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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 8 (August 1925)
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Elsenhans, Georg: Der Papierschnitt (Unterrichtsbeispiel)
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Schäffer, P.: Das Raum- und Massengefühl des Kindes
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0222

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215

wMe Fonne» auS dem Schwarzen heiauägeschnttlen
waren, während die SUHouette nur eiue schwarze Um-
uhfoim halte. Er machte sie auch darauf aufinerkfam,
üah alle schwarzen Linien und Formen mit einander
verdundeii sein mllssen, das; nichts ssanz umschnitten
werden darf, weil es sonst aiif dem Tisch liegen bleibt,
wenn maii das Blatt aitihevt. Znlehk sagte er, dah
maii beim Schneiden am besten in der Mitte an-
süngt rind nach dem Rand zu arbeitet, weil das Pa-
pier so mehr Vearbeitung aushält. Dann ries er
das Bild in die Borstellung der Schiiler, das sie
aiioschnsiden sollten. Er begann: „voch aus dem
Kipsel des Gebirgev sehen wir die Arche Noahs. Der
Regen der Sintsliit hat nachgelassen, das Wasser
hat sich gesenkt. Rur ferne fnNen noch ein paar Ne-
genstreifen ans den Wolken, die schwer und beschat-
tend iiber das Eebirge ziehen. Schon spannt der
Negenbogen seine Briicke über die Eipfel, und Licht
schimmert auf den Zacken der Felsblöcke und in
den Wnssertiimpeln dazwischcn. Jetzt kommen die
Tiere in langem Zuge herab aus der Arche und zer-
streuen sich iiber das, Land. Da sehen wir den aronen
Elesanten init seinen Stotzfühnen, die langhalsige
Eirasfe, den Läwen mit seiner Mähne. Dahinter
den Hirsch, den Stier. Die Tiere gehen über die
Felsen, eines trinkt aus einem Tümvel. Ueber
nllen Dingen liegen die dunklen Schatten des ab-
ziehenden Gewitters. Wir sehen nur Weniges beleuch-
tet. Das wollen wir jetzt ausjchneiden!" Da sich
die Schiiler im Eestalten mit Flächen und im un-
mittelbaren Schneiden ungewandt zeigten, wurde zu-
erst gezeichnet.

Dic Schiiler zeichneten ihr Vild auf. Einige sag-
ten, sic lonntcn leine Eirafse zeichnen, weil fie noch

keine gesehen hätten. Da sagte der Lehrer: „Was
wir nicht zeichnen können, das ersinden wir einfach;
unsere Tiere brauchen nicht ausziljehcn wie in der
Wirklichkeit: Jn der Kunst hat man Frciheit, zn
gcstalten wie man will!" Die Schiiler sollten aijo
neue Tiere erfinden, ihre Schöpferkrast bctätigen.
Da bekameii sie Mut, die Bilder gcdiehcn. Jctzi ging
es ans Schneiden. Der Lehrer zeigte, wic das
Eanze ein abwechselndcs Spiel von schwnrzen nnd
weitzen Flecken sei, wie man die Tiere bald weitz,
bald schwarz ans weitz stehen lasscn knnn, »nd wic
man durch das Nebeneinander von grotzen geschlos-
senen und kleinen aufgeteilten Formen eine jchöne
Wirkung erhält. Auch snhen die Schiiler bald, wenn
sie Las Blatt ans Licht hoüen, datz sie gar nicht vicl
herauszuschneiden brauchten, nm die beabsichtigtc
Stimmung herauszubekommen. (Siehe Abbildiingen.)
Nachher wurden die sertigen Arbciten ans weitzes
Kanzleipapier geklebt und gemeinsam betrachtet. --
Obige Lehrprobe, in der es auf das Herausarbeiten
einer Schwarz-Weitzwirkung ankam, kann in den ictz-
ten Klassen durchgeführt werden. Jn unteren Klassen
beginnt man mit Phantasietieren, Märchenstvsicn
oder einem ornamental geschnittenen Teppich. Jn
der Weihnachtszeit lätzt mnn die Berkiindignng, den
Niklas, den winterlichen Tannenwald mit dcn
Waldtieren, die himmlische Erscheinnng vor den
Hirten, die Eeburt im Stall mit dem Stern, dic
heiligen drei Könige oder die Flucht nach Acgpp-
ten in Papier schneiden. Die Schiiler sind fiir jcdcs
neiie Aiisdrucksmittel im Eestalien dankbnr. Der
Papierschnitt bereitct ihnen als Abivcchslnng sichl-
lich Freude, so datz sie gerne mehrere Sinndcii dar-
auf verwenden.

Das Raunr-- und Massengefühl des Kindes

P. Schäffer (Uelzen.) (Siehe Kunstbeilage)

Die Fahigkeit, den gestalteten Naum zu erleben,
hak das gesamte lv. tzayrhundert nicht besessen. Man
verlegte den Schiverpunlrt in üle Fassade und brachke
im önnern an den Wänden höchstens ein Schmuck-
bediirfniS zum AuSdruck. Und wenn selbst der Schaf-
sende »icht räumlich emvfand, konnke man eS vom
iiiinstinteressierten Publikum schon längst nicht er-
warten. So konnte es geschchen, datz die grotzen mit-
tclaiterlichen Raumkulturen wie Nomanik unü Gotik
in ihrem Wesen garnicht erfatzt, sie vielmehr nur aus
eincm romantischen Historizismus heraus benriffen
ivurden. Das Schlummern unseres RaumgesühlS ist
aber aufs äutzerste zu beklagen, wenn man bedenkt,
datz die grotzen Naumgestaltiingen, wenn auch oft nur
in ihren letzten Koiisequenzen vorzugSweise ein Pro-
üukt des germanischen GeisteS sind (Nomanlk und
norddeui,che Backsteingotik).

llnser moderner K u n s t u n l e r»Kch-l-.wtt( die
kiinstierischcn Kräfte — die schassenden sowohl wie
besonders die nachempfindenden — im Menschen
wecken. Er bildet in der Hauptsache das Gefiihl sllr
die Fläche auS (Farbe und Linie), auch daS fiir die
gcstaitete Masse: er hat aber das Raumgesithl, die
Aköglichkeiten seines Erweckens und Ausbildens, bis-
her nicht oder wenig in Betracht gezogen. ES ist jedocb
»icht ohne weiteres von der Hand zu weisen, datz durch
sachgemätze Erziehung nach dieser Richtung hin in
oen folgenden Generationen wieder ein lebhaftes
Sichbesinnen auf den Naum, das eigentliche Elemenk

der Baukunst, Platz greift und somit auch cin Bcr-
ständnis für den modernen Bauivilien, der
aus Raum- und Massenanschnuung geboren ist, ange-
bahnt wird. Die Tatsache, datz der Kunstunterricht sich
noch nichk mit der Ausbildung des klndlichen Anuin-
sinneS beschäfkigt hat, liegk darin begrllndek, datz die
vsychologischen Grundlagen bisher nur wenig unter-
sucht worden sind. (Die wichtigen Beobachlungen von
Krötzsch relchen nur bis inS v. LebenSjahr). Mir
kennen die spontanen Aeutzerungen unserer ttugeiid
wohl auf dem Gebiete des Flächcn-, aber nicht auf
dem des Raumgefühles.

Es müssen also Borarbeiten geleistet werdcn.
Zunächst handelt es sich dacum, festzusteilen, w i e das
unbeeinflutzte Kind sich im Bauen ausdrllckk, wann
aus dem spielenden, planlosen Handhaben der Bau-
einhelten das bewutzte Zusammensetzen zu „Akalen"
und wann hieraus das räumliche Empfinden im
engeren Sinne sich entwickelt. Es ist nämlich anzuiieh-
men, datz dicser eigentliche Naumsliin schon v o r dcin
Sicheinstellen des begrisslichen Ansdrucksverinögens
vorhanoen ist, späteskens aber mit ihm zugleich cr-
scheint. Mit allen diesen Untersuchungen hängt autzer-
dem eng die Beantwortung der Frage zusammen, ob
zwischen Ilrzeitkunst und sogenannter Kinderkiinst ein
E n k wi ck l u n g s p a r a l > e l i s m u s beskeht. Lius
Grunü der Kinderz eichnungen haben K r e tz s ch -
m a r, D o eh l ema n n ». a. diese Frage bejaht, wäh-
rend Berworn und z. T. auch Wundt enge Be-
 
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