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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 6 (Juni 1925)
DOI Artikel:
Müller, Bernhard: Zeichen, Zeichenunterricht, Kunstunterricht
DOI Artikel:
Ullrich, Karl: Der sogenannte Zeichenunterricht in der allgemein bildenden Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0151

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d§» Namcn deähalb habeu, mcil sie einige Vau-
glicdei (Säulen, Säulcheii, Loiisolen) uud einiger
Zlersoriiieii (Eierstab, Perlschnur, Mäander, Flechl-
band) aus der Antilie übernoiiiiiieii haben, im Auf-
bau aber (4 Geschosse und hohes Dach) und in drn
Üaiiptzierformeii (Zalbsonne, Wulsle, geschnihelte
Vallienliövte usw.) sowie in der iimereii Einrichkung
iDiele) echt gerinanisch geblieben sind. Gern merden
iolche Vauten in Gesaintansicht und Einzelheiten
dargestellt, und wenn die Verlreker dieses Slils
auS Zöxter, Hildesheim, Braunschweig, Oberelsah
im Bild vovaeführt werden, dann schlägt sedes
deutsche Herz yöher.

Auch im Aarock lieferk die Heimat Vorbilder.
iiede Zwiebelform eines Kirchlurms hak Barockform.
Die Bauliuiisl der Aegypler, Aisycer, Babyloner,
Griechen und Nömer findet >n Lec Heimat lieinc
Maßsiäbe. Wenn aber die Lehrer alle Bauglieder
nach Abbildungen sorgflllkig zeichnen läht, dann

prägt er dieselbe» seinea Schiilern ein nnd icann
auf den festgehaltenen Borsteiinngen weileibaneir

Wenn der Lehrer der Kunstgeschichte bei seinem
Unterricht an die heimatlichen Bauwerlie anliniipsl,
so ist ein Band gefuiideii, das die neuen Borstel'
iuiigen an beliannte alte anhestet und zum rechlen
Bsrstehen führt. Sollte eingewende! werden, dasz >
an iileineren Orken, in denen höhere Schulen ein-
gerichlet slnd, die Vertreter der hislorischen Sliiarien
nur in geringer Zahl vorhande» seien, so ist dei»
eiikgegenzuhalte», dast die Schulen nichi allein aus
die engere Heimat angewiesen sind, und dast die
weikere Heimnt das ersehk, was die engere versagt.

Die Unkerrichksverwaltung darf nicht zugeben, dast
die Kullurwerte, die die bildende Kunsi biekek un-
genuht bleiben und biach liegen. Aüsle sie den Zei-
chenlehrer mlt den nöligen Kennknissen ans und lege
sie eine Unkerrichksstunde zu! Der Kiiiiskiinterrichl
wird es schäffen!

^ ^ ri.

Der sogenannte Zeichenunterricht in der allgemein bildenden Schule

2n lieinem Fache des weitverzwelgten Gebietes der
höheren Schule herrscht solch reges Leben wie in dem
unsrigen. Wohin man blickt und hört, keit mehr als
zwanzig üiahren, ein Wachsen und Blühen im soge-
nannten Zeichenunkerricht, Ausstellungen und Bor-
trüge, Bllcher und Aufsätze über Kunst und Iugend
in Hülle und Fülle. ES hat den Anschein, als ob die
Bertreter dieses Faches geradezu atles erreicht hät-
ten, was der Iugend gut und werkvoll sei.

Nach dem Stande der Wirlrlichkeit aber müssen
wir uns die Frage vorlegen, ob dieses Blühen wirk-
liche Vlüte, fruchlbringende Vlüke oder nur Schein-
blllke, Täuschung, Selbslikäuschung, wenn nicht gar
bewutzte Täuschung ist?

Man mujz die Schrifken der bahnbrechenden gel-
stigen Führer vor etwa dreitzig Zahren, eines Georg
Hirt und Konrad Lange, und die Berhandlungen des
Kunsterziehungstages von 1Ü01 wieder einmal lesen,
um zu vergleichen, was aus jenen begeisterten und be-
geisternden Anregungen in der Wirktichkeit gewor-
den ist.

!1n Preutzen, dem gröszken und bedächtigsten aller
Länder, rutschke die Bedeutung unseres Faches mit
jedem halben Schrikke vorwärts mindestens einen gan-
zen wieder zurllck. Man darf nur an die Wertungs-
frage und die der Besoldung denken, um die innere
und äutzere Entwertung unserer, mit so viel Lärm ein-
geleiketen Reform zu vegre^fen.

Woher liomint das unv wc>v"trctFk dte Schuld an den
heutigen Zuständen?

Dr. Wilhelm Oshvald hak es einmal so ausgedrückk,
datz der Zeichenlehrer eine unklare Zwitterstellung
zwischen Künstler und Wissenschaftler einnehme. Elne
eigentliche Zeichenwisseiischafk gebe es nlcht, und so
eien künstlerische Aufgahen an die Stelle der wissen-
chaftliä-en gekreten. Der wichkigste Satz seiner Ans-
ührungen lauket: Kunst aber lätzk sich nicht lehren, am
wenigsten einer Schuiklasse, in der alle Grade der
Begabung vorkommen, vorwiegend aber geringe.

In seinein Aufsahe zieht Dr. Ostwald den Schlusz,
den Z. 1l. ebenso wissenschaftlich zu fundieren, wie
etwa den Aechen- oder Geschichtsunterricht, und er
skützt diese Behaupkung mit den Takfachen, datz es

neben seiner Farbenlehre nuch eine Formenlehre wis-
senschastlicher Aatur gebe.

Äer Berfasser dieser Zeilen liann Dr. O. darin nich!
olgen, u»d die Mehrzahl der Berufsgenossen skiminke i
einerzeit Prof. Kolb zu, als er die Zeichenwissen-
chaft des Skudienrates Krieger ablehnte, die unsere
Arbeit verwissenschaftlichen u»d mechanisieren wttrde.

Doch der Satz, datz Kunst »icht lehrbar sei, am aller-
wenigsten in einer Schulklasse, die durchschnittlich
von künstlerisch Geringhegabken besetzt ist, sollke zu
denken^eben. Nicht deswegen: weil ihn Dr. O. zum
ersten Male gesagk habe, überali isk diese Vinsen-
wahrheit zu finhen, sondern deswege», weil wir uns
iminer noch nicht entschlossen haben, unsere Beziehun-
gen gerade zur Kunsk reinlich zu scheiden von denen
zur Wissenschaft, zum Lehrbaren und Lernbaren.

Wir leiden darunter, datz das Wort „Kunst" mi!
unserer Lehrer- und Erzieheraufgabe so eng verknüpft
Ist, dasz Aujzensteheiide, Gleichgüliige und Abgeneigle
sich keln klares Bild von uns und unserer Arbeik ma-
chen können.

Der Berfasser ist sich wohl bewuszt, dasz ohne dieses
Schlagwort „Kunst" seinerzeik die sogenannte Nesorin
garnicht oder viel schwerer in Gang gekommen ware:
heuke aber ist es die höchste Zeit umzudenken und an
Stelle leerer, schön klingender Schlagwörter die Dinge
so zu nehmen, wie ste sind. Wir sihen in einem
Snmpfe, wie der berühmte Münchhauscn, und be-
mühen uns, jedoch nicht so erfolgreich wie jener, nn
unserem eigenen Zopfe ziehend ivieder heraus iind
in die Höhe zu kommen. Es handelt sich daruni, sesi-
zustellen, wer wir sind, wns ivir wollen und was wir
können.

Ilm das Letzte gleich vorweg zu nehinen: Dicses:
was wir können, isk nicht in der Art gemeink, was
wir selbst an Viidern, Drucken, Plaskiken und dergl.
auf Kunstausskellungen zeigen, sondern was wir In un-
serer Lehrer- und Erzieherarbeik nn de» uns nnver-
trauken Schülern leisten. Lluch in diesem Falle noch
eins Einschränkung, um Mijzdeutungen vorzilbeugen:
Damit sind nichk die mehr oder weniger künstlerischen
Leistungen unserer Schüler, in ähnlicher Art, wie sie
oben gekennzeichnet wurden gemeint, sonder» elwas
 
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