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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 3 (März 1925)
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Bornemann, Hans: Schulkunstausstellungen
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Weltgeschichtliche Gründe des Begabungsverlustes
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0076

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08

Iedcä LebenSailer, jede Ark von Schule (ob Stadt-
oder Landschule, ob Bolks- oder höhere Schule, ob
Knaben- oder Mäd6)enlchule) mlißte besonders be-
rücksichligt werden. Am sichersten ist der Erfolg, wenn
solchc AuSslellungen in engen Zusammenhang mit
dsm bildhaften Gestalten der Schule gestellt werden
lwiuien. Älegn z. B. im Anterricht Iileine graphische
Arbeiten in Liiiol- oder Holzschnitt angefertigt wer-
den und die Schüler sich schon um die einsachen Pro-
bleme der Schwarz-Äeiß-Kunst durch eigene gestal-
lende Aibeit bemüht haben, so sind die Tore zur
richtigen Aufnahme dieser Kunstgattung geöffnet.
Man täusche sich doch nicht immer wieder, indem
inaii glaubk, mit Borführung von Kunstwerken und

anschliestender Besprechung lKuiistbelrachlung) elwas
Wcsentliches zu erreichen. Daä war schon dec llrr-
tum Lichtwarks. Am Anfang must vielinchr daS
durch eigene Gestallen, durch Ningen mit den
Werkstofsen und mit den kün llerischen Problemcii
(das Wort natürlich iin einsachslen Sinne genom-
men), erarbeitete LrlcbniS deS Schülers
stehen. Wer richtet nun solche kleine Wander-
niissiellungen ein, die nicht mehr als elliche gule
Blätter von allen und neuzeltlichen Graphiken cnl-
halten dürfen? Es wäre eine dankenswerle Tal
unseres Neichsverbandes, wenn er sich mit dem
„Bund fllr Schul-Kunstausstellungen" zu diesem Zweck
verbinden würde.

Weltgeschichtliche Gründe des Vegabungsverlustes

Wer sich iemals auf Neisen oder in Museen recht
mit Inbrunst versenkt in oie Eczeugnisse ursprling-
licher Bölker, bie wunderbare Ornamentik der ge-
flochlenen Körbe und Malten, die wie spielend ge-
formten Töpferwaren, die Muschelschalen, Perlen-
geflechle, Kuvserplatten, die verschwenderisch gestal-
tenreich ergossenen Speere, Dolche, Bogen, Schwer-
ter, Meijzeln, Aexle, Schilde, die Hörner, Trommeln,
üppigen Holzschnihereien, der lrägt unsehlbar dis
Ueberzeugung davon, hier sei alleä schlechkerdings
vollkommen, und wird nicht ohne Schmerz des
ringenden, ja gequälten Zuges gewahr in aller
höheren Kunst, zum wenigstens seit dem Mittelalter,
ganz zu jchweigen von der hokfnungslosen Dürre in
den sinnlichen Leistungsniederschlägen der Gegenwart,
die es ja sonst, ivie wir hören, über alle Begrifte
weit gebcacht hak. Seit uns diefe Welt einer gleich-
sam trauinsicheren Fülle des Schasfens mehr und
mehr erschlossen wurde, sind wir von der im Grunde
sogar mistverstehenden Ileberschätzung des Griechen-
kums zurückgekommen, welche das 18. Zahrhunderk
völlin und weite Strecken deS 1L. zum Teil be-
herrschte. Allein wir begreisen und würdigen sie als
eine Stuse auf dem Wege des Gedankens aus dem
Gesängnis des Glaubens an die Wertüberlegenheit
des unberührten Bildes der Welt und werden nichk
zögern, den Werken des griechischen Meitzels, wäre
eS auch nich! die vielberufene „Heiterkeit", so doch
wirklich etwas beizumessen von jener unbeirrbaren
Selbstverständlichkeit und zwingenden Eiaenart des
Natürlichen, die sie ttotz ihrem geisligen göhenklima
gleich den Schöpsungen der Primitiven mit dem
Schein umkleidet, als ob sie minder gemachk denn
gewachse» seien. Dieselbe zwangslose Sicherheit und
von sich sclbst nichl wissende Hoheit begegnet uns beim
„Natucmenschen" wieder in der Biegsamkeit seiner
Körperbewegungen, der taklreichen Mannigsalkigkeit
seiner Tänzc, die auch bei entsesselter Wildheit keines
Krastaufwandes zu chedürsen scheinen, nnd in voll-
endetems Ilnisino sesiW Wligeii Bräuche. Was wir
bei uns nur durch langcn „Drili" erzielten und was
dann linmer behaflet bliebe mit den unvermeidlichen
Hürten dcs „Einexerzierken", die Herrschast des
Nhylhmus in einer Gemeinschast von Menschen, das
lritl uns dort alä das Ergebnis einer geheimen Binde-
krast und gleichsam einer vitalen Gesinnung ent-
gcgen. Nechnen wir hinzu, datz auch die schwersten
Berrichlungen sestlich von statlen gehen, nämlich „>m
Takt und nach gemeinsamen Arbeilsgesängen', wie
w i r mitzverstehend die Poesie des Pslllgens, Säens,

Flachsbrechens, Spinnens, Webens, Flechkens, Scil-
drehens, Dreschens, Fatzbindens, Treidelns, NudernS,
i Schmiedens tausksn, so fühlen wir uns versucht, dem
AuSspruch des Novatis beizupslichlen: Genie sei
fder ursprüngliche Zuskand des Menschen.

Erst indem der Mensch diesem Zuslande einer ur-
fvrünglichen Genialität, richkiger des lricbhaslen
Cinklanges mit dem Äaturleben bei zunehmender
jGeisleSkullur entwuchä und lhn schlietzlich ruckartig
einbützte mlt Lem Lerelnbruch dec „Zivilisalion", hak
j sich an Stelle seiner die Erscheinimg der Einzelgcnies
i oder, bescheldener gesprochen, der individuellen Be-
! gabungen entwickelt, die, wie wir noch sehen wer-
den, zuletzk einer bestimmten den Borrang gelassen.
Zwar scheiden sich auch bei den „Nalurvölkern" die
Personen nach Gewerben und Kunsifertigkeilen,
und was gar die Griechen bckrifft, so finden wir
unter ihnen von den grotzen Begabungslypen recht
eigenklich schon Musterbilder: alleln wir brauchen
nur an die allverbreitete Gabe der dichterischen fim-
vrovisation bei jenen, an das Zucücklreken der Künst-
iernamen bei diesen zu denken, ciiigerechnel den Um-
stand, datz bis in die hohe Älütezell die grötzlen
Leistungen unler der Herrschast Les Mykhos skanden,
uin den gewalkigen Unlerschied gegen denjenigen Zu-
skand zu ecmessen, der uns mindcstens seit der Ne-
naissance geläusig geworden. Man kann, was sich
hiermik begeben, von vielerlel Seilen und aus den
verschiedenslen Gesichtspunkk würdigen: uns soll cs
hier nur in Nücksichl aus die Lehre vom Ausdruck
beschäskigen

tzede Äusdruckstatsache ift ein schlechkhin bcwutzk-
loser und milhin unabsichtlicher Borgangi nicht
gleichermatzen die Tätigkeit des Tanzens; ersl recht
nicht die Berrichtung geineinsainer Aräuche oder
gar mühsamer Arbeiten: vollends nichl der Gebrauch
eines Äerkzeuges, sei es zu nützlichen, sei es zu
Luxuszwecken. Wenn wir niin gleichwohl den Tanz
wie allein vom Pulsschlag deS LebenS hervorgcbrachk,
die Arbeik gleichsam gespielk und die Werke der
Menschenhand so slörungslos und wie ans sich selber
geworden sehen, datz wir nur schwer uns der Mühen
ihres Schopsers erinnern, so mutz das erreugende
Tun, obschon es ein Handeln war, nach Art eineä
Lebensvorgangeä verlaufen und der Wille darin ge-
wissermatzen verschwcitzl worden sein mil den Mäch-
len des BluleS. Während die uns !m Zuslrnd des
Wollens sasl allein noch ersahrbare Willkllr mil dem
Leben in Fehde liegk, so hal es den Anfchein, als
sei es auf jener Entwlcklungsstufe das Leben selber
 
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