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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 3 (März 1925)
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Gärtner, Paul: Erziehung zur Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0072

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werde» mub, um allen uickontroliierbar wirlrsam
werdende», in dieser Richtung verderblich wirkenden
Ciiislüssen von vornherein einen zur Kritik und Ab-
iehnung sähigen Geist und ein sicheres Gefühl gsgen-
überzuslellen, Hierfür ist es von ausschlaggebenüer
Aeüeutling, dasz die Bewegung für das künstlerisch
hochwerlige llugendbuch sich auch der Schulbücher,
vor allem der Fibel bemääzligt hat. Ohne hier

auf den lextlichen 2nhalt derselben einzugehen, dsc
sür die literarijche Erziehung von Bedeutung
ist, will ich sagen, dajz nacl) meiner Ueberzeugung
die von Eugen O h w a ld-Mlinchen illustrierte
„Aärenfibel" sür Berlin zu den am höchsten
stehenden Hilssmilteln der Kunsterziehung gehört.
ÄNt ihr bin ich an die Arbeit gegangen und habe
versuchl, an ihrec Hand die (örundsteine so zu sehen,
wie ich die Äusgabe sah. Der Künstler erleichtert
die Arbeit dadurch, dah er mit takt-, aber doch kraft-
voller Sicherheit reine, schöne Farben gegeneinander
abwägt, den Aaum kiinstlerisch und schlicyt gestaltet
und eine Flille von lebensvollem Humor und Freude
in seine Bilüec streut.

Vegen das Lnde des ersten Schulsahres —
wir hatten die Llemente des Lelenlernens außer-
halb der Fibel erledigt und diese bis dahin vor
allem literarisch benutzt — schien mir die Gelegen-
heit günstig, um einmal ins Bild hineinzusteigen.
Ich mujz dabei erwähnen, datz mir an diese Äufgabe
nicht ganz unvorbereitei hdrmrgingen,' wir haben —
ich weijz nicht mehr genau, in welcher Schulwoche —
beim Aufbau unsrec Äechenaufgaben auf der Tafel
schon ziemlich srüh aus eine besriedigende Raum-
verleilung geachtet, schon nicht mehr die linke Seite
öer Taselfläche allein gefüllt, vielmehr uns bemüht,
die Gesamtheit des Stosfes harmonisch und „im
Gleichgewichl" über die ganze Fläche zu verleilen,
dabe! nach dem Aand h!n auf allen Seiten den nach
unserm Gefiihl erforderlichen Absland zu wahren.
So war recht schnell ein sicheres Gefühl flir das
räumliche Gleichgewicht geweckt und gestärkt und

durch das tägliche Selbstlun und Gestallen gepslegt
worden, so dah wir nicht ohne Grundlage und jchon
mit einigem räumlichen Berständnis an das eisle zu
betrachtende Bild herankamen.

Auf der 46. Seite der Bärenfibel bringt Ojzwald
eine Schluszleiste zum Lejestücklein „Beislecken"; von
den siebsn Geißlein ersajzt er zwei, die dem bösen
Wolf zu entwijchen juchen. Ein liesblauer Limer
auf der rechten Seite der Leiste steht einem grünen
Wandfleck aus der linken gegenüber, beide sind ver-
bunden durch einen matten, hellgraubraunen Ton, der ^
in einem Schrank und dem Fickboden gegensländ-
lich gesajzt wird. Das „Gewicht^der Farben Blau
und Grün wird durch weijze Flecke gegeneinander ab-
gestimmt, und es wird zunächst diese Abstimmung und
Auswägung gefühlsmäsiig ersajzt und beobachtet,
dann aber zum ersten Mal sestgejtellt, wis der stünsl-
ler diese schlieszlich besriedigend wirkende Löjung der
Farbenabstimmung gegenständlich sormt, wie er das
wenige Weih auf dec Blaujeite in dem Köpschen der
Ziege verkörpert, die sich im Limer verbergen will, es
aber nicht unterlalsen kann, über den Aand neu-
gierig-ängfllich nach dem Wolf zu spähen, während
die dunkelschatlierte Grünseite durch einen grösieren
Weijzfleck ausgehellt wird, der zu einem ganzen, sich
vorsichtig und in charakteristisch zickleinhaster Haitung
und Anmut in den Schrankwinkel schmiegenden
Tierchen gestaltet isk. Das war eine Stunde voll
angespannter Arbeit und sasl restloser Beleiligung,
voll von einer bis dahin unvekannten Freude. sich
selbst war überrascht von der starken verständnissreu-
digen Teilnahme meiner doch noch so jungen Buben.
Wir haben die Auswertung und gegenseitige Abslim-
mung von Farben nun fleiszig betrieben »nd ohne
sigürliche Gestaltung der Farbenslecke viel mit bun-
der Kreide an der Wandtafel gearbeilel, und auch
dieses Operieren mit abjolulen Farbslecken hal be-
geisterte Mitarbeiter gefunden. 6ch habe manches
Mal in Bersuchung geschwebt, irgendein moderneS
Bild absoluler Farbenkunst in die Klasse zu
bringen, um seine Wirkung zu beobachlen, habe eS
aber unterlassen, um langsam und ruhig vorwärls zu
gehen. Aber ein Bergleich des in drei scnkrecht
nebeneinanderliegenden Schichten aufgebauten Bll-
des von den Zicklein mit dem in wagerechter

Schichtung konstruierlen Bide auf der Aachbarseile
drängte sich doch auf und dic Farbenreihe vom Blau
zum Grün oder umgekehrt und die des anderen
Bildes vom sandfarbenen, rot belonlen Orange über
Grün zum Blau lag nach unsern Wandtaselstudien
über verwandle und fremde, schwere und leichle,
kalte und warme Farben zu klar auf der Hand,
um überfehen zu werden. Daneben sahen wir auch
 
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