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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 9 (September 1925)
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Voß, Karl: Zeichnen und Kunstbetrachtung
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Ziegelmüller, Franz: Weltanschauung und Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0249

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242 --

die Kunstentwickluirg, zumal wenn Archäologle als
wahlfreles Zusatzfach oder die betrachkende Kunstge-
schichte, bzw. ein Sondergeblet derselben, als Haupt-
oder Nsbenfach gewählk wlrd. Es besteht also durch-
aus dle Mögllchkelt, auch die antike Kunst besonderS

fürs Gymnasium und seine Ziele zu berücksichtigrn;
und so dürfen wir hosfen, datz die neuen Lehrpläne
den Beginn sruchtbringender Zusammewarbeit im
Mensie der Kunskerziehung auch am Gymnasium bc-
deuten.

Weltanschauung und Zeichenunterricht

Bon Franz Ziegelmüller, Radolfzelli:

—- Wohrwvrl:

>>W»hrhcit u»d Uicbe werdcn slcgenl"

Die Deutschen haben ein schönes Wiort in ihrer
Sorache: echt und schlicht, wie sie seibst elnst waren,
mteder werden müssen. Das Wort heitzk: Weltan.
schauun g. Es gleicht dem lröstlichen Kristall, ber
fest In Form, in Grötze, Glanz aber wechselk se nach
Aeichtum des Innenlebens. Tief empfunoen Ist das
Mort. stnhallsschwer, weltumsvannend! Aus zwei
Teilen zusammengeseht. doch völlige Einheit, für den
Einzelnen sowohl wie für die Gefamtheit. Das Wort
veieinigk die grotzen Gegensätze: Autzen- und stnnen-
meltl Darum Ist's Wohlklang. Echt mutz eine Welt-
anschauung sein. Erworben will sie sein in ehrlich-
stem Ainaen. Dann nur trägk sie Ruhe, Frieden in
des Menschen Brustl

Wieltanschauungl Ein stnhalt, der uns Deukschen
mit der Zeit zum grötzken Teil verloren ging. sta-
wohl: Berlorenl Rsden wlr nlcht von Weltan-
schauungs- fragen 7 Von „F r a g e n?" Drttckk
diese „Lrgänzung" nicht unsere ganze Unslcberheit,
unsere Zerrlssenheit aus? An die Skelle einer Wahr-
heit traten Meinungen. Mahre Anschauung ver-
kauichken wir gegen Ansichken. das Ganze um den
Teil. Wir bängen fast ausschlietzlick' an> Äeutzerlich-
kciken, weil wir innere Schähe nichk mehr kennen.
Doch: — Melnungsverschiedsnbeiten sind dazu da,
ewig gülkige Geseke. eben die Wahrheit wieder zu
tinden. Aüs der Fülle non Ansichien wird wabre
Ansäiauung geboren. Welkanfckaunng ist emige
Wnkrheik, weil sie über diele Welt hinaus, zu Motk
vorstötzk, einerlei ob sie der Gläubige oder der Un-
gläubige sucht!

Der Mensch von gestern und keute vermag solch'
hohes Zie! noch nichk zu sassen. Wir suchen ja nickt
das Einigende, sondern unkerskreicken das Trennende.
Kamvf iskj uns lieber als Friede im Haule. Die
Macht ist noch Tyrann der Menschheit. All unler
Sinnen und Trachten geht noch auf Ausbeuken
hinaus. Zch erinnere an Morte wie „Schüler.
oder M>enfchenmatelrilajl". Ausbeuten aber
schafst Reichtum einerseiks, bitterste Not anderer-
seiks. Auch ein Makerlalismus trägt schlietzlich
Früchke!

Der Mensch von heuke Ist blind für seelischen
Reichkum. Für ihn ist Wissen Macht! Der stntel-
lekkualismus unserer Tage ist-jedoch -nnr Teil der
vollen Wahrheik! Er bracht' uns um die Kunst, e-
schllf den Ätheismus, die Goktlosigkeik. Wissen ist
nicht gleickbedeukend mik WeiShelkl

„Die Melt schau an! Nimm, was außen. in Dich
auf!" Damit hast Du sedoch nur halbe Wahcheit!
„Änsehen" allein genügt nicht: Wahre Anschauung
mutz von unserm Leben durchpulst wevden. Die
Autzenwelt verlangk ats notwendiae
Ergänzung dIe II n n e n w e l k! M e h r n o ch :
dies« vergängliche Welt mutz in Bezie-

hung gebracht werden zur Ewigkeii.
WaSgehtvor sich, wenn wir anschauen?

Geben wir uns hierauf klare Antwort!-Wir

stehen vor einen reich beladenen Apfelbaume. Wie
verhalien wir uns?

„I.Wir erkennen das gebotcne Objekt. Dcr
lüniellekt, er kriit in Tätigkeit.

7.Das Objekt löst in uns eine Gefühlsbewe-
gung aus. Eine einolionelle Täligkeik ist Folge.
Lege ich besonderen Wert auf das Erkennen, so
führt diese Geistesarbeit zur Wissenschafk. Betone
ich dagegen mehr das Fühlen, lasse ich dieses gestal-
" "" " ' ' "üh'

ten, gelange ich zur Kunst." Eckennen und Fühlen
sind gewijserinatzen Pole, Gegensätzc. Erskeres sucht
das Objekt zu ergründen, im Subjekt festzuhalken.
Fühlen dagegen geht vom Subjekt auä und wird
objekkiviert. „Ilede der Tätigkeiten, Erkennen wie
Fühten sind in weitem Ausmatze von einander un.
abhängig." (Deri) Schon Goekhe sagt: „Mas man
genietzk, das braucht man nicht zu wissen".

E ine richtige We lsta nsschja u un g mutz
beide Geistesgaben zur Entfaltung
bringen; sie ergänzen sich zur Harmo-
n i e. Skellen wir's fest:

Kunsk und Wissenfchaft sind gleich-
wertige G e i s t e sg a b e n. Äur ihre 2 uel-
len sind verschieden, Keine darf die a n-
dere verdrängen, wenn die Harmonie
des GsistesiebenS nicht gefährdet
werden soll.

WaS bietet unsere Zeit, die heutige Schule dem
seine Fähigkeiten enkwickelnden Kinde? Der eigent-
liche Kunstunterricht Zeichnen und Gesang, wird
immer noch bei 30 und mehr Wsochenslmnden mit
höchstens vier Stunden abgetan. So d)e Stellung
der Kunst in unserer Schule! Vollgepsropft mil Wis-
sen verlassen unsere Schüler die Schule, ihre Her.
zensbstdung aber leidek Not! Die Äusbilduna des
Gefühls, wie auch des Wiltens wird vernachläsfigt
oder in falsche Bahnen geleitek!

Hier liegt die Wurzel dafür, datz eine hochent-
wickelke Kunst unserem Volke, unserer Zeit fehlt,
datz Kunstvev tändnis nicht mal in gebildeken Schich-
ten — Ausnahmen bestättgen die Regel — geschweige
denn im Volke fich findet!

War es schon anders im Lande der „Dichter und
Denker"? Lie Ankwort gibk das Mitkelalter, die
GMichke.

oede Einseitigkeik bringt Schaden!

stch lasse zum Beweise einen Mann der Wissen-
schaft sprechen, einen, der unserer unkergehenden
Zelt einen unauslöschlichen Stempel aufdrücktc:
Darwin. Er legt in seiner Lebensbeschreibung fol-
gendes, ihn ehrendes Geständnis ab: „stch halte bis
zum dreitzigsten stahre und stfnger an allerlel Mch-
 
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