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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 9 (September 1925)
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Kolb, Gustav: Der Blumenstrauß
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Groth, H.: Gedanken über Fachberatung
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0253

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ohi».' Borzeichnung. Aiidere zeichneten zuvor die
Hauptteile: Vase und Stiele mit dem Bleistift. Linlge
umgreiizteii von Anfang an eine Bildfläche auf
ihrein Zeichenblatt, wie wir es stets bei dekorativen
Füllunaen machten. Andere zeichneken frisch ins ganze
Blakt pinein. '

DaS Ergebnis war in mancher Linsicht psycholo-
gisch werkvoll. Keino Arbeit stellte etwaS Derartiges
dar, was man eine Gedächtnisimvression heijzen
könnke, also eine aedächtniSmähiae Äiedergabe des
Erschelnungsgemäjzen. Sondern atle Arbeiten waren
zujammengebaut aus Merkmalen der Blumeii und
Blätter, wie sie in der Borstellung der einzelnen
Schülerinnen yaften blieben. Die jo enkstandenen
zeichnerischen Lebilde sind aljo wohl durch einen un-
mittelbaren Sehakt angeregt, aber trotzdem keine
„wahrnehmigen" sondern „vorstellige" Darstellun-
gen geworden. Sle zeigten, datz die Schülerinneii
enkfernt noch nicht reif waren zu jener erkenntnis-
mätzigen Objekttvation der Umwelt, die Boraus-
setzung zu jedem Naturstudium isk.

Aber etwas anderes war erreicht. Fast alle Ar-
beiten zeigten jenen ungehemmten rhythmischen Flutz,
der sich immer dann einslellt, wenn daS Gestalten
auS bewegtem lünnenleben flietzt. So waren nn-
gewollt rbythmiich.ornamentale Flächenfllllungen ent-
jtanden. Die „vorstelltge" Darstellungsweise eignet sich
ja, wie wir an der Kunst der Aegypter, Babylonier
nnd der Naturvölker jeyen, hervorragend für orna-
mentale Auswertung. Wie individuell verschieden die
Lösungen waren unü wie die Phantajie mitwirkte,
möge inan an üen verkleinerken Nachoildungen er-
sehen (siehe Beilage), die allerdings des Hauptreizes,
der Farbe entbehren.

2n Abbildung 1 sind die runden einfachen Formen
der Blumen in bewegte Kurven aufgelöst. Statt der
geschlossenen Farbflecke sind lineare Gebilde entstan-
den. Die Zeichnerin ist ausgesprochene Mokorikerin,
was sich auch ln dem bewegten Spiel der Blätter
kundgibt. Freiheit, Ungebundenheit, Bewegtheit ist
das Kennzeichen dieser Arbeit. Den Tegeusatz dazu

bildet Abbildung 2 mit ihrem strengen jyiiiinetrijcheii
Aufbau. Die Blumen sind zu sternförmigen Gebilden
umgewandelt. Die Zeichnerin gehört dem darstelleri-
schen Typus an. Abdildung 3 steilt die grötzte Phantn-
jieleistung dar. Die Schülerin bejchränkt sich nicht auj
das Gesehene. Der Frllhling mit seinein ganzen Znu-
ber schwebt ihr vor und sie füllt ihre Schmuckjlnche
mit dessen Symbolen. Da diirjen Soiine und Schmel-
terlinge nicht fehlen. Ganz reizend, wie sie üen 2 Ecken
entsprechend, 2 Sonnen oben anbringt und damil
in naiver Weise, rein unbewutzt in ihrer Lösung die
„Berbindlichkeit zu den Eckwinkeln" zuin Ausdruck
bringt. llhr Bild ist auch mit besonderü leuchteiiüen
Farden gemalt: die Sonnen oben mik starkem Gelb
und roter Zeichnung, die Blttten rot und blnu >»>l
gelbem Kern, die Schinetterlinge rot mlt gelber
Zeichnung, die Base in hellem und dunklem Blnu.
Die Zeichnung ist bis auf iveniges an üer Base und
an den Schmetterlingen sponiaii unmittejbar mit
dem Pinsel mit stzirker rhylhmischer Bewegung hin-
gesetzt. Wenn man die Leistungen dieser kleinen
Schülerin nach technischen Gesichtspunlrten wertele,
käme sie schlecht weg; denii sie ijt ausgejprochen
daS, was man hnndungejchickt heitzen kann. Aber
sie ist voll innerer Bilder unü jo einS mit ihiie»,
üatz sie buchjtablich mil ihren zeichnerischen Gebilden
lacht und weint, je nachdem ihr etwaS gelingt oder
mitzlingt. Ab unü zu erzählt sie mir mit tcaurigen
Augen: «Nteine Mutler hat gestern wieder gesagt:
«Latz nur dein Schmieren sein, du bringst ja doch
nichts fertig." Wir beide erlebten aber mit einander
unbeschreiblich schöne Stunden. Am Ende deS Schul-
jahres kam sie nach der letzten Stunde zu mir her
und sagte: „Herr Professor, öarf ich nachher nicht
noch eine Weile dableiben und noch etwas malen?"
Dann trat sie ganz nahe auf mich zu und flüjterte:
„Wissen Sie, ich habe Sie so lieb, datz ich immer bei
ihnen bleiben möchte." So bin ich in meiiiem Alter
noch zu einer Liebeserklärung gekommen, auf die ich
aber jtolzer bin, als wenn mir ein hoher Orden züteil
geworden wäre.

Gedanken über Fachberatung

von H. Groth, Essen.

Nachstehende Aufzeichnung verdankt ihre Ent-
skehung der langjährigen Beobachtung einer Einrich-
tung, oie unter anderen Borausjetzungen und Be-
dingungen Lrfolge erzielen konnte, deren Ausbleiben
jedoch vielfach bittere Enttäuschung für vtele gebracht
hak.

Forderung.

Gedacht ist an etne amtliche Stelle, die oon dem
Fachberater der Provinz eingensmmen wird. Dieser
mutz eine Persönlichkeit jein, die für daS künstlerijche
Lehramt ausgebildet worüen ist und die sich durch
künstlerische und pädagogische Tätigkeit Keniitnis
und Erfahrung auf üem Gebiete der Kunsterziehung
erworden hat. Die besondere Einstellung auf die Bil-
dungsziele der Mädchen, auf ihre Wejensart in see-
lischer Beziehung, auf die Ausbildung der Gestal-
tungskräfte in praktlscher Hinsicht lassen es als not-
wendig erscheinen, datz für Mädchenschulen geelg-
nete weibliche Fachberater angeftellt wer-
den.

Pslichken.

Die Pflichten der Fachberater erstrecken sich nichl
nur auf die Beratung der Lehrkräfte für oen Zei-
chen- und Kunstunterricht an den höheren Lehranstal-
ten, sondern beziehen sich auch auf den Gestalkungs-
unterricht und üie Beratung der Lehrkräfte für die-
sen Unterricht an den Mittel- und Bolksschulen. Zu
einer erfolgreicben Tätigkeit der Fachberatec ist
nötig, datz bleselben

1. häusiger dem Gestalluiigsunter-
richt in den einzelnen Schule»
ihres BezirkS beiwohnen, AuS-
kunft in allen Fachsragen erleilen
und ihre beralende Tätigkeit aus-
ü b e n;

2. die persönliche Weiterbildung der
Kunstlehrer unterstützen und sör-
dern helfen;

3. gelegentlich Fachbesprechungen ein-
richten, die für Kandidaten und
 
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