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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 8 (August 1925)
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Öffentliche Hauptversammlung des Reichverbands akad. geb. Zeichenlehrer, des Reichsverbands akad. geb. Zeichenlehrerinnen
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Fichtner, Fritz: Die Beschäftigung mit psychologischen Grundlagen der Kunsterziehung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0212

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203

wie sie eben gezeichnet wurde, überwunden. Es wird
uuch nicht schaden, wenn das Klnd, der junge Mentch,
iu seinem schöpferischen Drange sich einmal eine Auf-
gube vornimmt, vor der vielleicht der Künstler zu-
riiclischreckt. Der Zelchenunkerrlchk soll den Schüler
besähigen, äuszere Eindrttcke und innere Erlebnisse
uuszudrücken, und natürliche Anlagen zu schöpferl-
schein Gestalken in ihijem Machskum fördern und sich
der individuellen Eigenart anpassen.

DaS lilingk verstiegen, aber auch mir gehk es so:
Wenn ich ourch eine Ausstellung von Schülerarbei-
leii hindurchgehe, dann sehe ich, datz schon und gerade
mil jungen Kindern sich ekwas davon erreichen lähk,
duh bereits das Klnd selne individuelle Ausdrucks-
sähiglieit in der Zeichnung oder sonskwie zum Aus-
dmck bringen kann. Auch ich bin erstaunt, wie einer
der Herren Vorredner, was gerade der Zeichenunker-
ilchk, den ich als elnen Schrlkkmacher der Kunst-
erzlehung überhaupt bezeichnen möchke, doch auf die-
sein Gebieke schon erreicht hat und weiker erstrebk.

Der Musllrunkerrlchk, der setzt alücklicherweise sei-
uei» älkeren Brüder in der Kuiisl — wenigskens in
der Schule — nachfolgt, hak sich autzerhalb der Schule
siels ganz gut befunden. Auch auf dem Gebieke der
Alusik wlll die preutzische Schulresorm die im Men-
schen liegenden musischen Kräfke sördern. Es sollen
Äeslihl, Phanlasie, Geskalkungswllle und Gestalkungs-
vermögen von der musikallschen Selke her enkwickelk
werden, um so der Enkwlcklung der gesamten Persön-
lichlieiksbildung zu dienen. Äls Mlkkel zum inneren
irrleben musischer AusdruckSwerke musikalischen
Schaffens lsk die Anregung der Phankasie zum musi-
luilischen Empfinden nokwendig. Darum müssen schon
uus der Ilnterskufe dle Schüler zur selbskändigen Bil-
duiig rhykhmischer Formen angehalken werden. tzch
habe solche Kompositionen der kleinen Sexkaner ge-
hvrk. Es war nichk blotz sehr hübsch und niedlich,,
ueiu, es war mehr. Es zeigt sich, datz hier genau wie
beiiu Zelchenunkerrlcht Kräste vorhanden stnd, die nur
uugerührk zu werden brauchen, um enkbunden zu wer-
deu. Wir haben darum auch die Nadelarbeit nicht
mehr eingeskellk auf das Flicken, auf den üblichen
Slruinpf und das entsetzliche Tuä), das beskickt wurde,
soudern wir haben es als Kunskfach aufgezogen, es
erslrebt die Freude an geskalkender Täkigkelk.

Der Turnunkerrlchk, der leicht in der Gefahr isk.
sich zu einem Frledensskörer in unserer höheren Bil-
d»ug zu enkwickeln und von seiken bes Sporks viel-
such, ich möchke sagen das gesamke seelische Leben des
kiiudes aufzufressen, dieses Turnen kann nur dann slck
iu den Vildungsorganismus einordnen, wenn es
ebeufalls diese ästheklsche Einskellung zur Arbeik,

wenn es vor allen Dingen den Segen des Spieles,
das wesenklich ästhetischer Natur ist, zum Ausdrück
bringt.

Nun llbernehmen sämtliche Fächer — und das ist
das Neue — diese äskhekische Einstellung zur Arbeik.
Wir wollen jeht die Selbständigkeik des Drteils, Ge-
mlik, Phankasie und Willen enkwlckeln uud machen
diese Frage zur mekhodlschen Grundfrage alleS Anker-
rlchks. Wir wollen vou hier aus die besken und srnchk-
barsten Kräfke unserer Vildung veredeln, indem auch
wir nicht bloß die produkkiven Kräfke des Kindes
in Täuschung und Vekrug und Mogsln sich enkwickeln,
lassen, wo auch jeder Vater die Augen niederschlageu
muß, denn auch er hat sich daran mitbeteiligk. Mir wol-
len die produkkiven Kräste des Kindes enkwickelu, wir
wollen auch bet der häuslichen Arbeit Seelenkräfke
heranziehen, die bisher in der höheren Schule völlig
unentwickelt geblieben sind. Es konnke doch eiu
Mensch das Abikurienkenexamen machen, er konnke
vielleichk auch durchfalleii und seiue Lehrer und die
ganze Schule wutzken nichk, dasz er ein kief inusilia-
llsäzer Mensch war. Häkte er der Prüfnngskominis-
sion, anstatt eine chemische Formel nlchk zu wissen
und am Livius herumzustoppeln, elne Veekhoven-
sonate vorgespielk, ich glaube, die Prttfiliigskommis-
sion wlirde In threm Gesamiurkeil kiber diesen Men-
jchen — damals vielleicht nur Im gerzen — auderer
Meinung gewesen sein. 3eht mutz dafür Sorge ge-
kragen werden, datz In der neuen PrüfungSordniing,
die wlr vorbereiken, alle diese Merke, alle dlese Kräfke
bei der Veurkeilung der Gesaiukpersönllchkeik bewer-
kek werden, denn ich habe vielfach erlebk, datz das
Mikkelmntz und die Mikkelmätzigkeit durch die Prü-
fungsordnung geförderk wurden, datz wir aber eine
Aebung des Nlveaus durch die bisherlge Form der
Komvensation nichk errelchk haben. Wir müssen da-
ür sorgen, datz nicbt mehr die Kennknisse, wenn Ich
o sagen darf, dle Leiskungen, sondern die Letskungs-
ähigkeit des Menschen geprllkt wird. Es mutz ge-
prüft werden, ob er die Arbeiksmekhoden, die er,
ganz gleich an welchen Skoffen, gelernk hak, auf selbst-
ewählke Stoffe und lhm auferlegke Stoffe anzuwen-
en in der Lage lsk, damlk er nichk mehr das, wns er
zur Prüfung sich eingeochst hak — mancher kuk selbsk
das heukzukage nicht mehr —, schon nach der Prüfung
vergitzk und alle Vücher In die Ecke wirft uud damik
gleichzeiklg auch das Gelernke wegwirft. Was bleibk
schlietzllch übrig? Niä)ts anderes als das Gesühl,
behördlich abgestempelk und auS der missra plsbu
Herausgehoben zu sein.

(Schlutz fokgt.)

Die Beschäftigung mit psychologischen Grundlagen
der Kunsterziehung

Vorkrag bei der öffenklichen.HMplversammlung der Neichsverbände akad. geb. Zeichenlehrer und

akad. aeb. Zeichenlekrerinnen in Dresden. Pfingsten, den 3. tzuni 1025 von Q. .

vr. plül. <? ritz Fichkner, Privakdozent Techn. tzochschule, Dresden. (Schlutz) x . /

IV. Der tznhalk der Kunstpsychologie.

Sinen Ueberblick über das Gesamkgebiet der Kunst-
pjychologie zu geben, ist in diesem Äahmen unmög-
llch. Es sollen aber wenlgstens einige Fragen ge-
jlreisk »nd damik ein flüchtiger Blick in ein herrliches
uud heiliges Land geboten werden, dessen Bearbei-
iuug allen Kunsterzlehern Ehrenpslicht sein mützke.

Zuvor aber ist der Name Müller-Freienfels zu nen-
nen, denn er hat das Verdienst, meines Wissens alS
erster wlchklge Gebieke zusammenfassend dargestellk
zu haben*.

* Dab von Müller (FrelenfelS) überall Fragen offen gelasien
werden, dars ihin nicht zum Borwurf gemacht werden.
 
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