Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

DOI article:
Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0006

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
3

Die akademische Kunstausstellimg in Berlin.

4

stellungsräume zu schaffen. Darmn ist auch von vem
Erbauer, Herru Baumeister Orth, die größte Mühe
darauf verwendet worden, einen Beleuchtuugsmodus zu
finden, der allen Auforderungen entspricht. Von den
etwa zwanzig Räumen, welche das Gebäude enthält,
sind vier durch direktes Oberlicht, die.übrigen durch
schräg einfallendes Seitenlicht erhellt worden. Die
ersteren erhalten ihr Licht durch eine Laterne mit erhöhten
Seitenwänden, die sich auf den vier schrägen Wandungen
dcs Daches erhebt. Diese Säle sind hauptsächlich für
plastische Werke und für Gemälde von größerem Um-
fange bestimmt. Jhr Grundriß ist quadratisch, während
der der anderen oblong ist. Diese oblongen Kabinete
sind mit sogenannten Jet- oder Pultdächern gedeckt, deren
eine Seite aus Glas besteht. Durch diese Glaswand
fällt das Licht schräg auf die gegenüber liegende Wand, die
allein für Gemälde bestimmt ist. Die Waud im Rücken
des Beschauers, die mithin von Gemälden frei bleibt, ist
mit Ruhebänken und Stühlcn besctzt. Damit nuu das
schräg einfallende Licht den Beschauernicht allzu sehr blende,
ist das abschließende Wandgcsims konsolenartig ziemlich
stark vorgekragt, so daß der Beschauer gewissermaßen im
Schattcn dieses Gesimses steht. Das gewünschte Resultat
ist in vollstem Maße erzielt worden. Die Beleuchtuug
ist vollständig und glcichmäßig; es giebt kcine Todten-
kammern und keine bevorzugteu Plätze mehr. Es wird
ini Gegentheil über zu große Helligkeit geklagt, vorzugs-
weise frcilich von dcnjenigeu, deren Bildern das Halb-
dunkel der alten Akademie besonders zuträglich war. Das
neue Licht, neu sür Bcrlin, weil die Jetdächer bisher
noch nicht zur Auwendung gelaugt sind, enthüllt unbarm-
herzig alle Schwächeu und stellt die Mittelmäßigkeit so
bloß, wie sie es verdieut. Jn letzterer Hinsicht hat die
neue Beleuchtung viel gesüudigt. Seit zehn Jahren hat
sich das Mittelmäßige uud das absolut Schlechte noch
auf keiner Kunstausstellung so unausstehlich breit gemacht,
wie auf der heurigen.

Die Jury scheint nur das Sittlich-Anstößigc und das
Lächerliche zurückgewiesem im Uebrigeu aber alles Gebotene
mit offenen Armen aufgenommeu zu haben. Uni all'
die Massen bemalter Leinewand unterzubringcn, hat sie
den Jntentioncn des Baumeisters zuwiderhandeln und
Bilder auch an den Schmalwänden der Säle aufhängen
müssen. Auf diese Weise sind wieder glücklich Plätze zu
Stande gcbracht worden, die mangclhaft beleuchtet sind.
Es braucht nicht besonders hcrvorgehoben zu werdcn, wie
falsch und schädlich die von der Zury angewendete geringe
Kritik gerade für das große Heer der talenilosen Streber
ist, die da glauben, durch Aufnahme eines ihrer Bilder
in die akademische Ausstellung einen Freibrief erhalten
zu haben, um alljährlich so und so vicl Ellen Leinewand
verderben zu könncn. Die Menge solcher absolut talent-
und gcschickloscr Maler, die sich in der diesjährigen

Ausstellung breit machen vurfte, ist geradezu erschrecklich.
Jhr Berichterstatter über die letzte akademische Aus-
stellung in Berlin hat diesen Punkt bereits ausführlich
beleuchtet und am Ende angedeutet, daß die Jury durch
ein solches kritikloses Verfahren sich zum Mitschuldigen
an dem Elend macht, dem solche unglückselige Naturen
über kurz oder lang verfallen müssen.

Der Katalog der 50. Ausstellung zeichnet sich vor
seineu Vorgängern nur durch einen bessercn Druck aus;
im Uebrigcu HLngen ihm die alten, hundertmal gctadcl-
ten Zöpfe an. Wenn wir auch zugeben wollen, daß die
Verfasser des Katalogs sich im Großen und Ganzen an
die Mittheilungen der Künstler selbst über das Sujet
ihrer Gemälde u. s. w. zu halten haben, so darf man
doch billig erwarten, daß ein blühender Unsinn, wie
z. B. Nr. 17: „Kostümfigur im Festanzug" oder gar
wie Nr. 820: „ein Kostümkopf" nicht gedruckt werden
darf. Vom wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet,
ist der Katalog völlig werthlos. Er bietet nicht das
geringste Material zur Geschichte der zeitgenössischcn
Kunst. Auch sein praktischer Werth ist ein sehr mäßiger,
da er sich bei den meisten Kunstwerken nicht übcr Auf-
klärungen genereller Art erhcbt.

Obwohl dic Durchschnittsphysiognomie der Aus-
stellung eine ungünstige ist, ist deunoch eine Anzahl von
Meisterwerken zu registriren, die uns mit berechtigteni
Stolze auf den gegenwärtigen Stand der deutschen Kunst
erfüllen. Gerade mit Rücksicht auf diese Meisterwerke
ist es doppelt beleidigcnd, daß die Jury die Masscn-
fabrikate von gewöhnlichen Stümpern in dieselben Säle
hängt, wo ein Menzel, ein Knaus, ein Richter, ein
Camphausen, ein Gentz, ein Gussow das Beste ihres
Könnens hergegeben haben, wo endlich die beiden Achen-
bach's in unvergleichlicher Schönheit prangen. Es ist
meines Erachtens nicht der Zweck der akademischen Aus-
stcllung, alle zwei Jahre zu zeigen, wie viel vier- bis
fünfhundert Maler und Bildhauer fertig zu bringen i>u
Stande sind, sondern vielmehr eine möglichst übersickch
liche Darstellung vou dcr künstlerischen Bewegung *u
Deutschland zu geben. Und das ist auch erreicht, weun
statt der 1100 Nummern, die der Katalog zeigt, etwa
die Hälfte ausgestellt worden wäre. Jetzt gleicht dee
Besucher der Ausstellung einem Taucher, der zwölf Ma
niedertaucht, bevor er eine Perle oder auch blos eliw
Koralle findet. Es ist wirklich eine Qual, sich dur )
die betäubende Masse von widerlichen TrivialitLten
licher Art hindurch schlängeln zu müssen, um alle
Schritt vor einem guten Bilde steheu bleiben zu könncw
Freilich hat die kgl. Akademie dafür gesorgt, daß
erschöpfte Wanderer sich auch an anderen Delikatesstu,
als an den gemalten Frühstückstischen und den genialtl-U
Früchten und Gemüsesorten erguicken darf. Es ist "
dem neuen Gebäude auch Raum für eine Rcstauratw
 
Annotationen