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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

DOI Heft:
Heft 12 (Dezember 1925)
DOI Artikel:
Müller, Alexander: Zu den Ansichten eines Unmodernen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0349

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^12


Schereiischnltt

Mädcheiircalschiilc Liidwi^SbiiraslZcicheiilehrcrlii Pcirel)

^Zu den Ansichten eines Anmodernell^

Eine Enkgegnung von Alexander Müller- Lichienberg

Zu den AuSführungen deS Herrn Kollegen Sommer-
Landershelm möchie ich folgendes erwidern:

Als ich ^Psingsten 1922 den Gegenbericht gegen
Herrn Kollegen Krieger führte, lat ich dies bewuht
in rein sachlicher Weise, unter Ausschaltung jeder
persönlichen Neenführung oder Darbietung von
Schülerzeichnungen, denn es handelke sich um eine
wesentliche und grundsätzliche Frage, um die Erhal-
tung des Zeichenunterrichts als lrünstlerisches Lehr-
sach. Mein Erstaunen, dah die gesamte Kollegen-
schaft damalS sich nicht entschlietzen konnte, meinen
Ausftthrungen über dis Lebensfrags durch eine,
cigentlich selbskverständliche Resolukion zuzustimmen,
hat sich in diesen drei 2ahren noch vermehrk,
wenn ich in „Kunst und Zugend" so viele Aufsätze
über mein damaliges Thema las, die sich völlig mit
dcr Nee meines Berichks deckken.

Als lch 1919 Im alken Kunstschulgebäude und
Sstern 1920 mik Felix Emmel meine Zdeen und Be-
strebungen besonders rhykhmischer Art mit Schüler-
arbeiten erläukerte, führte inich dies mtt vielen
Kollegen, die ähnliche Veskrebungen verfolgten, zu-
sammen und unser Gedankenaustausch halke zur
Folge, datz sich eine Arbeitsgemeinschaft bildeke.
2ch führe dieS an, um zu zeigen, datz diese Be-
wir wollen sie, auch auf die Gefahr

hln mltzverstanden zu werden, «inmal expre
Bestrebungen nennen — nicht neu sind, sondern in
!die Zeik vor sechs bis fttnf Zahren hineingehören.
aus der sie hervorgewachsen waren. Nicht Mode,
sondern Pulsschlag der Zeit. Wollken jetzt gleiche
Illebungen gemachk werden, so würden sie wesentlich
' anders auSsehen. Wir haben uns aeändert, ebenso
wie dis heutigen Kinder andere slnd. Wir ind
wentger aufgewühlt, weniger leidenschaftlich, un ere
Sinnlichkeit ist eine andere geworden, daher müssen
tiuch unsere Formen andere sein und damit^komme

ich zum Kern der Anftaffe
Wir '

res- Kollegen Sommer.
Fcichleute sollten doch über den Sinn von
Schlagworken im klaren sein. Wir wissen. datz es
im Srunde keine im- oder erpressioniltische Kunst
gibt, datz Kunst immer nur Ausdruck ist, datz einem
jeden Kunskwerk ein Naturerlebnis zugrunde liegen

mutz, denn anderes als Rakur ist für unsere Sinne
nicht vvrhanden. Mir missen, datz schöpferische
Phankasie allein das lebendige in der Kunst bedeutet,
nichk nur im Erflnden von Fabelwesen und Märchen,
sondern auch im einfachen Wiedergeben vorhandener
Gegenstünde. Ileber den Wsrt einer Arbeit ent-
scheiöen kann nuc die Qualikät oder besser die Krafl
der Phankasie. Borhanden ist die Phankasie auf
jeden Fall stets, genau so wie die arme zu Tode ge-
hetzke Seele, die ducchaus nichl iminer ekwas Reli-
giöses bedeuken mutz. Korrekke oder ungenaue Zeich-
nung haben mit künsklerischer Forderung »ichks zu
tun. Mit innerer Wahrheik isk eben korrekker Aus-
bau und nichks Seelenvolles gemeint. So ist sogar
Ludwig Richter Vorbild sehr moderner Menschen
radikalster Äichkung.

Daher: Schlagworte erfüllen ihren Zweck, wenn
sie als Begriffsfaktor für beskimmte Skilformen,
o. h. Zeikerscheinungen innerhalb des Kunskgeschehens
dienen. Für uns Fachleuke kann nur eins gelken:
die k ü n s t l e r i s ch e, Sa ch li ch k e it. Mit die-
sem Wort meine Ich nun nicht wieder die augen-
blickliche Stilrichkung, sondern dle Disziplin unserer
Kunst, ihre Gesetze und ihre Grenzen. Diess waren,
so weit wir sehen können, immer die gleichen. W!r
müssen uns nur unsere Sinne fein und geschärft ei-
halten und in die Zeit unü das Leben horchen, dann
kann kelne neue künstlerische Erscheinung uns das
Selbstvertrauen erschüktern und die Verufsfreudig-
keit untergraben, dann wissen wir: echk ist, was gc-
wachsen ist, unechk aber und kunstwidrig, Formen
aus völlig anderen Berhältnissen, auf fremden
Boden zu verpflanzen. Kollegen in landschaftlich
reicher Gegend (Süddeutschland) mit einer Äevölke-
rung, die noch Berbindung zur heimaklichen Erde
im Bluke trägt, müssen andere künsklerische Leistun-
gen ihrer Schüler erzielen, als diejenigen in den
sieinernen Schächken der grotzen Wellslüdle mit Ein-
wohnern von überfütterten Siiinen und überreizten,
aber auch verfeinerken Nerven.

Hiermit ist gegeben, welche Gesichlspunkte unsere
Erzieherarbeit leiken sollen. Freilich ohne dauernde,
 
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