meiner Slandesgenossen — leider nun einmal auf
den „Abweg" geralen, fllr die Inleressen des Zel-
chenunlerrichts sinlrelen zu müsfen; dles möge
mich entschuldigen.
Als ich geslern den Leschichlsvorlrag von Ober-
sludienral Dr. Goetke hörle, wurde ich an meine
eigene Schulzelt erinnerk und habe gern eines Man.
nes gedacht, der in Latein, Griechisch und Religion
meln Lehrer war.' Es ist der verstorbene Friedrich
Lohr, Wiesbaden. Es hat uns Schülern schwere
sprachliche Probleme anschaulich klar gemacht und
uns auch angeregt, felbsltlttig zu sein. Er zog
uns zu eigenen Arbeiten heran und lissz uns Modelle
vom Parthenon und Forum Nomanum !n seiner
Mohnung basteln, wodurch wir uns mit der antiken
Zeit eng verbunden fllhlten. Lohr hak sich auch fllr
meine Zeichen-Neigung Inleressiert. Unser Zeichen-
lehrer, ein akademisch gebildeker Maler. be-
schäftigte uns mll Abzeichnen von Nenalssance-
Ornamenten, Geräten und Abgüssen >ant!ker Köpfe,
sowie mit Perspektive; einen kleinen Stich des
Alexanderzngs von Thorwaldscn lietz er uns für
den Zelchenunlerricht vergröszern. Es war nur ein
Nachbilden'und keine Eigentätigkeik; aber es wurde
Im Zeichenunterrichk doch so gearbeitet, dasz wir mit
dem Gesamkunkerricht in Derblndung blleben. Auch
wurde, z. B. durch das Serausarbeiten der Licht-
und Schaltenmassen, der Sinn für das Wesenkliche
geweckk. Der Geschichtslehrer machte es nicht so
anregend und mebhodisch. Das Beste ües im dama-
ligen Zetchenunterricht Errelä)ken war die Freude
am Schönen und die Fähigkeit, künstlerisch zu sehen.
3ch habe bis Mn Llbitur viel und gern gezeichnek
und wuhte zu Beglnn meiner Studienzeit mcht, ob
ich Philologe oder Maler werden sollte. Meine
archäologischen Skudien in München bei Pcofessor
Dr, Heinrlch von Brunn haben mir dann
noch mancherlei Anleltung zum Sehen und zum
Erkennen des Wesentlichen in der Umwelk gegeven.
Brunn beklagte immer wieder, dah nur so wenige
Skudenten richtig zu sehen verskänden. lün natur-
wissenschafklichen Kreisen hat damals NudolfVIr-
ch o w tf 1SÜ2) auch dlese Taksache hervorgehoben.
Äiese Klagen über die Sehmängel dsr Abi-
turienten an höheren Schulen waren der
Austakt zu der jeht ein Vierteljährhunderk umfas-
senden Äeform des Zeichenunterrichtsl
Die Murzel dieser Zeichenreform
bildeten jedoch Erkennkniste psycholoai-
scher Ar t. Aus der Talsache, dah das Kind schon
von früher llugend an spielend matt, formt und
baftelk, gewann man die Erkennknis, datz der be-
dauerliche Mangel an Augen- nnd Sandschukung und
Kunstsinn vor aklem daher rührke, datz der Zeichen-
unlerrlcht nichk anknüpfte an die psychologische
V o r s>t u f e d e s z e i ch n er i s ch e n Ä u s d r u ck s,
die sogenannte „Kln- e^r Z e ichnu n g". Weiter
hatte man erkannk, datz dsr zerWerlsche AuLdruck ein
wichtiaes Stück der allgemeinen Bil-
dung ist und datz man, wie es schon Wilhelm
von Sumboldk treffend ausgesprochen hat,
,^stch des Zeichnens mls einer Art
Sprache bedienen kann". Daher soll man
auf den unkeren Stufen dle zeichnerlsche Sprache
des Kindes erhalken und enlmickeln, nichk durch
eine unlebendige Pädagogik abtöten.
Endlich soll die weikere Entwicklung und sorgfällige
Pflege deS Zeichenunkerrichts die llugend In lebens-
voller Weise In eln innereS V e r h ä l l n i s z u r
Kunsk bringen. Dies soll nichi geschehen um
der allgemelnen Bildung oder der Maler und
Bildhauer willen. Es handelt sich überhaupk nich!
um >eine Erzlehung zum Kunstwissen, sonder» um
sine Erzieyung durch die Kunst! Die liebe-
volle Vertiefung in den kllnstlerischen Ausdruck
durch Schauen und eigenes Tun soll das Gesllhl
sür die künstlerische Form und fllr die Formu»g>
des eigenen 2ch wecken; denn Kunst Ist erarbeiteker,
erlevter Ausdruck! Wie sehr gerade der
Deutsche der Formung bedarf, das hat Alsred
Lichtwark schon auf denr 1. Kunsterziehungslaae
zu Dresden (1M1) in seineni Vortrage „Der Deulsche
oer Zukunft" gesagt.
Deutschland hat durch den Krieg und die Kriegs-
solgen viel verloren; das mutz eingeholk werden.
Nun lst aber die Form. von der uns so viel ver-
loren ging, -nicht durch Zucht zu erobern; äutzerliche
Form liegt überhaupt nicht lm Wesen des Deutschen.
Es gibt kein besseres und sicheres Mikkel ats die
Berührung mit der Kunst wenn man >den Mensche»
formen und >das Innenleven veredeln will.
Zwei Wege mllssen hier gleichzeitig beschritle»
werden. Der eine ist die Einführung in die Kultur
einer Zeit, deren Ausdruck die Kunst ist. Was hierzu
in andern Fächern durch „Querverbindung" bei-
getragen werden kann, ist besonders von Frl. Dr.
Neinhard in ihren Anregungen zur Berücksichtigung
der antiken Kunst auf der Oberstufe betont worden;
dieser Weg ist auch Im Zeichenunterricht gangbar,
soweik er sich >an das Mesen des Kunstwerks selber
hält. Der zweike Weg führt Lber das elgene
Schaffen der Kinder. Die Probleme sind Ini
Grunde dieselben. Was nicht zu billigen ist, das
ifk die ab g e s o n d e r t e Kuiislbckrachtung In beson.
dyren Wochenskunden! Es mutz Stimmung dafür vor-
handen sein und das Vetrachken sich aus der Sache
ergeben. Kann es nlcht tn der Skunde sein, weil die
Zeit fehlt, so wären „Arbeiksgemsinschafken" und
„Kunskgemeinden" innerhalb des Schulrahmens zu
aründen im Sinne des Arbeiksschulgedankens. Beide
Wege lassen sich nur au der Oberstufe bewutzt
gehen, wo die llugend ich — das fteht durch die
psychologische Forschung fest — erst für Formfragen
und Kunsr als solche inkeressiert.
Aber es gibt eine Vorstufe. 3ch bin weniger
ängsklich >als Professor Dr. ltacobsthal, Marburg.
Es lätzt sich auf den unkeren und mittleren Slusen
schon manches heranziehen, uni die Kinder mit älte-
ren Kulturen vertraut zu machen. Die Fremdartig-
keit des Skoffes stört die llugend gar nicht. Es ist
ja die Zelt, wo das Kind das Phantastische llebk
und latle Wunder sucht, aber zuglcich sich alles kon-
kret vor- und darstellen oder gar mit seinen Spielen
verbinden möchke (griechische und römische Krieger,
Nikker, Zndianer, Märchenfiguren u. a. ni.) Wird hier.
auf elngegangen, so können werkvolle Grundlagen fllr
die spätere Arbeit gelegt werden, auch für die des
Zlstorikers.
tleber die Welkerfllhrung des Zeichenunterrichts
kann ich in diefem Zusammenhang nur kurze An-
deukungen machen. 3n der Kriegs- und NachkriegS-
zeit sind wir in der psychologischen Forschung so weit
den „Abweg" geralen, fllr die Inleressen des Zel-
chenunlerrichts sinlrelen zu müsfen; dles möge
mich entschuldigen.
Als ich geslern den Leschichlsvorlrag von Ober-
sludienral Dr. Goetke hörle, wurde ich an meine
eigene Schulzelt erinnerk und habe gern eines Man.
nes gedacht, der in Latein, Griechisch und Religion
meln Lehrer war.' Es ist der verstorbene Friedrich
Lohr, Wiesbaden. Es hat uns Schülern schwere
sprachliche Probleme anschaulich klar gemacht und
uns auch angeregt, felbsltlttig zu sein. Er zog
uns zu eigenen Arbeiten heran und lissz uns Modelle
vom Parthenon und Forum Nomanum !n seiner
Mohnung basteln, wodurch wir uns mit der antiken
Zeit eng verbunden fllhlten. Lohr hak sich auch fllr
meine Zeichen-Neigung Inleressiert. Unser Zeichen-
lehrer, ein akademisch gebildeker Maler. be-
schäftigte uns mll Abzeichnen von Nenalssance-
Ornamenten, Geräten und Abgüssen >ant!ker Köpfe,
sowie mit Perspektive; einen kleinen Stich des
Alexanderzngs von Thorwaldscn lietz er uns für
den Zelchenunlerricht vergröszern. Es war nur ein
Nachbilden'und keine Eigentätigkeik; aber es wurde
Im Zeichenunterrichk doch so gearbeitet, dasz wir mit
dem Gesamkunkerricht in Derblndung blleben. Auch
wurde, z. B. durch das Serausarbeiten der Licht-
und Schaltenmassen, der Sinn für das Wesenkliche
geweckk. Der Geschichtslehrer machte es nicht so
anregend und mebhodisch. Das Beste ües im dama-
ligen Zetchenunterricht Errelä)ken war die Freude
am Schönen und die Fähigkeit, künstlerisch zu sehen.
3ch habe bis Mn Llbitur viel und gern gezeichnek
und wuhte zu Beglnn meiner Studienzeit mcht, ob
ich Philologe oder Maler werden sollte. Meine
archäologischen Skudien in München bei Pcofessor
Dr, Heinrlch von Brunn haben mir dann
noch mancherlei Anleltung zum Sehen und zum
Erkennen des Wesentlichen in der Umwelk gegeven.
Brunn beklagte immer wieder, dah nur so wenige
Skudenten richtig zu sehen verskänden. lün natur-
wissenschafklichen Kreisen hat damals NudolfVIr-
ch o w tf 1SÜ2) auch dlese Taksache hervorgehoben.
Äiese Klagen über die Sehmängel dsr Abi-
turienten an höheren Schulen waren der
Austakt zu der jeht ein Vierteljährhunderk umfas-
senden Äeform des Zeichenunterrichtsl
Die Murzel dieser Zeichenreform
bildeten jedoch Erkennkniste psycholoai-
scher Ar t. Aus der Talsache, dah das Kind schon
von früher llugend an spielend matt, formt und
baftelk, gewann man die Erkennknis, datz der be-
dauerliche Mangel an Augen- nnd Sandschukung und
Kunstsinn vor aklem daher rührke, datz der Zeichen-
unlerrlcht nichk anknüpfte an die psychologische
V o r s>t u f e d e s z e i ch n er i s ch e n Ä u s d r u ck s,
die sogenannte „Kln- e^r Z e ichnu n g". Weiter
hatte man erkannk, datz dsr zerWerlsche AuLdruck ein
wichtiaes Stück der allgemeinen Bil-
dung ist und datz man, wie es schon Wilhelm
von Sumboldk treffend ausgesprochen hat,
,^stch des Zeichnens mls einer Art
Sprache bedienen kann". Daher soll man
auf den unkeren Stufen dle zeichnerlsche Sprache
des Kindes erhalken und enlmickeln, nichk durch
eine unlebendige Pädagogik abtöten.
Endlich soll die weikere Entwicklung und sorgfällige
Pflege deS Zeichenunkerrichts die llugend In lebens-
voller Weise In eln innereS V e r h ä l l n i s z u r
Kunsk bringen. Dies soll nichi geschehen um
der allgemelnen Bildung oder der Maler und
Bildhauer willen. Es handelt sich überhaupk nich!
um >eine Erzlehung zum Kunstwissen, sonder» um
sine Erzieyung durch die Kunst! Die liebe-
volle Vertiefung in den kllnstlerischen Ausdruck
durch Schauen und eigenes Tun soll das Gesllhl
sür die künstlerische Form und fllr die Formu»g>
des eigenen 2ch wecken; denn Kunst Ist erarbeiteker,
erlevter Ausdruck! Wie sehr gerade der
Deutsche der Formung bedarf, das hat Alsred
Lichtwark schon auf denr 1. Kunsterziehungslaae
zu Dresden (1M1) in seineni Vortrage „Der Deulsche
oer Zukunft" gesagt.
Deutschland hat durch den Krieg und die Kriegs-
solgen viel verloren; das mutz eingeholk werden.
Nun lst aber die Form. von der uns so viel ver-
loren ging, -nicht durch Zucht zu erobern; äutzerliche
Form liegt überhaupt nicht lm Wesen des Deutschen.
Es gibt kein besseres und sicheres Mikkel ats die
Berührung mit der Kunst wenn man >den Mensche»
formen und >das Innenleven veredeln will.
Zwei Wege mllssen hier gleichzeitig beschritle»
werden. Der eine ist die Einführung in die Kultur
einer Zeit, deren Ausdruck die Kunst ist. Was hierzu
in andern Fächern durch „Querverbindung" bei-
getragen werden kann, ist besonders von Frl. Dr.
Neinhard in ihren Anregungen zur Berücksichtigung
der antiken Kunst auf der Oberstufe betont worden;
dieser Weg ist auch Im Zeichenunterricht gangbar,
soweik er sich >an das Mesen des Kunstwerks selber
hält. Der zweike Weg führt Lber das elgene
Schaffen der Kinder. Die Probleme sind Ini
Grunde dieselben. Was nicht zu billigen ist, das
ifk die ab g e s o n d e r t e Kuiislbckrachtung In beson.
dyren Wochenskunden! Es mutz Stimmung dafür vor-
handen sein und das Vetrachken sich aus der Sache
ergeben. Kann es nlcht tn der Skunde sein, weil die
Zeit fehlt, so wären „Arbeiksgemsinschafken" und
„Kunskgemeinden" innerhalb des Schulrahmens zu
aründen im Sinne des Arbeiksschulgedankens. Beide
Wege lassen sich nur au der Oberstufe bewutzt
gehen, wo die llugend ich — das fteht durch die
psychologische Forschung fest — erst für Formfragen
und Kunsr als solche inkeressiert.
Aber es gibt eine Vorstufe. 3ch bin weniger
ängsklich >als Professor Dr. ltacobsthal, Marburg.
Es lätzt sich auf den unkeren und mittleren Slusen
schon manches heranziehen, uni die Kinder mit älte-
ren Kulturen vertraut zu machen. Die Fremdartig-
keit des Skoffes stört die llugend gar nicht. Es ist
ja die Zelt, wo das Kind das Phantastische llebk
und latle Wunder sucht, aber zuglcich sich alles kon-
kret vor- und darstellen oder gar mit seinen Spielen
verbinden möchke (griechische und römische Krieger,
Nikker, Zndianer, Märchenfiguren u. a. ni.) Wird hier.
auf elngegangen, so können werkvolle Grundlagen fllr
die spätere Arbeit gelegt werden, auch für die des
Zlstorikers.
tleber die Welkerfllhrung des Zeichenunterrichts
kann ich in diefem Zusammenhang nur kurze An-
deukungen machen. 3n der Kriegs- und NachkriegS-
zeit sind wir in der psychologischen Forschung so weit