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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 12 (Dezember 1925)
DOI Artikel:
Müller, Alexander: Zu den Ansichten eines Unmodernen
DOI Artikel:
Schaeffer, ...: Über die ''Ansichten eines Unmodernen''
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0350

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jnlenslve eigene Arbeit wird'S nichl gehcn. Denn
iviis fllr den einen, unter völlig anderen BerlM-
Men lebendcn Kollegen richtig isk, ist fiir den ande-
,e„ wenig oder gar nicht geelgnet.

Diefe Voraussefzungen hatten inich Psingsten 1022
veranlaht, ineine prlnzipiellen Ausflihrnngen nicht
,„ik, wle das unvernieidlich ist, persönlich gefcirbten
vchlllerarbeiten zu begleiten. Die Folge davon war,
-ch meine Morte ungehört verhalllen, meine mit-
strebenden Amtsgenossen und ich, tvir haben das

nicht libelgenoinmen, zumal die grundsätzliche Lnk-
scheidung, die wlr von den Kollegen damals ver-
gebeiis erwartete», unS der neue Lehrplan gebrachi
hat.

Zum Schlutz möchle ich üen Ausspruch elnes Kol-
legen unserer damallgen Arbeitsgemeinschaft an-
sligen, üer bei einer Aussprache liber den Wert
lilinstlerischer Anregung folgenden Satz formle: „Ge-
sunde Anregung kann nur den Zwecir habcn, das
S u ch e n wach zn halken." —

Äber die „ Ansichten eines Anmodernen" /1

Bvn Schäffer-Ilelzen.

Der Artikel von D. Sommer in Nc. 10 darf nicht
immidersprochen bleiben, wenn er sich auch wegen
seiner merkwürdigen Midersprüche eigenklich
von selber das Ilrteil spricht. Die Hoffnung, Herrn
Kollegen Sommer selbft ttberzeugen zu können, habe
ich nicht, da aus seinen zwei Artikeln sder Aufsatz
„Probezeichnunge»" iii Hest 4 tsr mitzerdem noch ge-
iiieint) eine derarlige A i l f l o s I g ke i t gegenüber
den Zeitfragen unferes Anlerrtchtsfaches spricht, datz
ich mich ihm umöglich verskändltch machen kann. Am
eber bei Äuszenstehenden kein falsches Bild von den
Beskrebunaen der Zeichenlehrerschaft cntftehen zu
lassen, wollen wir niit Nachdruck zu der in den ange-
zogenen Arkikeln halb oder ganz ausgesprochenen
Auffassiina Stellung nehinen.

Da slötzt man zunächst auf den grnndlegenden 2rr-
mm des Verfassers in seiner Anschauung über die
Beziehungen zwischen Kunstund Natur. Diese
unglttckselige Berwechselung von Kunst und Nakur,
die schon Im Zeitalker des Nakuralismus has grosze
Ilnheil angerichtet hat und nun wie ein Erbübel sich
immer wieder bemerkbar macht! Die reale Schön-
heik des Objekts wird gleich gesetzt der formalen
künstlerischen Gestalkung: es wird nicht begriffen,
datz beide, Nakur sowohl wie Kunst, ihre eigenen Gc-
setze in sich kragen und datz, wenii nach üer fformel
verfahren wird Kunst — Natur, ein clendes Surrogak
cntstehen mutz, dem alles fshlt, was das Wesen des
KunslwerkS ausmachk. Es lst eine Angelegenheit des
Nakn' rwissenschaftlerS, feskzustellen, datz
„dcr Bussard einen hakenförmig gebogenen Schnabel
iind der Schwan kurze, dicke Aeine hat". Wenn
nach diesen Ausführungen ssiehe „Probezeichnungen")
sosort im nächsten Satze vom G e s t n l k u n g s -
unterricht gesprochen wird, so ist dos eine arge
Verwechselung, und ein Mitzbrauch diefes WorkeS.
Ilnd wenn vom Gefühl der Ruhe die Aede ist, daü
durch wagerechte Wolken und wagerechte Berglinien
hervorgerufen wird, so ift ein Abzeichnen diefer
Objekte noch längst neine künftlerische
Form, und „genaues Sehen und scharfes Beobach-
ten" konnten »ichts daran ändern. Nietzsche als
Schöpser hat es gervutzt, als er sagte: „Der Künstltt
hat Unkreue deS Gedächknifses nökig, um nicht dle
Natur abzuschrelben, sondern umzubilden".
Ls koinmt auf das grotze Sehen an, das ein Be-
greifen der lldee, ein inneres Schauen und zugleich
ein inneres Neuschaffen istl Den Beweis liefern
»ns die Gokiker, die nichts von fcharfem Beobachlen
usw. verraken, und die trotzdem Üahrhunderte über-

dauernde Werke voller Kraft schusen. Der Gotiker
fllhlte es mlt lebendlger Seele — und zwar Künstler
sowohl wie Laie — rvas „Gefchlossenheit der Form",
was „Fallen und Gleiten" bedeutet. Zier rühren
wir an Grundprinzipien aller Kunst, die nicht erklärt
werden können, die einfach Boraussetzuna find. Der-
jcnige, der „erschrickt, wenn ihm erklärt wird,
korrekte Zelchnung und langweilige Zeichnung seien
eln und dasselbe", k a n n niemals vvr grotzen Wer-
ken der Kunst in Erregung geraten sein, weder vor
solchen der Bergangenheik noch solchen der Gegen-
wart.

Was diese verheerend wirkeiide Verquickuiig von
Nakur und Kunsk anbelangt, so sind wir Zeichenlehrer
da, um an der folgenden Generation den Schaden
wieder gut zu machen, nichk aber, ihn zu verewigen!

Man möge doch auch endlich einmal mit der Be-
haupkung Schlutz machen, Schwind und vor allem
Nichter seien die „Deutschesken und Seeleii-
vollsten"! Gewitz sind sie in ihrer Einseitigkeit grotz
swas besonders von Schwlnd gilt), aber eben nur
darin. Richkers Wirkung geht zudem vom Stosf
aus, liegt atso nicht im Formalen. Alle dlejenigeii,
die nichks höheres als Richker kennen, sind noch
immer im Garkenlaubefkll geendet. Wir Modernen
sind ansprnchsvoller, sehen in Grünewald die höchste
Kundgebung des denkschen Kunstgeistes, überhaupt in
den Gokiksrn. Ilnd das Berständnis für derartige
hohe Ansdruckskulturen anzubahnen und damik die
Kräfke freizumachen fllr eine neue innere Kul-
tur, das halten wir Zeichenlehrer für unsere grotze
Aufaabe. „Scbwächliches Aesthetenkum" wird gerndc
durch die Methode grotzgezogen, die der Berfafser
üer beiden Aufsätze vertritt, wenn er meink: „Wir
halten die denkende, praktische Seite für wichtiger.
Wenn dazu noch die Erziehung zuni
A e s kh e k I s ch e n krItt, so geben die Ge -
stalkungsfächer dem späteren Menschen viel
Werkvolles mit." Gerade dieses Uebergietzen mit
einem Firnis, dieses von autzen Aeranbriiigcn
hat den Tiefstand unserer Kunstkultur bedingt. Dann
lieber eine solche „Erzlehung zum Aesthetischen" ganz
' sallen lassen und ehrlich sagen, datz man Zeichnen
nur als Berichkerstatkung meink, das sich mit allerlei
Wiffensstoffen abgibt und im Dienst dieses und jenes
wissenschaftlichen Faches skeht. And damit darf der
Berfasser versichert sein, dah er das Zsichnen auf die
Gtufe des technischen Faches zurück-
gcbrachk hat!

f-H
 
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