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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 5 (Mai 1925
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Elsenhans, Georg: Von der Natur zur Kunst
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Meyer, Fritz: Der Linolschnitt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0127

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IIU

Schachlel, darin waren farbige Tücher, elwa so groß
>vie ein Hest, mit Mustern und einsarbig. Der Lehrer
sprach: „Mir malen heute ein schönes Aild, es heißt
„Friichte im Herbst". Damit unsere Friichte rscht
schön auSsehen, legen wir sie auf farbige Tücher,
die ihr jeht bei inir zu euren Früchten aussucht."

Die Schüler legten zwei oder drei Früchte auf ein
Tuch und malten sie auf der Hälste ihreS Blatkes so,
dah die Früchto die Hauptsache waren. Sie inalten
die Aepfel in Purpur, Orange und Velb, die Birnen
in faftigem (örün, und die Lücher, auf deneii sich dic
Früchte hintereinander wölbten, in ihren Farben.
ttnd dann malten sie um da°> Btld einen Rand in
einem Ton, der in den Akkord deü Bildes mit ein-
siimmte, unü daS Ganze war der Gejang vom Zerbst,
ein Lied von warmen leuchtenden Farben, von der
Aeife des Tlahres. So m-allen fie zwei Bilder, ein-
mal trug das Tuch ein Muster, eininal war es ein-
sarbig. Dlese Aufgabe wurde in allen Klassen durch-
geführt.

. Zn der Ȋchsten Stunde ging der Lehrer weiter.
Lr sprach: „Mr malen heute wieder „Früchte lm
-Fervst". Aber d-iesm-al ni-alen wir nicht n-ach -der
Äatnr, sondern nach der Borstellung. Wir legen un-
sere Fruchte in- Gedanken in elne Schale. Dle Schaie
kann auch einen Fujz -haben. 2eht stellen wir die
Schale auf ei-nen Tisch -auf, auf dem ein schön-er Tep-
pichs liegt. Hin-ter -dem Tisch sieht m-an ein Stück Ta-
pete oder den Borhan-g oder d-aS Fenster. Der Tisch
lann rund sein, es ist auch vielleicht eine der
Früchke aus der Schale auf den Teppich gefailen."
Äun inalten die Schüler -die Früchtelchale und den
Tisch mlt dem Hintergrund in die Luft, ein jeder
wie er es sah, -dann malten sie Las Äild aus ihr
Blatt. Diefe Aufgabe wurde anschlieszend nn die
erste in allen Klassen durchgeführt.

3n der nächsten Stun-de ging der Lehrer zum
rhylhmischen Gestalten. Die vorhergehenden Ailder
waren im Br-eikformat ausgesü-hrk worden, nun ging
eS zuin Hochformat. Er zetchnete an der Tafel vor,
lauter zusammenhän-gende Kreiskri-ngel, grohe und
kleine. Dies war -dle Anregung für oie rhytymifche
Phantasie, aus dieson runden Kreisen liesi er die
Schüler eine Früchteschale, di-e Früchke den Tisch, die
Borhänge deS Fensters und Lazwtschen ferne Berg-
kegel heraussehen. Ein Schüler zeichnete sie an der
Tafel auf, daiin wurde die Zeichnung ausgelöscht
iind die Schüler machken ebenfalls eine solche Zeich-
nung, jedes nach seinem Ahykhmus. Dann kam das
Malen. Der Lehrer holke den F-arbkreis von -der
Wand und zeigte den Schttlern die warmen Farben
des Zerbstes: Purpur, Aot, Orange, Gelb und

Grün. In diesen Farben sollten sie ihr Bild an-
malen und nur wo es nicht anders ihr Gefühl zn-
liesz, ein kalteS Blan verwenden. Die Schülcr zeich-
neten und malten. Es machke ihnen sichlliche Freude,
iind Bild um Aild ge-dieh. Alles war im Ahythmus
der Kreise enthalten. Sie brauchten hier nicht begriss-
lich zui denken, alles tat die Phnnlasie: sie schwelgten
in ihrem Schöpfergefühl. DieS wnr der Höhepunlrl
und Schlutz der Ausgabe, daü sreie und doch geseh-
inäszige Gestalten. Dann zeigte er im Bildwerfer
»och einige Früchtekörbe und Schalen, die er selbsl
'ür die Schüler gemalt halte, Bilder in denen der
ewutzke chitellekt und die Schau das anstrebten, waS
das Kin-d als selige N-a-ivität auf die Erde schon mit-
bringt und was nicht verloren gehen mLge.

Ls ist ein grokes Suchen unter den Künsllern
unserer Zeit. Die Künstler, die an -der hergebrachlen
Kunsl hängen und in ihrer Art schafsen, sprechen
nicht niehr zu u-ns, wenigst-ens nicht mehr zu den
chingen. Mr ehren die alte Kunst als Osfenbarung
eines Zeitabschnitts, der hi-nter uns liegt, verklärl
und übersonnk von der Erinnerun-g. Llber sie isl nichl
m-shr der Ausdruck sür unser Bewuhlsein, daS inil
sein-ein Schauen hinübersiehl in Aeiche, die der alten
Zelt verschlossen waren. Wir sind in die Halle der
Zeit getreten und blicken durch die Fenster hin-aus
in die Welt des kommenden ttnerschasfenen, das
uns drauszen unigibt. Es ist- noch nicht unser, wir
müssen es uns noch zu eigen- machen, wir sind noch
getrennt von- ihm, aber wir besihen es schauend.
Die kominende Kunst wird Grojzes, Ergreifendes
schaffen. Sie wird besreien vom Tage. Sie wird wie
ein- Blick sein i-n fremde, unirdische Gärten, llber die
der Hauch hoher Berge weht und dle uns erwarten.
Der Weg des küinmenden Künstlers wird nicht der
deS Nachschaffens und Abmalens sein. Nur wahre
Schöpfer, Menschen init Phantasie und Gcstaltungs-
kraft, Geist,er mit göltlicher Schau werden unfere
lüinftigen Künstler sein! Sie werden sich in der
Phantasie nicht mehr verlieren, Die Phantasie wird
ihnen F-llhrerin sein! Aus allen Bildern der N-akur
werden sie die sestliche, höhere Wirklichkeit -herauS-
sehen, weil sie vefrelt sein werden vom Zwang des
Geschaffenen. Die Nalur wird sie anregen, aber sie
werden sie schauen wie das Gleichnis von etwas
Höherem, Un-aussprechlicheiii, daS nur sie auszu-
sprechen vermögen. Daruin werden aus der alten
Kunst noch immer die zu uns sprechcn, die aus der
Natur das Bild der höheren Wirklichkeit befreit
und vor unser Auge hingestcllk haben, weil sie Men-
schen sind, in den-en das ttnaussprechliche zum Er-
eignis wird. Diese nnr sind unsere wahren Künstler.

Der Lmolschnitk9

Durch-dke Ln-twicklun-g der Drucktechnik M es mög- Die HolzschnMe, dde wir bri-ng-en, sind Schlller-
-l'ich g-ewonden, von .Leichnuiigen-, Gemällden und nrbei-ten. Daraus musz sich auä) der Velrachter ein-

PlaMen auf mechanischeill Wcge Nachbildung-en stellen. Es sind kelne W-erke, die bis -ins lehte durch-

herzustetlen. Allen diesen Neproduktion-en aber, geformt sind. Doch liegt gerade manchmal i-n dem

mögen sie noch so voliendek sein, sehlk doch der frische Mangel einer bewujzten. verslandesmäszlgen Gestal-

Glamz ursprü-nalichen Lebe-ns. Änder-s Lagsgen ist k-ung der höchste Neiz solcher Werke: dle Frische

es mik BervielscMg-ungen, die unmitkeibar von der der ttrsorüiiglichketk, die Krafl der Einfnä)he-i-t und

g-eschnittenen Platte des Künstlers g-enommen werden. eine Lebendigketk, die srei von angelernten Kuns!--

lln ihnen lebk der Pulsschlag des künstlerischen Schas- reg-eln lst.

sens; ci-n Hauch jen-er räkselhaften Schwingüngen - Es ist klar, dasz wir von -dem Holz- iind Llnol-
oes schöpferlschen Äestalte-ns durchziktert sie. schn-kit, wie er heute in Ler Schule gepslegt wird,

* AuS der »vstergabe" der »Schülervereinigmm kür Nimstpllege'- der WilhelmS-Nealschiile in Stiittgart. Dnzi! gehören dle --!U>-
b ildriiigen des tzefteS. Dergl. auch den Abschnitl »Zn unseren Äbblldnngeii" Sett« ISI. Dte Schristleitung.
 
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