Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

DOI Heft:
Heft 7 (Juli 1025)
DOI Artikel:
Jakóby, L.: Das schöpferische Gestalten auf der Oberstufe, [1]
DOI Artikel:
Kunzfeld, Alois: Die Erneuerung der nationalen Erziehung in Italien mit besonderer Berücksichtigung des Zeichenunterrichts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0191

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
irrationaleS Naumgefühl trotz des geprägten Morkes
vou flächenhafter Zeichnung.

3ch werde nachher an einigen Veispielen zeigen,
dah bei elnem Klnd der Unterstufe die Sicherheil des
Geiiihls für Form und Raum stärlier fein kann als
bei elner bewutzt arbeitenden Schülerin der Ober-

^ ^tzir müssen bei dem unbewufzt arbeitenden Kinde
von vornherein den gesamten Komplex von Linie,
Fläche, Körper, Raum in Vekracht ziehen. Die Auf-
lösung dieses Gesamtkomplexes in seine Bestandteile
ist eine dem schöpferlschen Prinzip entgegenstrebende,
analisierende Tendenz des Znteilektes.

' Dle jeweillgen Begabungen sür mehr Linle, mehr
Fläche, mehr Körper oder mehr Raum müssen wir
erkennen und ganz im Sinne der neuen Nichtlinien
unkerstützen. Nun enlskehen allerlei Fragen: Soll das
beisvielsweise mehr für das Flächenhaske veranlagke
Kind späker überhaupk zur Raumdarstellung angeleitek
werden? oder soll es allzeit in seiner ihm gemäszen
Ark belassen werden?

Lhe wir diese Fragen beantworken, stellt sich noch
die schwierigste Frage ein: Können wir auf der Ober-
skufe noch mik den gieichen Kräften im Kinde rechnen
wie auf der Unkerstufe?

3m allgemeinen tst mit der Tatsache einer inneren
Wandlung vom Unbewuszken zum Kritischen zu rech-
nen, die absoluk schöpferisch Vegabten bilden maiich-
nral Ausnahmen.

Eine wissenschaftlich exakte Beankworkung dieser
Fraae der inneren Wandlung kann wohl nur der
erfahrene Psychologe des Kindes- und Reifealters
geben.

Die allgemeine Erfahrung beweist, dah im Durch-
schnikt im Reifealter tzemmungen einrreten, eine
grötzere Neizbarkeik des. Gefühlslebens, ein Suchen-
des, ein Schweifendes, das In der möglichen Lei-
stung schwer Befriedigung findet.

3n jenen 3ahren muß den Kindern meiner Mel-
nung nach eine fester umgrenzts Aufgabe gegeben
werden als auf der Unkerstufe, vor allen Dingen
eine Aufgabe, die das GefühlSleben mehr schonk, es
vor Ausbrüchen unklarer Senklmenkalikäk bewahrk,
das Gegenskändliche noch stärker zurückdräimk zu
Gunsken klarer Formulierung von Form und Raum.

Also im allgemeinen nicht oirekte Fortführung des
ersten Weges, der möglichst das Unbewuhie in Täkig-

keit setzt, sondern allmähliche Skärliung bewuszter Er-
kenntnisse.

Vlldbeispiele zeigen Gestnllungen des Themas
Frühling auf verschiedenen Stufen. Lluf der Unker-
stufe hnusig mehr slüchenhafte Darsteliungen, aber
auch bereiks räumlill) empfundens.

Äeim Uebergang zur Oberstufe tritl das kindlich
Illustrakive Moment zurück, ziigunsten einer bewuszter
werdenden Empfindung für Dewegung der Form und
Farbe, die das „Frühlingshafte" zur Anschauung
bringen. 3n ähnlicher Weise enkwickelt sich der Bor-
gang bei Themen wie Fastnachk und Weihnachten.

Es zeigt sich, datz das Gefühl für plasiische Form>
und Raum bei manchen Kindern sich schon früh
äusiert.

Eine gute Ueberleikung von dem mehr illustrakiven
Geskalten der Unterstufe zu dem bewujzkeren Gestal-
ken der Oberskufe bilden Uebunaen in Form und
Farbe, die vollig ungegenskändlich sind. Sie helfen
bei dem Veginn des Malens mit Wasserfarbe die
kechnifchen Schwieriglreiten leicht überwinden und
lockern Hemmungen, die durch den in den Border-
grund kretenden öntellelrt entskehen.

Man kann einen gewissen dlufbau einhalten, vom
Einfachen zum Zusammengesehken, vom Leichken zum
Schweren: dies ist besonders fllr Kinder wichtig, deren
schöpferische Kraft schwach und dürftig ist, häufig spok-
kek aber der 3deenreichluin begabter Kinder eineS sol-
chen Anfbaues.

Die Veispiele bringen Formen als Flächengliede-
rungen, als bewegke Ausdrucksformen, Durchdrin-
gung von Formen, symmekrische und assymnietrische
Anordiiungen vollkommen freie Vildungen, aus be-
liebigen Änregungen entskanden.

Es können Schmuckformen für Gegenskände enk-
stehen, Kinderhäubchen, Taschen, Kleider, den Kln-
dern glelchzeikig im Bewältigen solcher Aufgaben,
wie sie in der Nadelarbeik vorliommen, Anregung
gebend, nlchk fllr die Ausführung in Nadelarbelk be-
skimmk. Es können innerhalb der frei bewegten Or-
namentik Erinnerungen an Gegenstände aufkauchen,
Bögel, Garken, Väunie. Schliefzlich noch Motive,
dle Ihren Inneren Sinn Eindrücken verdanken, die in
der Ümgebung des Kindes wirksam sind.

3n übertragenem Sinne Reihungen, wie sie die
Strasze zeigk, Motive, die vorsätzlich einen bestimm-
ken Ausgangspunkk haben. (Schlusz folgk.)

Die Erneuerung der nationalen Erziehung in Italienl^^
mit besonderer Berückstchtigung des Zeichenunterrichts

Als im 3ahre 1887 der Raliener Corrado Ricci
sein launigeS Büchlein „I?arts cZM dambini' *) ver-
öffentlichke, hakke es die Wirkung eines Trompeken-
siohes, ber die Pädagogen der gangen zivillsierken
Welk aufhorchen lieh, nur 3kalien selbsi war davon
unberührk geblisben. -
Waren in Amerlka durch Skanley Hall und
Earl Barnss die Grundlagen fllr das Skudium ber
Enkwicklung des kindlichen Seelenlebens im allae-
meinen geschaffen, so gingen nun auch von dort die
ersten Anrogungen für die Erforschung des ktndllchen

*) Lorrado Riccl, N'orte rlei bamblnl, Bologna, Zanlchslli
I8S7. — Sine deutlchc Uebersetzung erlchie» erst im gahre ivoa
bet VogtlSnder in Leipzig unier dem Titel »Nlnderkunst' ver-
satzt von S. Roncali.

Ausdrucksvermögens (Lukens, Shinn) auS. Sie wur-
den in England durch Sully, Tracy u. a. fortgesehk
und In Deutschland. wo Preyer durch sein herrliches
Buch „Die Seele des Kindes" bereits vorgearbeikek
hatke. durch die Lehrervereinigung zur Pflege Klinst-
lerischer Bildung in tzamburg besonders elfrig ge-
pflogk. Biele hunderkkausende von sreien Kinderzeich-
nungen wurden um dlese Zeik unker Führung des
Universitäts-Professors Lanwrechl gesaminelt uno mit
deutscher Gründlichkeit siudiert. An dleser Sammlung
von Kinderzslchnungen bekelligke sich auchlttalien durch
das psychologische Laboratorium des Professors F.
de Sarlo, machke dabei reiche Erfahrungen, aber
ohne die entsprechende Nuhanwendung daraus zu
ziehen. 3n Deutschland erschisnen darauf die um-
 
Annotationen