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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 11 (November 1925)
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Elsenhans, Georg: Das Bauen in der Schule
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Rothe, Richard: Systematik im Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0322

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es immer wieder zum Bcmen kommen dürfke und seine
schöpferischen Kräfte auch hier betättgen könntel Nicht
umsonst yat gerade unsere Zeit, die sich mehr in das
Kind hineindenkt, die freie Bauschachtel hervorge-
bracht.

Das Spielen mit einer solchen Schachtel, das Bauen
ist nicht etwas Unnühes. DaS Kind bildek in ihm seine
Borstellung und zwar auf höchst lebendige Weise.
Wie wäre es, wenn wlr Kunstlehrer die Linführung
ües Bauens in unsern Unterricht verlangten: Die
Vauschachtel würde sich jeder Schüler von seinen
Eltern schenken lassen, sie ist nicht zu teuer.

Man denke sich das Bauen im Unterricht einge-
führt in allen Klasssn. 2n den Unterklassen diene
es der Benutzung und Anwendung der Bau- und
Spielfreude des Kindes, der Belebung der Dhantasie
und der Bildung des Borstellungslebsns. Lkwa zu-
sainmen mit dem Modellieren. Die Schüler bauen
ein Zauberhaus, eine Märchenstadt, eine Märchen-
burg. Dazu modellieren sie Tiere, Wagen und Männ-
lein. Sie bauen in Arbelksgemeinschaft oder iedeS
fttr sich. Solches.und Aehnliches bauen sie in Klasje
1—3. Zu Klasse 4—li käme dazu das Berstündnis
sür die Wirkungen einfacher Baukunst. Man baut
einen ebenen Bau und einen Lochbau. (Kl. 5) Aber
man baut auch die Skadt der Türme, die Stadt des
Zauberers und die Stadt der Tempel. 2n Klasse 6

könnke man mit der Vauschachkel den Grundrijz der
Basilika und ihce Raumart erklären. Wieder würde
das Modellieren zur Belebung und Bereicherung bei-
tragen alS Aaum, Alensch und Tier. — 3n Klasse 7—9
richke sich das Bauen auf das Berstündnis der Schön-
heit eines Geländes, einer Anlage nach ihrer Aaum-
wirkung und nach dem gesetzmätzigen Ausbau. Alan
baut ein Haus, eine Billa, eine Siedlung, elne Schlojz-
oder Dorfanlage, eine Fabrikstadt, aber auch die
Bergstadt, die Etadt des Einsamen, die Stadk odec das
Haus der Seligen, zusammen mit dem Aiodellieren.
Auch könnke man ein romanisches und gotischeS
Wandgefttge durch das Bauen viel lebendiger er-
klären.

Mir wundern uns, dasz das Bauen nicht schon
längst im Unterricht eingeführt ist. ES beüeuket vor
allem eine Freude üem Kinde, eine Erholung gegen-
über dem Begrifflichen, aber auch eine Hilfe zur Bil-
dung der Borstellung, die uns bis heute gefehlt hat
und die manche vermiszt haben! Unsere Sache isl eS
nun, dafiir zu sorgen, dah üieses schöne BildungS-
mitkel nicht länger enkbehrt wird um deS KiudeS
willenl Einstweilen könnte sich jeder Kunstlehrer eine
Aauschachkel von Merz anschaffen, er kömite sür
slch bauen und sie ab und zu seinen Kindern und Schii-
lern zur Äenützung überlassen.

Shstematik im Zeichenunterricht

Bon Richard Notbe,

Fachberater in der schulwissenschaftlichen Avteilung deS österreichischen Ankerrichksministeriums

Einer der schwersten Borwllrfe, den man immer
wieüer dem Zeichenunterricht macht, ist der, dahman
behauptet, dem Zeichenunterrichte fehle jede Syste-
matik, er entbehre vollständig jenes Äufbaues, den alle
anderen Gegenstände aufzuweisen hätten. Darin, sagt
man, läge dec Grund, dajz daS Zeichnen niemals in den
Rang üer wissenschastiichen Gegenstände aufrücken
könne.

tledem Zeichenlehrer ist klar, dah hier eln arger 2rr-
tuiil vorliegt, nber man nimmt sich nicht niehr die
Aiühe etwas dagegen zu reden, weil man aus Er-
sahrung weitz, datz man von Nichtzeichnern, und
trügen sie auch einen bedeutenden Ramen, selten ein
richtigeS Wort Lber den Zeichenunterricht hört.

„Freihandzeichnen", mit üiesem hübschen
Wort hat man den Zeichenunterricht am besten zu
kennzeichnen geglaubt und wenn der Nichtzeichner
iiber den Zeichenunterrlchk redet, dann denkt er immer
an dieses Wort und von da aus unternimmt er seine
Angriffe oder gibt er selne wohlgemeinten Ratschläge.
Für ihn ist das Zeichnen immer nur eine Sache der
Zand und des AugeS, dasz der Zeichner aber auch Ge-
hirn und Seele braucht, davon hat dleser gute Mann
keine Ahnung. Die bekannte Ausschrifk, die auf jeder
3ahrmarktschiejzbude zu lesen ist „Aeb' Aug' und
Hand für's Bateriand'^ wttrde ihm-much-alL-Aufschrlft
sür den Eingang In den Zeichensaal vollauf genttgen.
Für diesen Mann ist der photographische Apparat der
gröjzte Künstler und wenn er beim Betrachten irgend
eines Machwerkes mit Befriedigung konstatieren
kann „Wie eine Photographie" so hat er damit sein
höchstes Lob ausgesprochen und sühlt sich als sicherer
Kunstkenner, der sich von niemanden ekwas vormachen
läszt. Das sind auch diese Leute, die in den Kunstaus-
steilungen und Museen mit selbstsicheren Schrikken

herumdröhnen und mit lauter Stimme ihren Reben-
menschen gönnerhaft von ihrem Kunsturteil etwas ab-
geben, auch wenn sie niemand darum gefragt hat. Bei
dem einen Bilde vleiben sie stehen und sagen: „Wie
natürlich!" Bei dem andern schütteln sie den Kopf
oder sis lachen oder sie machen „Hm, hm!" Bei dem
nächsten sagen sie „Nicht schlecht" und bei dem drilten
sind sie entzückr und rusen „Gott, wie plastisch!" Das
ist der Typ der Einfältigen. Dann gibt es aber auch
noch solche, die einen Kunstbetrachtungskurs mitge-
macht oder ein diesbezügliches Vuch sich ciiigelesen
haben, die sagen wieder: „Die Diagonale sollte ekwas
deuklicher betont sein oder „Der Ausbau der Pyramide
sollte etwas symmetrischer sein" usw. Das sind die
Ganzgescheiten, die alles besser verstehen, denen die
Geometrie der beste Teil der Kunst ist, die alles wis-
sen, nur nicht, dajz dec Künstler mit seinem Herzbluk
gemalt hat.

Und so könnke man noch eine ganze Neihe solcher
Typen auszählen aber uns interessiert hier, wieso es
denn so kommen konnte, da doch alle unseren
Zeichenunterricht genossen haben durch unsere
Schule gegangen sind. Dort hat man ihnen von ällen
diesen lächerlichen Typen erzählt, dork hat man alles
getan, um gerade diese falschen Anschauungen und
verkehrten Einstellungen zu bekämpfen und auszurok-
ten.

Und doch müssen wir heute bekennen, datz gerade
unser Zeichenunterricht daran die Schuld lrägk, der
Zeichenunkerricht, gekennzeichnet durch das Sching-
wort „Zeichnen nach der Natur" war eben dar-
nach einaerichtek zur Oberflächlichkeit zu erziehen,
legte er ooch auf die genaue Wiedergabe der Ober-
flächenerscheinung das grötzte Gewicht. Er war nur
auf Anschauen und Abzeichnen eingestellt und die Er-
 
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