Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

DOI Heft:
Heft 6 (Juni 1925)
DOI Artikel:
Neuer Lehrplan für die württembergischen Volksschulen: bildhaftes Gestalten
DOI Artikel:
Rothe, Richard: Bemalte Krüge
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0165

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
dor Lehrer es vecsteht, den Schülern das eigentliche
Mesen der elnzelnen Werke aus der technischen
und kiinstlerischen Gestaltung zu erschllejzen. Auch
bei diesen Aevungen ist die Selbsltätigkeit der Schii-
ler zu sördern. Der Lehrer soll keine fertigen Urkeile
geben, sondern den Schüler zu einer selbständigen sach-
iichen Mertung der einzelnen Werke hinleiten. 2n
den Kreis dieser Vetrachtungen können einbezogen
werden: die Kleidung. das Wohnhaus, das Bauern-
haus, das Rathaus, oas Schulhaus, die Kirche und
ihre Denkmäler, der Bahnhof, der Friedhof und
seine Denkmäier (taktvoll vorgehen!) die Gasse, die
S'traßs, die Schaufenster, die Brüme, die Änlage
des Dorfes (z. B. Reihendorf oder Haufendorf),
das Dorf oder Stadtbild.

Recht fruchtbar ist die Gegenliberstellung voir

Beispiel und Gegenbeispiel, z. B. der nllchkerne
Zweckbau — das „schöne" Haus, das schlichle
Bauernhaus oder Äorfkirchlein — der prohige
„städtische" Backsteinbau, ein zierliches schmied-
eisernes Kreuz neben einenr plumpen Grabstein, eine
einfache, schöne Blumenvase neben einer mil Schmuck
überladenen. graphische Erzeugnisse, z. B. Post-
karten, Plakate, Schrift- und Buchdruck — die edlen
Drucke srüherer Zelt im Gegensatz zu vielen unserer
heutigen Zeitungs- und Buchdrucke.

Sofern geelgneler Anschauungsstoff vorhanden ist,
kann ab und zu auch ein Gemälde bekrachtet werden. >

Den Sinn slir einfache Schönheil und die Fähig-
keit im prakkischen Sestalten können Lehrer und
Schüler durch die Ausstattung der Schulräume er-
weisen.

Bemalte Krüge

^ Ein Unkerrichksbild von Rlchqpd R c> U, ,

Fachreferenten in der schulwlssenschaftlichen Abkeilung des österreichischen Unkerrichksminiskeriums.

Diese Aufgabe wird ähnlich wie die vorhergehende,
„bemalke Telle r", eingeleiket und nimmt ihren
Äusgangspunkt mit der Betrachkung von enftprechen-
den Bolkskunstwerken. Es ist also ein Museums-
besuä) vorauszuschicken oder mlndestens e i n bemalter
Krug wirklich vorzuzeigen. Ist auch das nicht mög-
llch, dann wird man Lichtbilder vorzelgen oder mit
dem Skioptikon vorführen. Triffk auch das niä)t zu,
dann wird sich der Lehrer selber ein Modell schaffen,
indem er einen Steinkrug oder Tonkrug in der Ärt
dieser Bolkskunstarbeiten mit Temverafarben
bemalt, um dann alles Notwendipe über die Fun k-
tion des Schmuckes erklären zu können.

Er wird die Schüler äufmerksam machen, daß es
verschieden geformte Krüge gibt: gerade und aus-
gebauchks, mik einfach und mehrfack eingezogener
Leibung, mit Henkel, nrik Deckel und ohne Deckelusw.
Der Grötze nach werden die Krüge auch inTrink-
krüge und Schenkkrüge einzukeilen sein und
jedesmal die Form nach diesem besonderen Zweck
erkärt werden müssen. Ein Trinkkrug mutz anders
gebaut sein als ein Schenkkrug, weil er einen andern
Zweck zu erfüllen hat. Auch die Gröhe wlrd durch
diesen Zweck bestlmmt. Ein Gesellschaftskrinkkrug ist
wieder anders gebauk als ein Einzeltrinkkrug, ein
Krug für den ständigen Gebrauch wieder anders als
ein Festkrug usw.

Bei dieser Gelegenheik wird auch manches über
die Bolkskunst zu sagen sein. Während Textilien
z. B. haupksächlich die Erzeugnisse des häuslichen
Frauenfleihes sind, sind die hier genannken Arbeiken
hauptsächlich Erzeugnisse deukscher Männer und mei-
stens das Ergebnis handwerksmähiger Ae-
täkigung.

Die Keramik nlmmt innerhalb des volkstüm-
lichen Kunstgewerbes eineir breiten Raum ein und
gibt künstlerisch BeranlagtenMle'Geleüenheiten, sich
ür bekätigen, als direkte Beziehungen zur Plastik und
Malerei bestehen. Ein Museumsbesuch zeigt, dah die
Bolkskeramik eine hohe Enkwicklungsstufe elnnimmt,
die in der soliden Technik, im zweckmähigen Aufbau
der Formen und in der geschmackvollen Durchführung
der Berzierung vorteilhast zum Ausdruck kommt
Neuerdings erlebt diese Keramik eine Wiedergeburt
und dle ersten Aiftähe sind vielversprechend und
lassen eine gesunde Weiterentwicklung erhoffen.

Geht man nun zur direkken Aufgabenstellung llber,
so wird es sich empfehlen, zuerst einen Trinkkrug von
einfacher zyllndrischer Form machen zu lassen. Wie-
der ist es gut, sich nicht bloh mit einer Zeichnung zu
begnügen, sondern direkt ein Modell aus Papier an-
ferligen zu lassen. Es genllgt, eine breite Röhre aus
Papier mik ein paar Stichen zusammenheften zu
lassen. Man kann auch einen Boden einfügen, doch
ist dieser ftir die Lösung unserer Aufgabe nicht nok-
wendig. Nokwendig ist aber das Borhandensein der
zylindrischen Rundung, weil die Probleme der
Flächenverteilung, der Aufkeilung der Schmuckfor-
men sich hier ganz anders darbieken, als auf der
ebenen Fläche. Der Pinsel legk sich auf der runden
Fläche ganz anders an, als aus der ebenen und gibt
deshalb auch zu ganz anderen Schmuckformen Beran-
lassung. Der Schüler muh sich dem Modell gegen-
über ganz anders benehmen, als wenn er vor dem
tlachen Zeichenblatt stünde, und gerade das soll ihm
deutlich gemacht werden.

3st der Zylinder ferkiggestellt, dann läht man die
Schüler Angaben machen, wie sie ihren Schmuck auf-
zuteilen gedenken. Darnach wird man diese Angaben
nach folgenden Gesichtspunkten ordnen lassen:

Betrachkek euren Zyiinderl Wieviel der ganzen
Form kann man mik einem Blicke umfassen?

Die Hälfte?

So können wir auch unseren Schmuck verteilen,
eine Hälfke vorn, elne Hälfte hinten. Aber wo ist
vorn und wo hinten?

Der Henkel ist hinten.

Die Borderseike bekonimt in vielen Fällen ein be-
sonders schönes Bild: eine Landschast, ein Gebäude,
eine Figur, während der übrige Teil mit Ornamenken
ausgesüllt wird.

Manchmal ist der Krug auch in mehr als zwei
Teile, i» drei oder vier gekeilt. Ein andermal wieder
ln eine linke und rechke Hälfke, vom Henkel aus ge-
rechnet.

Das MlkkelskUck hak meiskens eine Umrahmung, die
es mit dem übrigen Ornamenke organiich verbindet.
Das Äild erscheint nichk bloh wie aufgeklebk, sondern
als ein zur ganzen Fläche aehöriger Beslnndteil.

Das Ornament ninimt auch Rücksicht auf den Vau
des Kruges als den oberen und unkeren Rand
durch ein besonderes Band zum Abschluh bringt.
 
Annotationen