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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 8 (August 1925)
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Schäffer, P.: Das Raum- und Massengefühl des Kindes
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Kolb, Gustav: Kunstpflege in der Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0223

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Mhmigen zwischeii der p h y l og e n e ti s ch e n und
onokogenettschen Entwicklung der Kunst auss
schürfsle bestreiten. Es ist nlcht unmöglich, dah die
sponkanen Kinderbauken zur Klärung dieser höä-st
wichtigen und interessanten Frage beitragen.

Am dieje Ziele zu erreichen, ist es nötig, Mate -
rial zu ammel n, «d. h. kindliche Bauten müssen
photograpylert und ab und zu in „Kunst und Zugend"
verösfenklicht werden, um anregend zu wirken? Mtt
den oeigesligken 4 Aufnahmen sei der Anfang gemachk.
Sie reprasentieren je einen bestimmken EntwicklungS-
kypich. Abb. 1 zeigt den Vau eines Achtiährigen und
stellt einen „Pferoestall" dar. Es handelt sich um die
Skufe des nicht naturalistischen Zweckbaues, der iin
Dienske einer bestimmten Spielidee stehk. Mädchen stel-
len in dieser Epoche gern „Gärten" und Aehniiches
dar, wobei Beete usw. durch liegende Klöhchen mar-
kierk werden. Die „Deutung" spielt also noch eine
groste Äolle bel ihnen. Die 2. Abbildung, nach dem
kleinen Vau eines Aeunjährigen, macht mit einer
Slufe bekannt, in der die Bauidee ganz allgemein
einen strebenden Teil und eine ihn umgebends Maner
als die beiden Hauptmokive umfaszt. Diese aleiche l'dee
kehrt immer wieder, wird aber auch ebenso oft vari-
ierk. Die Bedeukung der Treppe ist hier klar ersahk,
während sie in früheren Skadien — sie kommt sehr
frühe vor — ost ohne Berständnis für ihre Funkkion
angewandt wird. lln der 3. Abbildung sehen wir einen
Vau der reinen Phankasie vor uns. Eine bestimmte
Norm herrscht in diesem Entwicklungsabschnikte im
allgemeinen nicht vor, wohl aber zeigk sich die gröstke
Mannigfaltigkeik und der überraschendste Reichkum
der Bauidee. Das kleine Werk des Elfjährlgen ver-
räk ein felnes Naum- und Massenempfinden, das die
Photographie leider nur schwach übermikkeln kann.

Diese frei schaffende Phankasie verlierk sich mehr
und mehr, bis allmählig das verstandesmäszige Denken
!n den Bordergrund tritk und nun auch auf das kind-
liche Bauen den gröszten Einflufz ausübt. Es werden
ieht Bauformen nachgeschaffen, halb aus dem
Gedächknlste, halb aus der Borstellung, Bauformen,
die das Kind aus der Anschauung kennt. So ent-

skehen Häuser und Kirchen im n a ku r a l i st i s ch e >i
Sinne. Während die zu Anfang charakkerisierte Skufe,
die ebenfalls „Häuser", „Pferdeställe" usw. baul,^
durchaus noch ideographisch (nach Berworn) ge-
staltet, formt die zuleht genannke im p h i) s i o p l a s! l-
schen Sinne. Anser entsprechendes Aeispiel Ist von
einem 13)4 und einem 14)4 jährigen Schüler gemein-
sam gebauk. Diese Entwicklungsstufe, die etwa beim
13. Lebensjahre beginnt, deckt sich also mit der Periode
des Zeichenunterrichkes, in welcher wir aus wohler-
wogenen psychologifchen Grllnden mit dem Zeichnen
nach Modellen beginnen. Soweit es sich um die Er-
ziehung des Raumgefühles handelk, werden wir also
ebenfaus in der Zeit der Ablösung des anschaulichen
Denlrens durch daS begriffliche Denken »nsere Lehr-
methode ändern müfsen. Während wir beim jüngeren
Kinde, das eigene Naumvorstellungen von innen nach
autzen projiziert, die Naum schaffenden Kräfke zu wek-
ken und zu stärken suchen, können wir beim ülteren
Kinde mehr an den Berstand appellieren, indem wir
ihm allgemein gehaltene Nisse voriegen, die seine Vau-
lusk anregen.

Ueber die Bedeukung der Ausbildung deS
Naumsinnes zu sprechen, sollte eigentlich überflüssig
sein. Es ailk, das Gefllhl für das D r e i d i m e n s i o -
nale schlechthin wieder zu erwecken, wie ja ein-
gangs schon erwähnt wurde. Das wäre ein Gewinn
auf dem Gebiete des rein Aesthetischen sowohl
wie auch auf dem der modernen TechnIk ; denn die
Raumvorsketlungskrafk hier ist eine Borbedinguna des
Schöpferischen, ja das Raumdenken In Berblnbung
mit der Konstruktionsidee ist der schöpferische Akt
schon selbsk. Man denke bloß an den Brückenbau.

Die vorstehenden Ausführungen sollen nur die Ae-
deukung einer Problemstellung haben. Lndgül-
tlges konnke nichk aufgeskellt werden. Äuch die charak-
terisierken 4 Enkwicklungsskufen sind nur ein vorläu-
figes Unkersuchungsergebnis. AuSführliches über die
Psychologie des kindlichen Bauens zu sagen erübrigk
sich bis zu dsm Augenblicke, wo hinreichendes Make-
rial zur Beurkellung vorllegt.

zan-
nachfol--

^Kunftpslege in der Schule^

Nnter dieser Ueberschrift veröifentlicktiDr Kunk.'l turen zu fördern verfucht haben. Was das Zeichnen
Geh. Studienrat ni Magdeburg, in der ..unavhän-angeht, so könnte es ja scheinen, als märe an allen

real gerichteten Schulen mit dem allgemein verbind-
lichen Fachunkerricht schon in der Organisation dem
geschilderten Mangel abgeholfen. Das trifft jedoch
nicht ganz zu, weil dieser Unterriclit
nicht sowohl kiinstlerische als prak-
tisch-technische Zwecke verfolgt*, mit
denen nun freilich auch hier dafür minderbegabte
Naturen in Konslikt kommen können-
Die Denkschrist des preuhischen Ministeriunis
nimmt nun tn diesen Fragen einen besonderen
Standpunkt ein (vgl S. 10, 14, 18 und besonders
S. 32/33). Sie verheiszk eine entschiedene Fördernng
nnserer Kulkur, indem sie die sogenannten „techni-
schen Fiicher" als „Kunstfächer" zu dem Nange der
kulturkundlichen Fächer erhebt, und die „im gebilde-
ten Clternhause darniederliegende Kunstpflege" dem
Pflicktenkreise der höheren Sckulen zuweist. Dan
wirklich die Mnsik in unseren Häusern nicht gebiih-
rend gepfleat werde, kann jedenfalls fiir die ^nstrn-
mentalmusik nicht gelten. Der Schluszsaj; (S. 33):

gig nationalen Tageszeitung Der Tag'
genden Aufsajz:

„Es läszt sich nicht leugnen, datz die betden Lehr-
fächer, denen an unseren höheren Schulen die Pflege
der niusischen Kiinste zugewiesen ist, Musik und Zeick-
nen, nicht nur äutzerlich gegenüber den wissensckaft-
lichen Fächern zurücktreten. Was Svranger „Psy-
chologie des Ingendalters", S. 266, Änm., über dte-
sen sür künstlerisch Beanlagte wohl einmal recht
fiihlbaren Mangel Lemerkk.- ivird. die Erfahrung
durchaus bestätigen aber auch die tröstliche Versiche-
rnng geben diirfen, datz, wo überhanpt der Unter-
richt idealen Zielen zustrebte, er wenigstens auch für
künstlerische Anlagen einen günstigen Nährboden zu
bereiten vermochte, und datz es nie an einsichtlgen
Erziehern gefehtt hat, die über die amtlich vorge-
schriebenen Lehrstoffe hinaus eigenartig begaLte Na->

* Bersasser besltzt berelts etns Sammlung von derartlgen
'Nnsnahmeii und bittet interelslerte Fachgenossen, ihn event. beim
Znlammentragen von Material zu nnterstiltzen. Vo» besonderer
Wichtigkslt Ist das Alter vom ö.—w. LebenSIahr.

* Dle Sperrungen st„d veranlatzt von der Schrlstleltiing.
 
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