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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 2 (Februar 1925)
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Künstler und Zeichenlehrer: Leitsätze des Ausschusses des Vereins Württ. Zeichenlehrer
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0048

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tst, durch elgeneL Ausprobleren und Durchdenken
der künstlerischen wie der unterrlchllichen Mitlel und
Probleme seinen Schülern daS Allerbeste zu bieten
rinerseits — und anoererseiks sich auch im Geskalten
und Aollenden einzelner eigener Werke zu llben und
auSzuwachsen. Gerade dieses Skreben wird, wenn

wir es in den Diensk der Schule skellsn, sedem eln«
zelnen wie dem ganzen Skand rasch und uiigelchinL>
lerk die volle Achkung und Schähung eintragen.

5. Wir wollen aber in unserer Arbeit nlcht als
Künstler, sondern als Lehrer gewertet werden.

Amschau

Kunstwende.

- Von Mar Osbor.n.,

Mir sehen nun klar, wohin die Reise geht. Der
Msg ist adermals um eine «cke gebogen, nnd es drei-
tet flch eine Landschaft aus, von der wir uns vorher
keinen Begriff machen konnken.

Hinter uns liegt die Gegend, in der die bildenden
Mnste das sreie Recht des Subjektivismus verkün-
deten. Die iungen Maler und Bildhauer, erregt
und aufgewllhlt, wollken die Nöte, die Berzweif-
lung, die Sehnsucht, den Dubel ihres inneren Erle-
bens hinausschreien, unmiltelbar, ohne Umweg über
das Gleichnis von Erscheinungsspiegelungen der wirk-
Üchen Welt zum Ausdruck bringen. Die Znbrunst
ihres Gesthls war so hestig, dah sie explodieren
wollke. Was konnten die überlieserten Gesche des
Gestaltens noch nützen? Sie flogen In weitem
Dogen ilder Bord. öeder, der den Funken in sich
spürte, schuf sich souverän eine neue Sprache.

Es war nicht schwer, anzusagen, daß der Tag kom-
men mustte, da eine Uebersüttlgung an dieser Art
der Produktion elntrat. Auch Znbrunst und Ekstase
sind, wie Goethe von der Begeisterung sagt, keine
Herlngsware, die flch einpökeln lästt. Der Tag ist
eit einiger Zeit schon angebrochen. Bon der Sub-
ektlvität strebt man zur Objektivierung, Bon der
^ormzerbrechung zum Formaufbau —-und man scheut
ich nicht, dazu auch die Hil e der unterbrochenen
Traditlonen in Anspruch zu nehmen. Das persönliche
Empftnden des einzelnen wird nicht mehr als schran-
kenioser Führer anerkannt: man hält Äusschau nach
dem Allgemeingültigen.

Abermals, wle in der Epoche vorher, ist die Be-
wegung eine internationale. Die Gemeinschaft der
europÄschen Bölker trltt hier überzeugender, un-
wtderlealicher aus als In sämtlichen gutgemeinten
theoretischen Manifesten. än sttalien, wo vor 15
3ahren der futurlstische Sturm losbrach, meldete sich
nun die römische Gruppe, die sich unker der Parole
^Valori plLstici* zusammenfand. 3n Paris vollzog
Picasso den Uebergang vom Kublsmus zu seinen
neuen Figurenbildern, die aanz gefestete und gerun-
dete Ruhe flnd, fast mit Vtldhaueraugen gesehen. Er
zog einen ganzen Schwarm jüngerer Leute hinter
sich her. Bei uns in Deukschland bikten mehr und
mchr die Bekenner der neuen Lehre umS Work.
Namentlich der Süden unü^der Mesten unseres
Landes stnd dabei beteiligkr auf den Äusstelluiigen
dieses Sommers fand ich überall dlese Spuren. Nun
rückt auch Rutzland vor. 2n Moskau hat sich eine
neue Künstlervereinigung gebildet, die flch „OsV"
nennt. llurij Anjenkow, Deniskowsky, David Skeren-
berg, Williams werden als die Gründer genannt.
Westheims „Kunstblalt" teilte kürzlich das Programm
mit: „Streben nach adsoluter Meisterschaft >n der
Taselmalerri, Zeichnung und Skulpturr Äbkehr vom

Skizzenhafleii im Vilde als «Iner Erscheiiiung mas-
kierlen DileltanlismuS und Stceben nach Bollendung
jedes Werkes; Abkehr von der gegenstandslosen
Malerei und dem In der jehlgen russischen Kunst
vorherrschenden Pseudosezesslonismus, welcher zer-

störend aus Diszlplin der Form, Zeichnung und Farbe
wirkt." Das ist deutlich.

Kunst Ist nichk, wie man lange glaubke, lediglich
„Schmuck des Daseins". Sie lst Funkllon des gei-
stigen Lsbens einer Generalion. S>e slicht organisch
aus dem grohen Reservoir ihrer seelischen Stim-
mungen. Darum ist es ein so sonderbarcs Ilnterfan-
gen, den Künstlern einer Periode kadclnd vorzuhal-
ten, sie arbeiteten nichk mehr mit den bewährlen Nlil-
teln des älteren Geschlechts. Darum Ist eS lo grllnd-
lich verkehrt, die aus nakllrlicher Nolwendigkeit quel-
lenden Strömungen „ablehnen" zu wollen. Mnn
kann nur eines tun: das Ungewohnle empfangrn,
In seine Triebkräfke eindringen, seinen Slnn deule».

Die Kunst des Zmprelsionismus war der Ausdruck
einer Welk, die auf sicherem Grunde ruhke oder zu
ruhen glaubke, die behaglich genost, zwar von der mo-
dernen Nervosität ergrifsen war, aber selbst diese
Nervofltäk noch genofl. Der Ezpressionismus und
keine Nebenerkcheinungen, um der Bequemlichkeik
yalber den Schlagwortnamen zu benuhen, war der
Ausdruck einer Welk, in der alles in den Fugen
krachke, in der grauenvollste Kriegswirren und wil-
deste revolukionäre Exaltation die ganze Skruklur
unseres alken Weltleils in Unordnung brachken. Die
neue Kunst, die iehk aufaestiegen, ist der Ausdruck
— nun wovon? Es ist nicht schwer zu erraken.

Mit unheimlicher Gabe der Prophetie hakke das
anrückende Kllnstlergeschlecht seit ekwa 1903 den
Tumult Europas angekündigt. Zu einer Zeit, da
wir anderen noch nichls davon ahnten. Wie Tiere
das aufstelgende Gewitker früher in Ihren Gliedern
spliren als Menschen, so fühlten jene Künstler, ihrer
Äeissagungen stcherlich kaum bewutzt, In den Finger-
spitzen früher als dte guken Vürger, waS heraufzog.
Nlemals vorher in der Geschiäike hal die Kunst ein
solches Seheramt ausgeübr. Weder zur Zeik der
Resormation noch der französischen Revolukion, wo
in oer Malerei, Äildnerei und Ar6)ileklur alles sei-
nen geraden Weg weiterging und höchskens die Gra-
phik aus das Erdbeben reagierte. Nun aber wurde,
In den hinter uns liegenden flahren, das Zerbrechen
von Skaaten und Staatsformen und Gesellschafks-
systemen, wurde zugleich der sehnsüchlige Wunlch
nach neuem Aufbau des menschlichen Genieinschasks-
 
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