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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 9 (September 1925)
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Richert, Gertrud: Öffentliche Hauptversammlung des Reichverbands akad. geb. Zeichenlehrer, des Reichsverbands akad. geb. Zeichenlehrerinnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0240

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Deutsche Blätter für Zeichen-Kunst- und Werkunterricht

Zeitschrift des Reichsverbandes akad.geb.Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen

Verantwortlich für die Schriftleitung: Professor Gustav Kolb, Göppingen
Druck und Berlagr Gugen Hardt G. m. b. tz. Stuttgart, Langestratze 18

5. Iahrgang September 1925 tzeft 9

vffentliche tzauptverfammlung des Reichsverbands akad. geb. Zeichenlehrer, des Reichsverbands akad. geb.
Zeichenlehrerinnen in Dresden. — Zeichnen nnd Kunstbetrachtnng. K. Voß, Kiel. — Weltanschannng nnd
Ieichenuirlerrlcht. Franz Ziegelmnller, Radolfzell. — Der Alumenstrauß. G. Kolb. — Gedanken iiber Fach-
beratung. Iu den Prenßischen Richtlinieir für den Zeichen- und Kunstunterrlcht. tzeinrich Grothnrann. —
tzandschrift und Zeichnnng. F. Müller, Kolberg. — Umschau- — Buchbefprechungen. — Inserate.

Öffentliche tzauptversarnmlung des Reichverbands akad. geb.
Zeichenlehrer, des Reichsverbands akad. geb. Zeichenlehrerinnen

Die Reform der höheren Schulen und die Stellung der Kunsterziehung

Voriraa deS Herrn Ministerialrats R ickeri.! Berlin, Ministerium für Wlssenschaft, Kunst und
Vollrsblldung auf der Tagung der Reichsvervande alrad. geb. Zeichenlehrer uud Zöichenlehrerinnen i

Dresden, Pfingsten 1925. ^

in

2ch lromme zu eineur Zweiten, warum die preu-
ßifche Schulreform lrunsterzieherisch elngestellt wer-
oen muß, zu einem kritischen Kavitel, weil dle Kunst-
erzieher selbsk hier recht verschiedener Meinung sind.
öch sage, ein Zauptmitlel aller Bildung ist das
ästheilsche Genießen, und darum ist die Erziehung zum
ä thetischen Genieszen ein wesentliches Bildungsmik-
tel aller Ünterrichtsfächer. Worin beruht der Bil-
dungswert des ästhelifcheir Genießens? 3ch sage, im
ästhetischen Geniejzen durchbrechen wlr die Schranken
unseres empirlschen ächs, die Schranken unserer so-
zialen Lage, unserer gesellschaftlichen Berengung.
Wir nehmen teil an uns sonst versagten Erlevnis-
iiiöglichkeiten und erwecken oas ln uns sonst Ruhende
und Schlummernde. Wir erleben im ästhetischen Ge-
nleßen die Menschlichkeit, soweit sie überhaupt für
uns erlebbar ist. (Lebhaftes Sehr richtigl)

Meine Damen und Herren, in dieser Ausweikung,
Skeigerung und Erhöhung unieres empirischen öchs,
im ästhetlschen Genust, erwächst dann, weil wir an
höheren Erlebnismöglrchkeiten teilgenvmmen- haben,
ein öch der Sehnsucht, eln 5deal-5ch, die ideale Per-
sönlichkeit. 5ch zitiere zur Abkürzung ein Wort Wil-
lehm Dilteys, dessen ltulkurphllosopbische Kulturan-
schauung überhauot die preuszische Schulreform erst
voir innen her mdalich gemacht yat:

„Dem durch seinen Lebensäang eingeschränkken
Menschen befriedigt das Kunstwerk die Sehnsucht,
Lebensmöglichkeiten, die er selber nicht realisieren
kann, zu durchleben. Es öfsnet ihm den Bllck i»
eine höhere und stärkere Aelt, denn jedes echte

künstlerische Werk hebt an dem Ausschnitt der
Wirklichkeit, den es darsteilk, eine Eigenschaft des
Lebens heraus, die so voryer nicht geseyen ist. Das
Geschehen wird zu seiner Vedeuksamkelt erhoben.
Es ist der Kunstgrisf des großen Dichters, das Ge-
schehnis so darzustellsn, daß der Zusammenhang deS
Lebens selbst und sein Sinn arrs ihm herausleuch-
tet. So erschllejzt unS die Poesie das Berständ-
nis des Lebens. Mit den Augen des grohen Dich-
ters gewahren wir Wert und Zusammeiiyang der
menschlichen Dinge.

Nun, meine Hecren, ist die Erziehring zum äslhe-
tischen Geniejzen Ausgabe der Schule? Wäre sie es
nicht, so würde nach der Darstellung uns das wesent-
lichste Blldunasmittel entzogen. Es gibt Kunsterzieher,
die es schroff verneinen, daß überhaupk eine Er-
ziehung zum asthetischen Genuß stattfinden kann. Un-
selig tst alle unsere Arbeit, wenn fle dahin führt,
das deutsche Bolk zu einem Bolk von Senüstlingen zu
erziehen, statt zu einem Bolke schöpferischer Men-
chenl So die einen. Und die anberen wieder be-
trelten der Schule ein Necht, den ästhetischen Genujz
n ihre Arbeit einzubeziehen. Wenn der Augeii-
>lick gelroinmen wäce. dah die Schule In der äslhell-
chen Erziehung überhauvk nichts täke, dast sie ieden-
alls nicht mehr das äikhekische Leben des Kindes
vergewaltigte oder schäöigte und den Irünstlerischeir
Sinn lähmte, dann wären wlr schon welk. Sie sor-
dern, dajz das Beste, was die Schule zur ästhetlschen
Erziehung tun könnte, das wäre, daß sie die Hünde
von der ästhetischen Erziehung ließe. So die andern.
 
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