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Zlrken auf dem Felde, das 2esuskindchen in der
Krippe, den Meivnachtsengel wie er durch dle blaue
fternennlänzende Winternacht fliegt, den Stern von
Bethlehem und die Weisen aus dem Morgenlande,
die Fluchk nach Aegypten. Dazu allerhand dekorative
Farvenspiele, Flillungen von Flüchen mlk Zierllnien
und Farbflecken.
Als der Schnee ansblieb, inalken wir das Wunder
der mit Aauhreif verzuckerken Bäume, daS man nir-
gends schöner erleben kann als am Nande unserer
Schwäbischen Alb, und um Fastnacht herum lustlge
Kasperle, Masken- und Konfetkiornamente.
Miktlererweile war der Februar zu Ende. So sehn-
süchtig nun aber die kleinen Herzen Schnee und Eis
erwarket hatken, so ungeduldig wurden sie, als der
Frühling mit seinen ersten Blüken nicht kommen
wollke. Der ganze März war natz und kalt. Mie vor-
her dsr Winter, so betrog uns der Vorfrühllng um
seine Freuden. Da zelchneken wir den zähen alken
Winker, wie er von dem holden Knaben „Frühling"
davongejagt wsrd. Dann schütketen wir aus dem
Füllhorn unserer Phankasie Wunderbiumen und
Wnnderschmetkerlinge aus, füllken Flächen mit Ihnen
und malten limrahmungsn zu Bersen, die den Friih-
ling beschworen, endlich zu kommen.
„Ach wie ist der März so kalt.
Lleber Frühling komm ooch bald,
Bringe Blumen, Schmekkerlinge
Ilnd noch andre schöne Dinge!
Lajz auch warm die Sonne schelnen,
Sonst musz lch ganz schrecklich weinen."
Nicht wahr, dieses Gedicht ist zum Melnen schön?
Aber ganz gleich, die luskige kleine Anellese hat es
gemacht und wir alls fanden es sehr gut und wert,
aufgeschrieben und mit bunten Blumen und Schmet-
kerlingen umrahmt zu werden.
And noch elnes wählken wir aus:
Du lieber Frühling! bald kehrst du wieder,
2ch weijz, ich weiiz, bald kehrsk du wieder.
O nur ein Weilchen,
Ilnd blaue Lieder duften wie Beilchen.
Das hat aber kein Mädchen sondern ein richtiger
Dichker gemacht.
Wir hatken nun gelernt, eine mit dem Pinsel ge-
schrlebene Schrift schön zu umrahmen. Nun malken
wir Ostergrüke, Geburtstagswünsche, u. a. m.
Bei allen diesen Aufgaben hakken wir aus unserem
llnnern geschöpst und weder die äuszere Natur noch
viel weniger Irgendwelche Abbildungen zu Rate ge-
zogen.
So ging das erske Zeichenjahr zu Ende. Den Ab-
schlusz bildete ein Bersuch, den ich zunächst aus psy-
chologischen Gründen anstellte. 3ch wollte feststellen,
wie die kleinen Mädchen einem Nakureindruck gegen-
über sich verhielten. Äie Beranlassung dazn-gnb- ein
vom Gärtner bezogener BlumensLraujz, der aus weib-
gelben, goldgelben und warmroken Blumen einer Gat-
kung des frühblühenden Ranunkulus und auS
Blülkern des seingliederigen Spargelkrautes zusam-
>n/ngestellt war. 2ch skeckte den Strauh in eine blaue
Base und stellke ihn vor der Zeichenskunde vorn im
Saale so auf, datz die Blicke der Mädchen darauf
sallen mujzken. Was Ich erwarkek hakke, trat ein. Sie
jubelten auf beim Anblick des Skrauhes und sponkan
stellte sich der Wunsch ein: „So ekwas möchten wir
auch malen!"
Bon einem ersü)einungsgemäjzen Zelchnen oder
Aialen nach der Nakur kann aber, wie wir wlssen,
auf dieser Skufe noch keine Nede sein. Das ist eine
Sache für sich und will besonders gelernt sein. Ber-
anlaszke man die Schülerlnnen dazu, sie slellken doch
nicht nach der Nakur dar, wie man aus vielfälkiger
Ersahrung weijz, sondern aus der Borskellung.
Was grosze Kulturvölker wie dle alten Aegyp-
ker nie lernten und ein so kunstbegabkes Bolli
wie die Griechen erst nnch llahrhunderken ernslhas-
ter Kunstübung, das ist für unsere Schiiler eine
schwere vache und in dem Älter vor der elgentlichen
Reife eine unmögliche Sache. Der Schritk von der
naturgewachsenen „vorstelligen" Bildsprache des Kin-
des zur bewuhten „wahrnehmigen, erscheinungs-
gemüßen Darstellung der Außenwelt ist psychologisch
bekrachkek, ein ungeheurer. Er mutz im Unkerricht mlk
grüszker Behutsamkeit gegangen werden, will man an-
oers nicht einen Bruch in der natürlichen Enkwick-
lung des kindlichen Ausdrucksvermögens herbeisüh-
ren und damit die eigentriebige kindliche Ausdrucks-
lust des Kindes töten.
Damit ist das ernste Problem, um das es sich hier
handelt, kurz umschrieben. Der hler gezeigke Anker-
rlchtsversuch war also zunächst ein vorsichkiges Tasken,
ein Fühlerausstrecken, ein Suchen nach einer Aeber-
leitung von der „vorstelligen" zur „wahrnehmigen"
Darstellungsweise.
2ch liesz die Schülsrinnen heraustreken auf den
freien Plasz vor den Sihreihen. Den Strausz hatke ich
erhöht, allen sichtbar, vor einem weiszen Ainkergrund
aufgeskellt. Wir bekrachteten ihn nun miteinander und
fanden, dasz die Blumen ganz anders geformt waren
als die Bläkter: die Blumen zeigken runde, geschlos-
sene, zusammengeballte Form, die Blätker offene, zer-
keilke, gegliederte Form. Die Blunien waren geformt,
wie man die Hand zur Faust ballt, dip Vläkker wie
die geöffneke Aand, wenn man die Finger ausstreckk.
Mir schlossen und ösfneken die Hände und erlebken so
diese Formungen. Auch zeichnete ich diese Formen
mit wenigen Skrichen an die Wandkafel. Dann be-
krachteken wir die Farben des Straukes und bewun-
derten die Sonnenfarben der leuchtendgelben, orange-
gelben und zinnoberroken Blumen, das helle warme
Grün der Blätker und das srohe Blau der Base.
Wir fanden, daß diese Farben ein Sinnbild des
FrühlingS darstellten, den wir so sehnsllchtlg erwar-
teten: das Gotd der Sonnenstrahlen, die alles Leben
wecken, das erste Grün der Miesen und daS lichte
Blau des Frühlingshimmels. Die durchblickenden wei-
hen Skellen des Hintergrundes hinker unserem Skrausz
erinnerken uns an weiße Wölkchen, die im Himmel
schwimmen.
Hierauf wurde der Strauh aus dem Gesichkskreis
der Schülerinnen entfernk, die Zeichnungen an der
Wandtasel ausgewischt. Die Schülerinnen nahmen
ihre Plahe ein und frohes eifrlges Arbeiten begann.
Die Aufgabe lautete: „Malek einen solch schönen
Strausz.
llm Aebrigen wurde vollständige Bewegungsfrei-
heit gegeben. 2ch beschränkte mich auf das Zusehen.
Die Schülerinnen arveiteken verschieden. Einige nah-
men ohne Weikeres den Pinsel zur Hand und malten
Zlrken auf dem Felde, das 2esuskindchen in der
Krippe, den Meivnachtsengel wie er durch dle blaue
fternennlänzende Winternacht fliegt, den Stern von
Bethlehem und die Weisen aus dem Morgenlande,
die Fluchk nach Aegypten. Dazu allerhand dekorative
Farvenspiele, Flillungen von Flüchen mlk Zierllnien
und Farbflecken.
Als der Schnee ansblieb, inalken wir das Wunder
der mit Aauhreif verzuckerken Bäume, daS man nir-
gends schöner erleben kann als am Nande unserer
Schwäbischen Alb, und um Fastnacht herum lustlge
Kasperle, Masken- und Konfetkiornamente.
Miktlererweile war der Februar zu Ende. So sehn-
süchtig nun aber die kleinen Herzen Schnee und Eis
erwarket hatken, so ungeduldig wurden sie, als der
Frühling mit seinen ersten Blüken nicht kommen
wollke. Der ganze März war natz und kalt. Mie vor-
her dsr Winter, so betrog uns der Vorfrühllng um
seine Freuden. Da zelchneken wir den zähen alken
Winker, wie er von dem holden Knaben „Frühling"
davongejagt wsrd. Dann schütketen wir aus dem
Füllhorn unserer Phankasie Wunderbiumen und
Wnnderschmetkerlinge aus, füllken Flächen mit Ihnen
und malten limrahmungsn zu Bersen, die den Friih-
ling beschworen, endlich zu kommen.
„Ach wie ist der März so kalt.
Lleber Frühling komm ooch bald,
Bringe Blumen, Schmekkerlinge
Ilnd noch andre schöne Dinge!
Lajz auch warm die Sonne schelnen,
Sonst musz lch ganz schrecklich weinen."
Nicht wahr, dieses Gedicht ist zum Melnen schön?
Aber ganz gleich, die luskige kleine Anellese hat es
gemacht und wir alls fanden es sehr gut und wert,
aufgeschrieben und mit bunten Blumen und Schmet-
kerlingen umrahmt zu werden.
And noch elnes wählken wir aus:
Du lieber Frühling! bald kehrst du wieder,
2ch weijz, ich weiiz, bald kehrsk du wieder.
O nur ein Weilchen,
Ilnd blaue Lieder duften wie Beilchen.
Das hat aber kein Mädchen sondern ein richtiger
Dichker gemacht.
Wir hatken nun gelernt, eine mit dem Pinsel ge-
schrlebene Schrift schön zu umrahmen. Nun malken
wir Ostergrüke, Geburtstagswünsche, u. a. m.
Bei allen diesen Aufgaben hakken wir aus unserem
llnnern geschöpst und weder die äuszere Natur noch
viel weniger Irgendwelche Abbildungen zu Rate ge-
zogen.
So ging das erske Zeichenjahr zu Ende. Den Ab-
schlusz bildete ein Bersuch, den ich zunächst aus psy-
chologischen Gründen anstellte. 3ch wollte feststellen,
wie die kleinen Mädchen einem Nakureindruck gegen-
über sich verhielten. Äie Beranlassung dazn-gnb- ein
vom Gärtner bezogener BlumensLraujz, der aus weib-
gelben, goldgelben und warmroken Blumen einer Gat-
kung des frühblühenden Ranunkulus und auS
Blülkern des seingliederigen Spargelkrautes zusam-
>n/ngestellt war. 2ch skeckte den Strauh in eine blaue
Base und stellke ihn vor der Zeichenskunde vorn im
Saale so auf, datz die Blicke der Mädchen darauf
sallen mujzken. Was Ich erwarkek hakke, trat ein. Sie
jubelten auf beim Anblick des Skrauhes und sponkan
stellte sich der Wunsch ein: „So ekwas möchten wir
auch malen!"
Bon einem ersü)einungsgemäjzen Zelchnen oder
Aialen nach der Nakur kann aber, wie wir wlssen,
auf dieser Skufe noch keine Nede sein. Das ist eine
Sache für sich und will besonders gelernt sein. Ber-
anlaszke man die Schülerlnnen dazu, sie slellken doch
nicht nach der Nakur dar, wie man aus vielfälkiger
Ersahrung weijz, sondern aus der Borskellung.
Was grosze Kulturvölker wie dle alten Aegyp-
ker nie lernten und ein so kunstbegabkes Bolli
wie die Griechen erst nnch llahrhunderken ernslhas-
ter Kunstübung, das ist für unsere Schiiler eine
schwere vache und in dem Älter vor der elgentlichen
Reife eine unmögliche Sache. Der Schritk von der
naturgewachsenen „vorstelligen" Bildsprache des Kin-
des zur bewuhten „wahrnehmigen, erscheinungs-
gemüßen Darstellung der Außenwelt ist psychologisch
bekrachkek, ein ungeheurer. Er mutz im Unkerricht mlk
grüszker Behutsamkeit gegangen werden, will man an-
oers nicht einen Bruch in der natürlichen Enkwick-
lung des kindlichen Ausdrucksvermögens herbeisüh-
ren und damit die eigentriebige kindliche Ausdrucks-
lust des Kindes töten.
Damit ist das ernste Problem, um das es sich hier
handelt, kurz umschrieben. Der hler gezeigke Anker-
rlchtsversuch war also zunächst ein vorsichkiges Tasken,
ein Fühlerausstrecken, ein Suchen nach einer Aeber-
leitung von der „vorstelligen" zur „wahrnehmigen"
Darstellungsweise.
2ch liesz die Schülsrinnen heraustreken auf den
freien Plasz vor den Sihreihen. Den Strausz hatke ich
erhöht, allen sichtbar, vor einem weiszen Ainkergrund
aufgeskellt. Wir bekrachteten ihn nun miteinander und
fanden, dasz die Blumen ganz anders geformt waren
als die Bläkter: die Blumen zeigken runde, geschlos-
sene, zusammengeballte Form, die Blätker offene, zer-
keilke, gegliederte Form. Die Blunien waren geformt,
wie man die Hand zur Faust ballt, dip Vläkker wie
die geöffneke Aand, wenn man die Finger ausstreckk.
Mir schlossen und ösfneken die Hände und erlebken so
diese Formungen. Auch zeichnete ich diese Formen
mit wenigen Skrichen an die Wandkafel. Dann be-
krachteken wir die Farben des Straukes und bewun-
derten die Sonnenfarben der leuchtendgelben, orange-
gelben und zinnoberroken Blumen, das helle warme
Grün der Blätker und das srohe Blau der Base.
Wir fanden, daß diese Farben ein Sinnbild des
FrühlingS darstellten, den wir so sehnsllchtlg erwar-
teten: das Gotd der Sonnenstrahlen, die alles Leben
wecken, das erste Grün der Miesen und daS lichte
Blau des Frühlingshimmels. Die durchblickenden wei-
hen Skellen des Hintergrundes hinker unserem Skrausz
erinnerken uns an weiße Wölkchen, die im Himmel
schwimmen.
Hierauf wurde der Strauh aus dem Gesichkskreis
der Schülerinnen entfernk, die Zeichnungen an der
Wandtasel ausgewischt. Die Schülerinnen nahmen
ihre Plahe ein und frohes eifrlges Arbeiten begann.
Die Aufgabe lautete: „Malek einen solch schönen
Strausz.
llm Aebrigen wurde vollständige Bewegungsfrei-
heit gegeben. 2ch beschränkte mich auf das Zusehen.
Die Schülerinnen arveiteken verschieden. Einige nah-
men ohne Weikeres den Pinsel zur Hand und malten