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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 5.1925

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Heft 10 (Oktober 1925)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22865#0297

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zunächst >das gegenstandslose Kunstmerk, daä — von
AuSnahnien adgesehen — fllr >den landläufigen Knnst-
handel unbvauchvac blieb. da der gröstere Teil seines
Kunslkrelses vor diesen Folgerungen railos murde.
ZuLem war ih»i ber Kaufpreis, ben >der Künstler
sür seln Werk notwendig braucht, viel zn hoch. um
sich das AWo bes Lächerlichen, bas ihm bei dem
abstrakten Bilbe brohte. nun >auch noch auf üen
Hals zu laden. So blieb dies eine Spezialiküt weniger
Hänbler, bie gerabe dadurch ihr Geschäst noch ret-
teten, wenn sie bis schliinmsten Nachläufer nur aus-
zuschalten wuszten. stm allgemeinen bringt jedoch daä
Sefühl bnrch. daß große Oelgemälbe einen Wider-
spruch in unserer Z-it bedeuken, In ber gnte Aiaschi-
nen in kürzester Zeik das teisten, wozn ber Künstler
Monate branch't. Der Kunsthänbler ziehk sich baher
auf die sogenannten „anerkannken Werte" zurück,
üie schließlich nnersestbar sind und manchmal wenig.
stens noch Sammler finben: die Ausstellungen zelgen
uns ini lehten Winter sast ausschlieszlich, was unbe.
skrilten in bie Kunstgeschichte eingegangen isk (von
Aranet bis zn Liebermann). und die gesanite bürger-
liche Presse, bie gestern noch ekstalisch bem Expres-
sionismus huildlgle, iilmmk bies gsdankenlos nnd
aäzselzuckend hln.

Die ProdMlon durch bie Maschine sche-ink in der
Graphik sich bie Kunst erobern zu können. steboch
kritk hier wiederum deutlich zukage, wie eben bie for.
malen Möglichketten der bildenden Kunst kotal er-
schöpft sinb, soweik sie sich ini eigenklichen Bilde dar-
stellt sandere Möglichkeiten, bie zweifellos erst heute
als Aufgabe hervortreten, sind: Gebrauchsgraphik,
Aeklanie, Tapeten, Wandbemailung usw.). Der Käufer
stehk vor „neuer" Graphik mißkrauisch, und wählt
dann lieber einen schönen Lichtdruck, ben ihni üie
Technik von ben besten älteren Originalen möglich
macht, als baß er Originnlgraphik von irgendeiiism
Epigonen kauft. Auch diese, teilwelse mustergültigen
^ieprodnklionen werben >dann vom Käufer ineist in
einer Mappe aufbewahrk, >in ber er sammelt, was er
gerne siehk. Sie werden nichk mehr als >eigeNtliches
Bilb an einer Ziminerwanb verwendet: ben meisien
scheink undewußk oder bewuszk btes unorganisch, üa
der Zusammenhang der durch ben Achmen abge-
trennten Bildslächs mlk ber Umgebung gänglich fehlt.
Wir stehen eoen am Ende einer Degeneration: ber
Ursprung ber Bildform — am kirchlichen Altar —
liegk im organisch Feskgefügten. Einen Sinn kann die
Graphik gegenwärti-g nur vom KlasseNkampf her ge-
winnen: hier liegt die akkuelle Bedewtung mik üen
propaganbistdschen Möglichkeiten, — hier ist auch
noch ber eigentliche Zweck des Dildes als Zimmer-
schinuck in unserer Uebergangsperiode möglich, — hier
liegt jeboch auch schon ble Grenze bes bürgerlichen
Kunskverlags.

Dles isk der äußere Anbllck bessen, was sich bem
Oberflächlichen als „Kunskhanbel" repräsenkierk. Dles
ist jeboch nur ein ganz kleiner Ausschnift aus >dein,
was sich als Bilderhanüel -abfpielt -. . nnd nicht
einmal ber wichkigste. Der Knnskhändler, der gestern
mik Ezpreffionisten und heuke mik atten Franzossn
hande'lk, verforgt ja nnr jene lfteine Gesellschasls-
schichk, bie einen SamiNlerwert bezahlen kann. Schon
zahtenmähig ist ihm die Sorke bes Kunsthanbels welk
überlegen, ber ble eigenkliche Brukstäkts bes Kiksches

ist und der . . . baS Proletariat versorgk. 2n unge-
heuren Aiengen wirft er seine billigen Aläiler aus
den Markk: Oeldrucke, die schon badiirch werilos
sind, bajz sie in falscher Weise eine auf Hand.irbeii
beruhende Technik imilieren; Dreifarbendrncke, die,
aus schlechkesiem Kunstdruckpapier gedruckk, auch dmch
die mlseiable Ausführung bie skrupellose Alajien.
fabrikakioii verraken: endlich Aabicrungen, sur deicn
Platts üem Zeichner oft zehn bis zwanzig Mark bc-
zahlt iverben, und die beshalb auch :>n Lulwuis
gleichgültig hingeschiiiierk werden inüssen, wenn der
Graphiker nichk verhungern ivill. Der Gegsnsland
des Bildes ist meisk aus alten Bilderkatalogen uud
illustrierken Ällchern abgepaust: bieselbsn Moiive
kehren immer wieder. Da ist vor allein Frideriuw >
Aex, mik bem auf den Heroenkntt des Kleinbürgers
spekulierk wirb; banu taiizende Kinber, spielende
Tiere oder Frauen mik sehnsüchtigen Blicken, da-
neben Szenen auS der Bibel unü schlechle Kopien
nach alten Gemälüen. Hier kennk man kaum eiu siok-
kenbes Geschäft: dies alles wandert in die Prole-
tarierstuben und verbirbt bort ben Blick durch seine
künstkerische Berlogenheit, wsnn nicht bas Alaii
zubem noch burch bie -eingeschinuggelle polilische
Tendenz bas schmuhige Geschäft der Aeaktion be-
treibt. Hier ist die eigenkliche Quelle dessen, was
hsuke einzig un-d allein als „proletarische Kunst"
hezeichnet werden kann und nichts mit leerer Ab-
straklion zu tmi h-at: das sind bie Bilder, die der
Prolekarier ku seiner großen Masse schciht und liebk
— unb hier kann elnzlg und allein der Hebel anze-
setzt lverden, um wieder zum ursprüiiglichen Sehen
zu gel-angen. Zunächst schießen berlei Geschäfte in
ben Arbeitervierkeln wie Pilze aus der Erde und
verberben das Auge, mie bie roaklionäre Presse
das Hirn verdirbt.

Die proletarischen Organisationen stehen dem pas.
siv gegenüber. Wer wird die llnikiative ergreifen?
 
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