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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 3 (März 1925)
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Halmhuber, Gustav: Die zeichnerische Bildung als wichtiger Faktor im neuen Deutschland
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Steinweg, Carl: Wer soll auf unseren höheren Schulen den ''Kunstunterricht'' geben?
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0066

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5)8

Aus unserer elgenen Kulturgeschichke mird das
Kind lernen, das Dasein mit Schönheii zu erfüllen
und dah es darauf anlrommt, auch den unbedeulend'
slen Gegenstand mik Geschmack Ins Werk zu sehen
iAauernllunst). Seine Kennknisse werden das Kind
befähigen, den Sinn für Schönheik bei den Vor-
cltern nachznftthlen und selbst guts Form und Farbe
überall zu sordern.

Es ist ourä) aus falsch, in der Gesaink-
erziehung dle Freuds an sinnlicher
Form a u sz u s cha lt en. Der harmonische
Mensch bedarf ihrer so gut als der
Freude am Znkellekrt und am starken
Wiillen.

Auch wird die Natnr als Ganzes vom Kind
besser begrlffen, weil es den Zusammenhang der 2dee
und der Form als unzerkrennlich im Zeichnen und
Materlalbilden hunderkmal begriffen hat. Dle Glle,
derung, die Konstruktlon der Organismen wird eS
auf die harmonische Geftaltung des ganzen Kosmos
führen und es zwingen zur Ehrfurcht vor solchein
unermejzlichen Kunftwerk, daS täglich vor selnen
Auqen neu erltcht. '

Der eigentliche Gewlnn, der aus dem Zelchen-
unkerricht und der Werkschule entspringt, lst elne
harmonlsche L eb e n sansch a u u n g der
allseltlg gsschulten Persönllchkeik.
Da wo alle philosophischen und wissenschafkllchen
Deutungen mit Worten versagen, ftthrt der Begriff
der Schönheit durch das geschulke Gefühl noch elne
Skufe höher, bis lns abstrakke Gebiet der Form, dle

neuerdlngs die Grundlage aller expressionistischen
Kllnste bildet.

Dieses lehle Ziel, das in der Unendlichkeit ver-
schwebt, lähk uns Golt ahnen, der mit Hilfe der
Form in unsere Ssele am tiesslen hineinragk, die all.
seikig aufzuschliehen die Pflicht der Schule isl und
an deren Fortenkwicklung in angedeulsler Nichlung
seder Sebildete das allergröhke llnkeresse haben musz.

Auf dor Bersammlung hielt auch Archikekt Mcrg
von Stukkgart einen Borkrag. Die Aussprache ver-
dichtete sich zu folgender Enkschliehung: ^

1. Fortgeschrikkene Erkennknis und wirtschaftliche
Lage der Neuzeit erfordern in Deukschland die Lin-
führung eines neuen Prinzips -er Denk- und Ge.
fühlsweise in die Gesamkarbeit der Schule. Zeichen-
und Werkunterriä)t im Sinne der beiden Borkräge
Halmhuber (Material) und Merz (Krnfl) aufgefaht,
sind hierzu geeignet und den übrigen Haupkfächern
der pkiloloaischen, naturmisscnschaftlicheii und makhe-
matischen Nichkung gleichzusk-ellen.

Als wesentliche Bestandkeile einer harmonischen
Erzlehung sind beide auch in den obligaten Prllfun-
gen entsprechend zu bewerten.

2. In allen Schulen und ln allen Klassen ist die
Erhaltung der natürlichen Erziehung zum gesunden
Formensinn durch Anschauungsunkerrlcht auf nakio-
naler Grundla-ge anzustreben.

3. Den Zeickenlehrern Ist die gebtihrende ^lusbil.
dung un-d Gleichstellung als vollwertigen Kräslen des
Ganzen zu stchern-.

Wersollaufunseren höheren Schulenden „Kunstunterricht" geben?

Bon Prof. Dr. C. Steinweg (Halle).

Sie fragen mich, wsr auf der Schule den Kunfli-
unterrichk geben soll? — Die Antwort schelnk leicht zu
fein. Doch der, der -etwas davon verstehtl — And
doch auch wieder n-icht so einfach. Denn erst einmal
handelt es sich doch darum, was eigentllch unter Kunst
zu verstehen ist. Oder steht das so- absolut fest? —
Meiner Meinung n-ach sind di-e Ansichken darüber
verwirrter und verworrener denn se. Und zweitens:
was von recht verstandener Kunst gehört auf -die
Schule, und wie ist es an den Schüler heranzubrin-
gen? Zn welchem Zusammenhana mit a-nderen FS-
chern? — 3st schlieszlich der Zeichenlehrer hier der
Äerufene oder der Musiklehrer, denn -der gehört doch
auch zur Kunst? — All da-s will erst überlegt sein,
ehe man an die Bsanlworkung diefer wichtigen Frage
herantrikt.

Als Berfasser 1892 dem Wernigeröder Gymn-asium
als Kandidat iiberwlesen wu.pde.gab -dort der Musik-
lehrer den Zeichenunterricht. Äm Dortmunder Gym-
nasium war das ebenso. — An wie vlelen anderen
Anstalten nicht auch noch! — Zeichnen gehörke -eben
zu -den technischen Fächern, ebenso wie Singen und
Turnen und so hätke auch der Turnlehrer mit dem
Zelchenunterr cht bekraut werden können. — Was -Im
Zeichensaal getrieben wurde, darum kümmerke lick
kein Mensch. — Gewöhnlich Allokrja, weshalb diese
Stunden bei den Schülern auch sehr beliebt waren.
Bersasser selber hat, alS ehemaliger Schüler -einer

Kgl. Kunst- und Bauban-dwerksschule, längere Zeit
Zeichsnunterrlcht gegeben, absr nie erlebt, dasz der
Direktor oder sonst wer hier einmal zu Äesuch ge-
kommen wäre, wie das doch in den anderen Lehr-
sächern regelmWg zu geschehen pflegk. — Das ist
ja nun anders geworden. Wir haben Zeichenlehrer,
die für ihr Fach akademisch vorgebildet sind und die
auch ekwas könn-en. Ueber die eigenlliche Aufgabe
des Zeichenunterrichtes auf der Schule indessen ist
man sich immer noch nicht recht klar — der lei-digen
„Moderne" wegen, und über den Kiinskuiilerr-icht
dalelbst erst recht nichk. Und das ist begreisllch.

Ilnser Kunstunterricht ist sa ein noch blukjunges
Lehrfach. Erst 18V0, mik der Berusung Heinrich
Brunns -nach Münchsn, tat die Kunst den ersten
schüchternen Schritt erst einmal auf unserer Univer-
sität. Un>d da war es die Archaeologie, die ihr die
Vahn brach: Winckelmann mit seiner Gesä)ich!e der
Kunst des Altertums <1761). llnkeresse sür neuere
Kunst weckten dann die Roinantiker mit ihren Bor-
lesungen über das Miktelalker. —Der erste ordentliche
Professor der Kunstgeschichle, dcr zugleich mit dem
prakkischen Kunslunlerricht beauslragl wurde s1812),
war Fiorillo. Er war doch noch wenigstens Land-
schasls- und Porträlmaler. Nach ihm aber kamen
Philologen u»d Lilerarhlstoriker, die -die Sache na-
lürlich rein wiisenjckastlich betrieben. — Dasi inan da-
bei noch kein grohes Kunslverständnis zu haben
 
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