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„Handar'belt ist lrein Bemfssach, lonbern ein Tell
der geistigen Bildrmg der Schülerin und darf in
liciner Eleinenlar-MÄchenlilasse sehlen. Me Lehrerin
musj sie als elne wichtrge Unterstuhung bei ihrem Er-
ziehungäwerlie betrachten, nicht nur weil sie bestcin-
dig Ocdnung und Eenauigkeit verlangi und dem Ge-
sithle der jungen Mädchen entspricht, die vor allem
darnach Pceben, in der Familie als nützliche lrleine
Person anerkannt zu werden, sondern besonders
wegen ihrer aufheiternden Kraft. 3n den schwierigen
Perioden der weiblichen IZugend bringt die erforder-
liche, wenn auch leichte Sammlung, die notwendig«
Miederholung der Täkigli'eiten das Geinüt zur Ruhe
und lätzt die lileinen sentimentalen Störungen der
Eilelkeit nnd Laune nufhören.
Es wird verlangt, datz die weibliche Handarbeit tn
der Schule das ihr gebührende Ansehen wieder ge-
winnt und wtr weisen die Lehrerinnen darauf hin,
datz das Fernbleiben der Mädchen aus dem Bolke
vo» der Schule bisher «m Fehlen des Handarbelks-
unterrichtes tag, besonders In den ländlichen Ientcen,
wo die guten, einfachen Hausfrauen eine Schule nlcht
sch'ätzen können, in der die Mädchen, nach ihrer Mei-
»ung „iiichts lnii". --
Die Lehrerin foll nichk sagen, sie könnte keine
Handarbeiten niachen. Das wenige, was man dte
Äiädche» lchrt, mutz sichere Crfahrung jeder Frau
sein und keine gebildete Frau darf die glückliche
Gabe verachten oder vernachlässigen, durch Arbeil
ihrer Hände tauseiid nützliche Sachen fürs Haus an-
ziifertigen; sie würde damit ihre Welblichlreil beleidi-
gen und ihr Lehrerinnenamt bei den Frauen der
ländlichen Umgebnng herabsetzen, die, reich an jahr-
hunderke altem, gesunden lirkeil, eine Frau als über-
klug und träge ansehen, wsnn sie keine Handarbeiten
versteht. Etne wirklich kluge Frau fühlt, wenigstens
wenn sie dazukommt, ein. HauS zu leiten, das Be-
dürfnis, sich! Ilebung in Handarbeiten zu erwerben,
auch wenn ste es früher vernachlässlgt hat". —
„Keine Klasse darf ohne Handarbeltsunterricht
sein."
Und gegen Schlutz heitzt es:
„Die Lehrerin mutz sich bemühen. die Autmerksam-
lieit der Mädchen in den oberen Klassen auf Arbeiten
Ler lokalen Kunst zu lenken und vor allem auf folche,
Lie wieder zu Lhren gebrachk und eine nützliche kleine
Ecwerbsquelle werden können. Dle Lehrerinnen müs-
sen die wunderbare AufschWUngsbewegung ln den
Iileinen, künstlerischen llndustrien weiblicher Hand-
arbeiten verfolgen, die hier und dork in ätalten sich
zeigt und die kostbaren Arbeiten wieder in Gebrauch
bringk, die einst der Stolz unserer Ilrgrotzmütter
waren und die im Berglelch zu den fafli geistlosen
Alaschinenarbeiten so grotzen Wert haben, datz auch
die grötzten Industrieländer darin eine lebhaste Nach-
srage in tztalien unterhalten.
„Wenn man nur an die venetianischen Spitzen
denkt, an die umbrlschen und toskanischen Hand-
arbeiten auf Leinen. an dle Decken von Sardinien
und Kalabrien, an dte zarten,"eMftichcn Stickereien
von Toormina und Syrakus, so versteht man die
nationale Bedeutung der weiblichen Handarbeit.
2ede Provinz, ja man könnte sagen, jeder Ork in
Ztalien hat seine edlen, ehrwürdigen Traditionen." —
Schon aus den eben angefllhrlen Bruchstllcken der
neuen ikalleiilschen Lehrpläne und didaktischen llnter-
weisungen ersehen wir das hohe Ziel, das sich der
Berfasser gestellt b-at. Wle sie nun in dieser idealen
Form vorliegen, lieht man ihnen kaum die unge-
heuren Schwierigkeiten an, mll welchen der Ber-
fasser zu kämpsen hatle, ehe sie durchgesetzt werden
konnten. Er givt davon in seinem schon erwähnien,
üutzerst lesensiverlen Buche „Die graphische
Spracheder Klnde r"") Nachricht. ES sind die-
selden Widerstände, die auch wlr zu überwinden
hatten, dieselven Einwände aus den Relhen jener
Fachgenossen, die das Kind noch immer mit dem
Matzstab der Erwachsenen beurteilen. ^
Wir wünschen diesem wackeren Borkämpser herz-
lich Glück zu der hewunderungswürdigen, muligen
Tnt, die er vollbracht. Freikich dlirfle er sich wohl nichl
verhehlen, datz mlt der Ausstellung des Programiiies
erst der Änfang der Neugestallung des Zeicheiiunter-
richtes unddergesamtenErziehungin dieWege gelritei
wurde. Das schwierigere Stück, die Durchsührung isi
erst iioch zu vollenden. Sie bedeutet slir lllaiie»,
wo die Lehrervorbildung noch so viel zn wünschen
übrig lätzt, sine ganz besondere Krastanstrengiiiig. Diese
mutz vor allem andern in der Hebung der Lehrer-
bildung bestehen. Die Absolvierung der Grund-
Mittel- und Oberschule, fowie öer Besuch von ein-
gehenden pädagogischen und liiiiderpsychoiogischeu
tln'iversitälsliiirsen wird geforderi werden müssen,
Daneben inlltzte aber auch der zeichnerischen Aus-
bildung der Lehramtsanwärter dadurch Rechnuna ae-
tragen werden, datz künstlerisch hochstehende Lehr-
kräste, die auch die nötige Flihlung mit dem auf-
blühenden Kunstgewerbe haben, für dieses Fach be-
rusen werden. —
Doch „wo «in Mille, ist auch ein Weg"! Beachtens-
werte Änfänge zeigen sich bereits in den nördlicheii
neuen Provinzen, dte vom alten Oesterreich über-
nommen wurden. Hler stand die Lehrervorbildung
dereits auf ekwas höherer Stüfe und die zeichnerische
Forkbildung nach den neuen Grundsätzen wurde schon
rm 3ahre 1622 durch elnen vom Anterrichksministe-
rium in Rom errichteten, von Professor Dr. Ernst
Kunzfeld geleiteten Kurs fiir Lehrer und Lehrerinnen
angebahnk, dem auch im abgelaufenen llahre ein ähn-
licher Kurs in Bozen unter Leitung des Dlrektors
Anton Göbel solgte. Die guten Folgen dieser Kurse
zetgten sich auf der Ende Februar in Florenz veran.
staltetsn grotzen Aussteliung von SchüierarbeitLii. Sie
ilsferbe den Rachweis, wie eingehend sich die Lehrer-
schaft bereits mit den neuen Problemen beschäftigt
und die frete Kinderzeichnung in den Dienft der Er-
ziehung steltt.
Möge es den wackern Borkämpfern der Neuge-
staltung der Erziehung und des Unterrichtes in litalien
gelingen, alle Schwierigkeiten zu überwlnden und
sie ihr grotz angelegies Werk Wurzel fassen, wachsen
und blllhen sehen.
Alois Kunzfeld, Wien.
*) Giuseppe Lombardo-Radice, II IInLusmiio ^ralicu Uel
elulll. (^ssoeiarione »ailonslo per eli Interesei nel Merro-
Llorno ll'Iteile-Llljtriee vl» Uonte OiorUeno, iioiu» l'edr.
t»».
„Handar'belt ist lrein Bemfssach, lonbern ein Tell
der geistigen Bildrmg der Schülerin und darf in
liciner Eleinenlar-MÄchenlilasse sehlen. Me Lehrerin
musj sie als elne wichtrge Unterstuhung bei ihrem Er-
ziehungäwerlie betrachten, nicht nur weil sie bestcin-
dig Ocdnung und Eenauigkeit verlangi und dem Ge-
sithle der jungen Mädchen entspricht, die vor allem
darnach Pceben, in der Familie als nützliche lrleine
Person anerkannt zu werden, sondern besonders
wegen ihrer aufheiternden Kraft. 3n den schwierigen
Perioden der weiblichen IZugend bringt die erforder-
liche, wenn auch leichte Sammlung, die notwendig«
Miederholung der Täkigli'eiten das Geinüt zur Ruhe
und lätzt die lileinen sentimentalen Störungen der
Eilelkeit nnd Laune nufhören.
Es wird verlangt, datz die weibliche Handarbeit tn
der Schule das ihr gebührende Ansehen wieder ge-
winnt und wtr weisen die Lehrerinnen darauf hin,
datz das Fernbleiben der Mädchen aus dem Bolke
vo» der Schule bisher «m Fehlen des Handarbelks-
unterrichtes tag, besonders In den ländlichen Ientcen,
wo die guten, einfachen Hausfrauen eine Schule nlcht
sch'ätzen können, in der die Mädchen, nach ihrer Mei-
»ung „iiichts lnii". --
Die Lehrerin foll nichk sagen, sie könnte keine
Handarbeiten niachen. Das wenige, was man dte
Äiädche» lchrt, mutz sichere Crfahrung jeder Frau
sein und keine gebildete Frau darf die glückliche
Gabe verachten oder vernachlässigen, durch Arbeil
ihrer Hände tauseiid nützliche Sachen fürs Haus an-
ziifertigen; sie würde damit ihre Welblichlreil beleidi-
gen und ihr Lehrerinnenamt bei den Frauen der
ländlichen Umgebnng herabsetzen, die, reich an jahr-
hunderke altem, gesunden lirkeil, eine Frau als über-
klug und träge ansehen, wsnn sie keine Handarbeiten
versteht. Etne wirklich kluge Frau fühlt, wenigstens
wenn sie dazukommt, ein. HauS zu leiten, das Be-
dürfnis, sich! Ilebung in Handarbeiten zu erwerben,
auch wenn ste es früher vernachlässlgt hat". —
„Keine Klasse darf ohne Handarbeltsunterricht
sein."
Und gegen Schlutz heitzt es:
„Die Lehrerin mutz sich bemühen. die Autmerksam-
lieit der Mädchen in den oberen Klassen auf Arbeiten
Ler lokalen Kunst zu lenken und vor allem auf folche,
Lie wieder zu Lhren gebrachk und eine nützliche kleine
Ecwerbsquelle werden können. Dle Lehrerinnen müs-
sen die wunderbare AufschWUngsbewegung ln den
Iileinen, künstlerischen llndustrien weiblicher Hand-
arbeiten verfolgen, die hier und dork in ätalten sich
zeigt und die kostbaren Arbeiten wieder in Gebrauch
bringk, die einst der Stolz unserer Ilrgrotzmütter
waren und die im Berglelch zu den fafli geistlosen
Alaschinenarbeiten so grotzen Wert haben, datz auch
die grötzten Industrieländer darin eine lebhaste Nach-
srage in tztalien unterhalten.
„Wenn man nur an die venetianischen Spitzen
denkt, an die umbrlschen und toskanischen Hand-
arbeiten auf Leinen. an dle Decken von Sardinien
und Kalabrien, an dte zarten,"eMftichcn Stickereien
von Toormina und Syrakus, so versteht man die
nationale Bedeutung der weiblichen Handarbeit.
2ede Provinz, ja man könnte sagen, jeder Ork in
Ztalien hat seine edlen, ehrwürdigen Traditionen." —
Schon aus den eben angefllhrlen Bruchstllcken der
neuen ikalleiilschen Lehrpläne und didaktischen llnter-
weisungen ersehen wir das hohe Ziel, das sich der
Berfasser gestellt b-at. Wle sie nun in dieser idealen
Form vorliegen, lieht man ihnen kaum die unge-
heuren Schwierigkeiten an, mll welchen der Ber-
fasser zu kämpsen hatle, ehe sie durchgesetzt werden
konnten. Er givt davon in seinem schon erwähnien,
üutzerst lesensiverlen Buche „Die graphische
Spracheder Klnde r"") Nachricht. ES sind die-
selden Widerstände, die auch wlr zu überwinden
hatten, dieselven Einwände aus den Relhen jener
Fachgenossen, die das Kind noch immer mit dem
Matzstab der Erwachsenen beurteilen. ^
Wir wünschen diesem wackeren Borkämpser herz-
lich Glück zu der hewunderungswürdigen, muligen
Tnt, die er vollbracht. Freikich dlirfle er sich wohl nichl
verhehlen, datz mlt der Ausstellung des Programiiies
erst der Änfang der Neugestallung des Zeicheiiunter-
richtes unddergesamtenErziehungin dieWege gelritei
wurde. Das schwierigere Stück, die Durchsührung isi
erst iioch zu vollenden. Sie bedeutet slir lllaiie»,
wo die Lehrervorbildung noch so viel zn wünschen
übrig lätzt, sine ganz besondere Krastanstrengiiiig. Diese
mutz vor allem andern in der Hebung der Lehrer-
bildung bestehen. Die Absolvierung der Grund-
Mittel- und Oberschule, fowie öer Besuch von ein-
gehenden pädagogischen und liiiiderpsychoiogischeu
tln'iversitälsliiirsen wird geforderi werden müssen,
Daneben inlltzte aber auch der zeichnerischen Aus-
bildung der Lehramtsanwärter dadurch Rechnuna ae-
tragen werden, datz künstlerisch hochstehende Lehr-
kräste, die auch die nötige Flihlung mit dem auf-
blühenden Kunstgewerbe haben, für dieses Fach be-
rusen werden. —
Doch „wo «in Mille, ist auch ein Weg"! Beachtens-
werte Änfänge zeigen sich bereits in den nördlicheii
neuen Provinzen, dte vom alten Oesterreich über-
nommen wurden. Hler stand die Lehrervorbildung
dereits auf ekwas höherer Stüfe und die zeichnerische
Forkbildung nach den neuen Grundsätzen wurde schon
rm 3ahre 1622 durch elnen vom Anterrichksministe-
rium in Rom errichteten, von Professor Dr. Ernst
Kunzfeld geleiteten Kurs fiir Lehrer und Lehrerinnen
angebahnk, dem auch im abgelaufenen llahre ein ähn-
licher Kurs in Bozen unter Leitung des Dlrektors
Anton Göbel solgte. Die guten Folgen dieser Kurse
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staltetsn grotzen Aussteliung von SchüierarbeitLii. Sie
ilsferbe den Rachweis, wie eingehend sich die Lehrer-
schaft bereits mit den neuen Problemen beschäftigt
und die frete Kinderzeichnung in den Dienft der Er-
ziehung steltt.
Möge es den wackern Borkämpfern der Neuge-
staltung der Erziehung und des Unterrichtes in litalien
gelingen, alle Schwierigkeiten zu überwlnden und
sie ihr grotz angelegies Werk Wurzel fassen, wachsen
und blllhen sehen.
Alois Kunzfeld, Wien.
*) Giuseppe Lombardo-Radice, II IInLusmiio ^ralicu Uel
elulll. (^ssoeiarione »ailonslo per eli Interesei nel Merro-
Llorno ll'Iteile-Llljtriee vl» Uonte OiorUeno, iioiu» l'edr.
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