von 12 Mk. vor. Diese Staffelung hat den
Nachteil, daß beim Ueberschreiten der Grenzen von 1500
nnd 6000 DoPPelzentnern, alfo von 1501 und 5001 Dop-
pelzcntnern sür den Gesamtverbrauch die höhere Steuer
mit 2000 Mk. ini ersteren und 7000 Mk. im letzteren
Fall nachzuzahlen ist. Diese sprungweise Steigernng des
Abgabesatzes wirkt hemmend anf die Entwicklnng der
Braucreien ein nnd veranlaßt diese, sobald fie sich der
Grenze von 1500 oder 5000 Doppelzentnern Malzver-


brauch nähern, mit der Produktion einzuhalten und mit
dem Zukauf serttgcn Bieres Versuckie zu machen oder
die Produktion zu übersrürzen, sobatd sie die eine dec
beiden Grenzen überschritten haben, nm die erhöhteSteuer-
: zahlung wieder einzubringen. 'Im Fnteresse der Erhal-
tüng der nnttleren und kleinen Brauercien ist deshalb
: eine Beseittgung oder M i I d e r u n g d i e s e r st e u e r-

- lichen H ärre n dringend wünschenswert, nnd es hat
j sich auch dre ' Zweite Kammer in ihrer letzten Tagung
: einmüttg der Petition der Besitzer der kleineren Mittett
? brennereien rmr Verschiebung der Grenze von 1500 Dop-
s pelzentner auf 2500 Toppelzentncr angeschlossen. Mit
s diesem Ausweg wäre zwar den Bittstellern geholsen wor-
s den, die gleichen Mißstände hätten 'sich aber bei der neuen
s Grenze von 2500 Doppelzentner gezeigt, während die
^ bei 5000 Doppelzentner gerügten erhalten geblieben
s wären. Ans diesem Grunde und wegen des Steueraus-
: falls von rund 40 000 Mk. hat sich die großherzogliche

Regierung damals gegen die Vorschläge ableynend ver-

- halten, und sie hat damit auch das Richtige getroffen, denn
! dauernde Abhilfe läßt sich nur durch Einführung einer
j anderen Staffelung, nach der die Steuer gleichmäßig und
i nicht sprungweise zunimmt, schaffen. Wollte man neben
s den Nachzahlungen bei lleberschreiten der Grenze von
s 1500 Doppelzentner anch jene bei 5000 Doppelzentner
s beseitigen, wofür doch die gleichen Gründe sprechen, wie
s snr die erstere, wenngleich auch im letzteren Falle nur
s leistungssähige Branereien in Frage kommen, deren
E Existenz durch eine Steuernachzahlung von 7000 Mk.

kaum gefährdet wird, so würde dadurch ein Steuerausfall
^ von 349 000 Mk. entstehen. Die Aenderung der Staffe-
s lung mnß also eine dNehrbelasttmg der leistnngsfähigeren
! Brauereicn zur Folge haben, um den Aussall zu decken.

! Inneryalb der derzeitigen Abstusungen läßt sich dieses
Ziel aber ohne Mehrbelastung schonungsbedürftiger Brau-
eceien nicht gut ausführen, und die Regierung wird daher
dem gegenwärttgen Landtag eine Vorlage wegen
Aenderung der Staffe,lung vorlegen, womrt
einerseits die erwähnten Härten sür alle Brauereien be-
seitigt werden, andererseits der steuerlichcn Leistungs-
fähigkeit der Brauereien in weitgehender Weise Rechnung
getragen wird.

Sachsen.

Dresden, 29. Dez. Ministerialdirektor Geheimrat
Roscher geht im Anstrag der Regierung nach Crim-
m i t s ch a u, um zwischen den ausgesperrten Webern und
den Fabrikanten zu v e r m i t t e l n.

Württemberg.

Stuttgart, 29. Dez. Die Staatsbahnen
ergaben laut dem „Staatsanzeiger" im Etatsjahr 1902'
einen Reinertrag von 16 933 112 Mk. gegenüber
16 280 709 M. i. Vorjahr, die Postverwaltnng 3 206 036
Mark gegenüber 1 707 149 Mk. im Vorjahr.

Prcußen.

Hannover, 27. Dez. Gegen die Welsen will
der neue Polizeiprüsidmt von Hannover, Dr. Stein -
meister, fortan mit aller Schärfe vorgehen. Am vori-

Kleme Zeitung.

— Hochschulnachrichten. Der Gütsrdirektor Dr. F. Aer e-
b o e zu Pförten (Niederlausitz) ist zum a. o. Professor in
der philosophischen Fakultät der Univerfität Breslau er-
nannt worden. Der Privardozent für Chemie an der Uni-
versität Kiel Dr. L. Berend wurde zum a. o. Professor
in üerselven Fakulrät ernannt.

. -— Sluttgart, 28. Dez. Heute Nachmittag sand auf
dem Prag Friedhof die Beerdigung des früyeren öster-
reichischen Ministers Dr. Schäffle statt. Der öster-
reichische Gesandte Jr'hr. v. Pereira-Arnstein legte namens
des österreichischen Handelsministers einen Lorbecrkranz
nieder.

— Bcrlin, 29. Dez. it)as Seidenhaus M. V o r -
chardt Nachf., Leipzigerstraße 68, ist heute früh von
einem schweren Brande hcjmgesncht worden, der
ernen Schaden von mehreren hunderttaufend Mark ver-
nrsachte.

— Wicn, 29. Dez. Gesiern wurde kn einem chiesigen
Hotel ein ehemaliger Bcamter dcr Darmstädter Bank in
Berlin namens Paltzer verhastet. Er hatte einen Kredit-
brief der genannten Bank über 50 000 Francs auf den
Crckdit Lyonnais in Paris lantend gefälscht n. die Sunime
crhoben. Man fand bei ihm etwa 35 000 Kronen.

— Anf Wunsch gegen Nachnahme. Wie wir der
deutschen St. Petersbnrger Zeitung entnehmen, hat ein
Baner des Dorfes Pettowka bei Jrkutsk an den Polizei-
chef des Kreises nachstehendes Gesnch gerichtet: „Ich babe
die Ehre, Ew. Hochwohlgeboren ergebenst zu bitten, in

dcn Zeitnngen die Bekanntmachung zu erlassen, daß ich im
Dorfe Pettowka mettre 20jährige Frau und zwei Ferkel
verkaufe — alles znsammen für 25 Rubel. Meine Fran
ist sehr hübsch, eine tüchtige Wirtin, aber launisch und
boshaft, die Ferkel sind gut ernährt. Auf Wunsckt. bin
sch bereit, meine Frau und die Ferkel gegen Nachnahme
zu versenden." Nachdem der Kreischef dieses Gesuch, von
dem sich eine Kopie in der Gebietsverwaltung befindet,
erhalten hatte, begab er sich nach Petrowka, weil er an
der Zurechnungssähigkeit des Bittstellers zweifelte. Dieser
Zweifcl erwies sich jedoch als absolut unbegründet; der
Bauer war durchaus normal und erzählte, er habe seine
Fran verkaufen wollen, weil sie ihm das Leben zu sehr
verbittere. Der Kreischef ließ nun auch die Frau rufen,
die von der Absicht ihres Mannes zwar nicht erbant war,
doch darin nichts Absonderliches erblickte.

— Jw eincr moderncn Bildergalerie. Der kleine Mar:
„Du, Papa, warum stekst dcnn auf diesem Bild: Umverkäuflich?"
— Der Vater: „Sehr einfach: werl's kein Mensch kaufen magl"

Tausendfach wird dem gegeben,

Tausendfach öas Glück «rneut, ,

Wer sich jeden Tag im Leben
Dankbar seiner Gaben freut.

(I. Lohmeher, „Auf Pfaden des Glücks".)

Die musikalische Aulage deucht inir die iimwrste geistrge
Grrrndkraft eines Volkes zu bezeichncn. (E. M. Arnd t.)

Theater- und Kunftnachrichten.

Heibelberg, 30. Dez. Mnsikfreunde dürfte die Nachricht
erfrcuen, daß in dem am kommenden Dienstag, den 5. Jan.
1904 inr großen Saale der Stndthalle stattfindenden 2, popu-
lären Symphoniekonzert Herr Dr. R. Louis, ein Kind unierer
Stadt, seine symphornsche Phantasie „Proteus" selbst idirigieren
wird. Herr Dr. Rudolf Lonis, scit Jahren in der nrusikalischen
Wett durch seine Wagner- und Lisztbiographicn bekannt, hat
soeben eine Biographie von Berlioz vollendet, di« bereilS in.
den nächsten Tagen im Buchhandel erscheineu wird.

— Mannheiin, 29. Dez. Sonntag, deu 3. .Fanuar, nach-
mittägs. halb 3 Uhr, gelangt im Hofthcater 'Zu Dlannheim bei
aufgehobcnenr Abonnement und zu ermäsiigten Prcisen das er-
folgreich-ste Schauspiel der lehten Jähre: „Alt-Heidelberg"
wiederum als Nachmittags-Vorstellung zur Aufführung unb
sind Plätze in allcn Pveislazen an den Kaffcn e'rhältlich. — Jm
„Neuen Theater" im Rosengarten, in wclchem bekanntlich ein
Abonnement nicht existiert, wird am gleichen Tage, abends halb
8 Uhr, der dreiaMge' Schwanck: „Der Hochtourist" ausgeführt,
währcnd im Hortheatcr die nnt so ausierordentlichem BeifaÜ
aufgenommene Lper: „Aipenkön>ig und Menschenfeind" vo«
Leo^Blech zur ersten Wiederholung kommt. Anfang halb 7
Uhr. Da diese Oper bereits nach 9 Uhr zu Ende, ist auch de»
auswärtigcn Bvfuchern Gelegenheit gegeben, noch rechtzeittg
nach ihren Heimatsorten gelängen zu können. Zu all' diesen
Vorstellungen sind noch für alle Plätze Karten zu haben.

Literarisches.

—* MLnchcner Kalender 1904. (Druck rmd Verlag drr
Verlagsanstalt vorm. G. I. Manz, Buch- mrd Kunstdruckerrst
Akt.-Ges., München-Regensburg.) Preis 1 Mk. Gleichzeitig
ist vcm dcmselben Verlage auch der „Meine Münchcner Äalendrr
1904" ansgegeben worden. (Preid 80 Pfg ).
 
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