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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 4 (April 1925)
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Sommer, P.: Probezeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0096

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»8

Probezeichnungen , ?.

Unter Probezeichnungen sind die Arbeiten zu
verstehen, die am Ende eines Quartals oder Seme-
>lerS oyne Korreklur angesertigt werden. Ls ist
ourch sie aber wen'.ger das Urteil über dle Leistungs-
jähiglreit des Schlllers festzulegcn, ebcnsowenig,
wle öurch das Abltur oder das Einjährige sestgestellt
werden kann, ov eln S6)üler reif ist oder ntcht. Das
Urteil in dieser Hlnsicht sollts nach ü bzw. 9 llahcen
gemeinsamer Arbeit untrliglich seststehen. Dennoch
ist es für den Schtiler von hohem Werte, wenn ihm
Gelegenheit gegeben wird, sich noch einmal geistig
ganz besonderä zu konzenlrieren, abgesehen von der
Dedeutung der Freude über das Erreichke.

Probezeichnungen sollen also mehr die Bedeutung
etnes Aufsahes haben. Wahrend hier ein Thema
durch Wort und Schrift erschöpst wird, so dort durch
(öeslalten. Dic selbständige Ausdrucksfähigkeit soll ge-
übt werden.

Da genügt aber nicht eine saubere Strichfllhrung,
auch nicht, dasz z. B. von einem Leuchter nur eine
Ansicht gegeben wlrd, bzw. nur weniges in Bezug auf
Llckt und Schalken. Würde z. B. das Thema „Dle
Kuh" damit erschöpft seln, wenn der Schüler schriebe:
„Die Kuh hat zwei gebogene Hörner. Sie gehört zu
den Wiederkäuern. Der Schwanz ist lang und glatt
und trägt nur am Ende elne Haarquaste." Er bekäme
sür diesen inhaltarmen Aussah sicher keine II, troh-
dem allss richtig lst, was er sagt, und trohdem die
Darstellung annehmbar lst. Äarum sollen wir nicht
einen ähnlichen Mahstab anlegen in Bezug auf die
dritte Art der Ausdrucksmöglichkeiten (Sprache,
Gestalken).

Ift man sich über den Zweck der Probezeichnung
klar, dann ergibt slch von selbst, wie dle Arbeit zu be-
werten ist.

Hauptsache Ist, dajz ein Thenia einigermahen er-
schöpst wird. dah das Dargestellte rlchtlg ist und
Aachdenken und scharfes Beobachten
oerrät. Berrät sie auch Empfinden, tnnerr. Be-
teiligung, so ist sie vollkommen.

Der Lehrer stellt in Aufsätzen auch ab und zu be-
ondere Uebungen an. Er übt z. B. die Fähigkeit,
ich kurz auszuorücken, das Allerwesentlichsre darzu-
tellen, ein andermal legt er Wert auf blumenrelche
Sprache, ein drittesmal läßt er jedem unbeschränkke
Freihelt, js nach der perjönlichen Beranlagung ein
Thema zu behandeln.

So sollke es auch beim Geskalten sein. Alle Mög-
lichkeiten werden geübt, um endlich dann dem Schü-
ler auch eimal Lelegenheit zu geben, sich selbständlg
zu äuhern.

Klassenarbeit wäre hierbel jedoch selten durchführbar.
ba es meist nur mögllch ist, jedem Schüler ein anderes
Modell zur Bersügung zu MM. dasselbe in aus-
reichender Zahl vorhanden, dann natürlich um so
wertvoller, da das Bearbeiten eines gemeinsamen
Themas die Spannkrast und das lZnkeresse wesentllch
crhöht. 2m Notfall geyt es aber auch vei verschie-
denartigen Modellen. Damit kein Unfriede enkstebr,
wählt jeder Schlller das Modell sclbfl aus. Man denke
an das oben Gesagte: Es soll ja nicht das Urteil fest-
gestellt werden uber das Können deS SchülerS. Das
weih man auch ohne dle Probearbelt, ob der Schüler
rtwas kann oöer nicht. Wohl aber kann daS UrteÜ

turch die Arbeit erhärtet werden. Deshalb ist es
vhne Belang, ob ein Schlller ein „schwereres" Motiv
bearbeitet als der andere.

Es lst dem Schüler auch unbenommen, welche Tech-
nik er bei der Probezeichnung wählt. Dem elnen
gehl es mit Blel besser von der Hand, dem andern
init Kohle, dem einen liegt es mehr, auf weihem
Papier durch Tusche herauszuarbeilen, dem andern
auf dunklem Ton durch Aufsehen von bunter
Kreide. Es hat also jeder unbegrenzte Freiheit, zu
schaffen, wie ihm gerade „der Schnabcl^ gewachsen
ifl. Das schasst E l l b o g e n f r e i h e i l und damll
Lust zum Höhenfluge. Sie ist In kllnsllerlscher Hin-
sicht das A ller n o t w e n d i g st e. sAuch ln Ve-
zug auf den Lehrer.)

Me Schüler hnben im Lause dcr Uebungen erkannt,
morauf es ankomml. Nichl aus schöne Schrift komml
es beim Aufsah an, sondern aus den önhalk.
Schöne Schrist ist ja auch „Talentsnche". Der Schü-
ier hak flch aber unter Fllhrung des Lehrers av-
gewöhnk, das allgemeine Urteil nachzupiappern, Zeich-
nen sei „Talenksache". Freilich gibt es auch Im
Sprachunlerrichk und Im Mathemallkunterricht Schll-
ler, die dafür nicht begabt sind. Trohdem zählt die IV
voll und ganz in Anbetracht der Wichiigkelt der
Fächer, in Bezug aut allgemeine Ausblidung der
Kräste, die der Mensch fürs spätere Leben benöligt.
„lla, Sprachen und Mathematlk sind wichtig, aber nicht
immer das Zeichnen." „Das Zeichnen" wohl nichl
immer, aber die Fähigkeit. richtig zu lehen, scharf zu
beobachten. Schiehen braucht der Allgemeinmensch
ntchk zu lernen, das ist Eache des Soldaken und des
öägers, dah sein Auge lernl, Ins Schmarze zu kreffen,
Das Auge aber hinsllhren zum versländlgen Sehen,
die Hand zu erziehen, dem Auge zur Konkrolle zu
dienen, also das Geschaule zu gestallen, aus unbehol-
fenen Menschen geschickke und praklische Menschen
zu machen, das kann dem zukllnftigen Deutschland
ganz gewih nur von allergröhtem Borteil setn.

Es ist ja ein so unglückliches Wort, das Wort:
„Zcichnen", „Zeichenunkerricht". Es besagk nicht vte!
in Bezug auf das, was aus dem Zelchensaale alles
herausgeholt werden kann, soll und muh. Früher lras
es die Sache voll und ganz. Das war da sehr ein-
fach. Entweder man war imstande, eine saubere
Zeichnung nach Borlagen anzuferkigen oder nicht,
und danach gab es elne gute oder schlechke Note. Was
heiht aber nach dei modernen Ausfnssung eine H im
Zeichnen?

Der eine Schüler lelstet Auffälliges im Phantaste-
zeichnen, hat aber kelnen Sinn für Farbe und kor-
rekte Form, der andere hat einen wunderbaren Far-
bensinn, seine Farvenzusammenstellungen sind Sym-
ohonien; aber mit oer Zeichnung haperls. Der drilke
besitzt ausgeprügte Begabung für Schmuck und Orna-
mentik, ermangelt aber im Nalurzeichnen. Der
vierte arbeitet sehr jauber und die Arbeiten mache»
einen freundlichen EInd.:uck, sind aber falsch. Der fllnfke
Ist für das konstruktive Zelchnen sehr befähigt; Frei-
handzeichnen aber ist seine schwache Seike. Man
siehk, es wäre denkbar, dah sich elne II ebenso halte»
liehe wie eine IV., je nachdem.

Es ergibt sich auch serner daraus, dah man endlich
von Gestaltungs fächern sprechen soilte und nichk
 
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