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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 4 (April 1925)
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Roemer, G. A.: Psychologische Untersuchungen mit neuen Methoden an den höheren Schulen Württembergs
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0103

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Dnmit ist nicht g»sagt, dcch wir mit dieseir Atetho-
öeii ii> jeder Hinsicht schou aus sicherem Boden
ttetiein Dr. Noemer ist oiel zu grllndiich, um >das
seivst zu glauben. Die 'Sache Iinim meines Erachtens
»ur Lanii vollstäiidig gelilärt imd für das Lebeu
uiileres Bollres srijchtbar werden, wenn dle gesa»»te
Levrerschaft initarbeilet. Fllr unS Zeichenlehrer hal
sle schon üeshalb Jnteresse, wcil wir etn Aus-
dvucksgebiet innerhalb der Schule vertreten, das
sllr die Psychologie besonders aufschlujzrsich tst.

DeShalb beteiligte ich mich an der dem Bortrag
solgenden Aussprache. Ich wies darauf hin, das;
eine Alenge von Fragen auftanchen, z. V. auch die,
ob inan mlt dtesen psychologtschen Methoden auch
wirlilich iinmer, w!e Dr. Äoemer glaube, 'dle ur-
sprllngllche Seelenlage zu enthüllen vermöge
oder ob ss nicht vielmehr die Lurch Einflüsse aller
^lrl z. B. durch Erziehung nnd Unterrlchk ver-
änderte Seele sei, dle man lm elnzelnen Fall
bloszlege. Ein Teil dei vorgesllhrten Betspiele dränge
einem diese Frage geradezu auf.

Die Untersuchungen ergaben, dak z. B. die Schüler
eines Znternates, (an dem, wie Dr. Aoemer etmas
ironisch bemerkte, einer der besten Zeichenlehrer des
Landes wirkti), aus den Klecksen nur nüchkerne
Blockformen herauslasen, während z. B. nicht zeichen-
gellbte Abiturienten des Gymnaslums phantasie-
volle Eebllde darin entdeckten oder vlelmehr heraus-
fabulierten. Ich wies nun darauf hln, dasz eln ratio-
nal eingestellter Zeicheiiunlerrlcht, wie ec offenbar in
dem genannten elnternat stattfinde, das festgestellle
Lrgebnis um so mehr zeitigen mülse, je folgerichllger
uns grlindlicher er sei. Denn in jahrelanger Schulung
wiirden die Schüler in diesem Fall geradezu dazu
erzogen, jedes Vebilde der Augenwelt bewuht
zu belrachten, also alles Fabulieren und phanta-
lieinähige Deuten zu unterdrücken und vielgestaltige
Vebilde immer auf die «lnfachste, rational leicht über-
schaubare Form zurllckzuführen, die das als wesent-
lich Ertiannte enthalte. Solche Formen tragen häu-
sig Len Lharakter von geometrischen Grundformen
immer seien eS abec sogen. Blockformen. Somil
habe die Untersuchung in dlefem Fall nlcht die
ursprüngliche Psyche dieser Schüler bloszgLlegt, son-
dsrn die durch den rational eingestellten Zeichen-
unterricht besonders geschulle Reaktion der Seele
beim Betrachten von komplizierten Dtngen dei
Aichenwelt. Der innere Wefenskern der Persön-
lichkeit, das Ur der Seele, enthülle sich doch nur
dann, wie Dr. Äömer annimmt —und lch pflichte ihm
hisrtn bei —, wenn es möglich sei, durch die psycho-
logischen Methoden das Ilnterbewuszte herauszu.
locken, zum Sprechen zu bringen. Hier aber komme
nur eine Bewusztseinsschlchte zuni Borschein, die
elne besondere Form bewujzt-erstrrblLr, dnrch Schu-
iung errcichbarer Geisligkeit ist, dle zudein nur aus
liurze Zeitdauer wlrksani seln kann. Der betressende
Zelchenlehrer verdiene in der Tat etn guter Zel-
chenlehrer genannt zu werden, fofern man selne
Arbeit messe an den bishec geltenden behördlichen
Borschrlften für den Zelchenunterricht an unseren
össentlichen Schulen, die einseittg auf den ratio-
nalen Zelchenunlerricht eingestellt feien.

Daraus geht noch hervor, dasz eS für das Eraebnis
der Itntsrfuchungsn nicht unwesentlich ist> ob der
Schüler Zeicheniinterricht genieszi odcr genossen hal

iind welcher Art dieser Ilnterricht ist oder war.
Ein Zeichenunterricht, der auf die Weckung der
Phantasiekräfte eingestellt ist, wird nallirlich ganz
andere Boraussehungen für die Untersuchunge»
schaffen als ein ralional eingestellter. Aian kann
auch Schüler in der Ausdeutu.ng solcher Kleckse gerade-
zu llben. Sie werden dann bei den Bersuchen natllr-
lich im phantaslemäszigen Deuten viel mehr leislen
als nngeubte. Eine andere Frage, die durch diese Er- >
gebnisse der Untersuchungen angejchnilten wird,
die ader auf einer anderen Lbene liegt, ist die, ob
der einseitig rationale Zeicheniinterricht der rich-
lige ist. Dis Ergebnisse der Untersuchungen mllble»
ihm eigenllich das Tvdesurleil sprechen, wenn inan
den schöpferischen Phantasickräften, dle er ohne
Zweif'.l, je gründlicher er ist, desto mehr vernichtel,
den Wert für das Leben beimijzt, den ihnen durch
die psychologische Einslellnng des Herrn Dr. Aömers
beigemesfen wird.

Freilich mlltzke meines Lrachtens zunächsl aiich
einmal bewiesen werden, ob sich dlcse psychologische»
Methoden zur sicheren Feststellung der schöpferische»,
künstlerischen Begabungen eignen, d. h. ob dic
Fähigkeit Les phaiitasiemäszigen Ausdeulcns dcr
nleckse identisch tst mit bildkünsllsrischer Begabung.
Bielleicht entschliejzt sich Herr Dr. Römer einmal,
unsere beka>nnten lebenden Mnstler daraufhln zu
untersuchen. Auch wären die Studic'renden der
Kunstgewerbeschule und der Akademie der bilden-
dcn Künste ein wlllkommenes Untersuchungsmale-
rinl. Aus diesen kurzen Hinweisen islj zu ersehen,
dalz hier wichtige Dinge vorliegen, um die wir uns
bekümmern müssen.

Eine gelegentliche Aeukerung des Herrn Dr.
Aömer darf nicht unwiüersprochen bleiben. Er
meintö, grosze schöpferische Architekken brauchen nicht
zeichnen zu können, Dns Wichtigste fei, dasz sle
Zntuilionen hätten. „Messel z. B. konnte nicht zeich-
nen, das ilberlieb er selnen Zeichnern und 3nge-
nieuren". Hiec liegt ein Mikverständnis vor. Sehen
wir zunächst davon ab, Lag Zeichnen das natür-
lichske, einfachste und deShalb gebräuchlichske Mttkel
zur Klärung der bildhafken Borstellung ist, so lst
cä doch ganz gewitz fllr leden Architekten schon -es-
halb unentbehrlich, weil er auf diesem Weg am
besten anderen seine ölntuitionen so vor Äugen

Abb. .8

Pliplntchiillt Sbcrrealschul« cüiipplna«»

St«dl«iirat LnirNch)
 
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