Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

DOI Heft:
Heft 10 (Oktober 1925)
DOI Artikel:
Hils, Karl: Die pädagogische Woche in Nürnberg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0287

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Die pädagogische Woche in Nürnberg

12.-18. Iuli 1S25.

Von K. Lils, Stuttgarl.

Werkacbeit fllr Schule und Leben war der Leitsatz
für diefe Beranstaltung. Man konnte von vorn-
berein drei verschieddne Strömungen innerhalb der
Tagung feststellen. Zunächst hatte die Volksschule,
die an der Mranskaltung durch Bezirksschulrat Wal-
finger den grösjten Anteil halte, ihr sestes Prograinm
ausgestellt. Sie war es auch, dle die ganze Beran-
staltung anregte. Der Werkunkerricht in Berbindung
mit der höheren Schule trat schon als besonderes
Fach auf innerhalb des Gesamkunterrichts und zum
Schlujz krak der Werkunkerricht in Berbinduna mit
städtischen Schulwerkstätten, mlk städkischen Äolks-
bildungskursen, mit Lehrlingsausbildung und Merk-
lehrerbildung vollkommen als Selbstzweck auf. So
konnte es nicht unkerbleiben, dasz sich zunächst Mei-
nungsverschiedenherten llber die Erteilung des Werk-
unkerrichts und iiber den Werklehrer selbst ergaben.
Dank der geschickten Leitung der Tagung durch
Ministerialrat Professor Dr. P al lat. Leiter des
Zentralinstituts fiir Erziehung unbAnterricht in
Berlin, konnten zum Schmß die Spannungen, die sich
aus den verschiedenen Melnungen ergaben, gelöst
werden.

Herr Ministerialrat Pallat führte anfangs aus, das;
kein Ort so wie Niirnberg mit seiner alten Kultur
und löeschichte geeignet wäre zur Abhaltung der
pädagogischen Woche. Das Zentralinstikut, so siihrle
der Redner aus, sei kein preuszisches Jnskikut, es sei
getragen vom Neich und den Ländern. Wilrttemberg
und Aayern seien dem Instikut noch ntcht ange-
schlossen, daS erstere sei aber bereits auf dem Wege
dazu. Die Ausstellung, die sich an die Päda-
gogische Woche angeschlossen habe, zeige, datz die
Werkarbeit das ganze Neich der Erziehung umfaszt
vom dreisähriaen Kind bis zum Abitur und bis zur
Meiskerlehre. 3m Anschlus, an die einleitenden Worte
Pallaks sprach Stadtrat Weisz - Nürnberg tiber das
Thema „Werkarbeit slir Schule und
L e b e n". Er schilderke die geschlchtliche Entwicklung
der Geistesarbeit auf dem Gebiete des Erzlehungs-
wesens und fiihrte aus, das, Erziehungsideen nicht
konstruierbar seien, sondern dasz die Erziehung eines
Bolkes bestimmt wird von dem 3nhalt der jeweiligen
Wissenschaft, Kunst und Technik. Eine neue Er-
ziehungsmethode kann auch keine neue Kulkur herbei-
sühren. Die mehr und mehr mechanisierke Arbeik
miisse wieder mit schLpferischem Geist, mit Lust und
Freude erfüllt werden. Heute pulsiere rn unseren
Schulen frisches Leben. Der Arbeitsgedanke durch-
dringe mehr und mehr die gesamte Schularbeit in
sämklichen städkilchen Schulgatkungen. Der Werk-
unterricht trage bei zur Erweiter«ng--uird Bertiefung
der Anschauung, zur Begründung und Förderuna der
Selbständigkeik, zur Anwendung und prakkischen
Berwertung, zur Gemeinschaftserzlehung, zur zweck-
mäsjigen und schönen Formgestalkung, zur schöpfe-
rischen Farbengebung, lrurz zur Bermenschlichuna
der Arbeit.

Der Berkreker der Bolksschulen, Bezirksschulrak
Wolfinger, lehnk den Werkunterricht als besonderes
Fach ab. Der Klassenlehrer soll den Werkunterrichk

nicht als Selbstzweck betreiben, soiidern er dars mir
als Ansdrlicksform für Geschautes neben Worl und
Schrift treten. Er soll eine Anweiidung sein sur
selbsttätig erarbeitete Begriffe oder Gesehe, eiii
Mittel zum Erweis der Naturgesehe oder eme
Schöpfung der Phantasie. Der Werkunterrichk iiilig
mit dem Gesamtunterricht ocganisch verbundeii sem.
Die Schiilerleistungen, das Ergebnis deS Werkunler-
richts, dllrfe kein BeurteilungsmaWab für den er-
ziehlichen Wert des Werkunterrichts bilden, deiin sie
ist nur eine äuszere Erscheinung, nur Mitlel zum
Zweck geistiger Erkenntnis. ..

3n der Aussprache wurden hier zwei Einwande
erhoben: 1. eine oft jeder Werkgerechtigkeit hohn-
sprechende Bastelei und 2. dle Ilnmöglichkeit, die im
Kinde liegenden schöplerischen Kräfte herauszuholen,
wenn begriffliche Lehrabsichten vorherrschen. Der
erske Einwand konnte widerlegt werden. An dns
Kind eine Anforderung zu stellen, der nur der Lr-
wachsene gewachsen ist, bedeutek einen pädagogische»
Schniher, dem Dr. Kerschensteiner verfällt, wenii er
Schüler an einem Holzwürfel 20 Stunden herumguälk,
bls er werkgerechk lst. Dieser Ilnterricht hat mit dein
Arbeiksschulgedanken nichks mehr gemein, weil in
diesem Falle nichts erarbeiket wird, sondern ange-
lernk, und das ist Sache der LehrlingSausbildung und
nicht der Schule. Der zweite Einivand kaiin aller-
dings nlcht widerlegt werden.

Es folgten Darbietungen der Werkarbeit im
Dienste des wissenschaftlichen Ilnterrichts der höheren
Schule, weil an der höheren Schule der Fachunler-
richt die übliche Lehrform ist. So wurde auch bereits
hier eine schärfere Trennung des Lehrstoffs bei alien
Äednern vvlgenommen, z. B. Werlrarbeit In Ber-
bindung mik: Mathematik, Physik, Erdkunde und
Geschichte und Werkunterricht in Berbindung mik
Biologie (Redner Dr. Linder - Freudenstadt).

Bon besonderer Bedeutung fllr uns mareii die
Borträge der 3ugendleikerin Emma Carp über
Werkarbeit im Kindergarten, und be-
sonders die Borträge über Werkarbeit im
Dienste der Kunsterziehung der männ-
lichen und weiblichen 3ugend. Zu dem
lehteren Thema bekonte der Leiter der staaklichen
Kunstakademie Kassel, Prof. Michel, dast der dem
Menschen angeborene Drang nach Schönheit in sei-
nem Äeltreben nach Bervollkommnung begründet sci.
Die wichtigste Aufgabe der Erziehungsnrbeit besteht
darin, der 3ugend die geeigneten Wege zu zelaen.
Die Kunsterziehung, die Erziehung zum ästhetischen
Genutz, sei bei dieser Arbeit von nicht zu unter-
schähender Bedeutung. Die Schulung des BerskandeS
duicy rein abstrakte Tätigkeit werde heute in den
Schulen noch als die im eigenllichen Sinn güllige
Bildungsarbeit angesehen. Sie sei zwar nühlich und
unbedingt notwendig, sei aber weit davon entfernt,
der körperlichen und seelischen Ausbildung des Men-
schen vollauf Rechnung zu tragen. Neben den geislig
befähigten Kindern mit wissenfchastlicher Vegabungü-
form gibt es auch künstlerisch begabke. Die Schule
muh aber bei jedem Schüler ohne Ausnahme, also
nicht nur den besonders Begabten, die Freude an
 
Annotationen