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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0008

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Nekrologe.

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bildete, der sich nnt jedeni Herbst in erfreulicher Weise
vergrößerte. Man braucht nur an die Namen Fagerlin,
Nordenberg, Iernberg, Lork u. A. zu erinnern, ohne
der vielen ausgezcichneten Landschaftsnialer zu gedenken,
die demselben angehören und die sich früher hauptsäch-
lich uui Gude schaarten. Auch mehrere dcutsche Künstler
standen unter dem besonderen Einfluß Tideniand's, wie
dcr bcgabte Hubert Salentin, der zu seinen nächsten
Freunden zählte. Tidemand war als Künstler eine eben-
so bedeutende wie eigenartige Erscheinung. Er wußte
freundliche Anmuth, elegischen Ernst und eine edle
Haltung mit einer gewissen Großartigkeit der Auffassung
zu vereinen, die auch den scheinbar unbedeutendsten
Stoffen cinen fesselnden Reiz verleiht. Dabei erwies
er sich stets als ein großer Psychologe und überraschte
durch die außerordentliche Wahrheit und Treue einer
lebendigen Darstellung. Seine Charaktere sind der
Natur abgelauscht, und mit den einfachsten Mitteln bringt
er eine bedeutsame Wirkung hervor. Man hat ihm
mit Unrecht Mangel an Schönheitsgefühl vorgeworfen.
Die urwüchsige Kraft norwegischer Bauern würde nicht
so überzeugend zur Geltung konimen, hätte sie der
Künstler in akademischer Verschönerung wiedergegeben.
Die seelenvolle Auffassung und die meistcrhafte Jndivi-
dualisirung dürften wenig Andere mit ihm theilen. Seinc
Farbe ist kräftig, frisch und von großem Schmelz, seine
Pinselführung breit und markig, doch ohne Prätension.
Frei von gesuchten Gegensätzen, machen seine Bilder den
einfachen Eindruck der Nakur. Sorgfältigcs Studium
und gediegene Behandlung crhöhen ihren Werth und
lassen die Gesammtwirkung überaus harmonisch erscheinen.
Tidemand war in Folge körperlichcr Leiden und mehrfacher
Reisen vielleicht nicht ganz so produktiv wie viele Andcre
seiner Kunstgenossen, doch hat er eine stattliche Reihe
namhafter Werke geschaffen, die seinem Namen in der
Kunstgeschichte dauernden Ruhm sichcrn. Wir nennen
Lavon: „Norwegische Weihnachtssitte" (1846), — die
gemüthliche „Familienscene" (1846), wo Großmutter
und Enkel nach der Geige des Baters tanzen, — „Nor-
wegische Bauernkirche" (1846), ein Bild, welches die
zahlreichcn Darstellungen religiöser Handlungcn würdig
eröffncte, die seinem wahrhaft frommcn und keuschen
Sinn besonders zusagten und gelangen — „Katechisation
des Kllsters in eincr Landkirche Norwegens" (1847,
Eigentbum dcs Königs von Schweden), — „Der Brief-
leser" (1847, im Besitz des Präsidenten Merkens in
Köln), der namentlich durck Len Ausdruck rührcnder
und doch gefaßter Traurigkcit fesselt, die sich auf dem
Antlitz des Eltcrnpaars spiegelt, welchem der Schulmeister
eine erschütternde Nachricht vorliest, — „Häusliche
Scene" (>847, Eigenthum dcs Herrn Eckhardt in
Düsseldorf), — „Die Haugianer" (1848, Eigenthum der
städtischen Gemälde-Galerie in Düsseldorf, eins der her-
vorragendsten Werke Tidemand's, das hauptsächlich seincn
Ruf begründetc.) Dasselbe schildert in meisterhafter
Charakteristik die Nachmittagsandacht einer rcligiösen
Sekte, die sich mit dcm kirchlichen Gottesdienst nickt
begnügt und sich nun in der von Rauch geschwängerten
Hütte versammelt, wo ein Jeder das Wort nehmen
kann, dem „der Geist es eingiebt". Ein Baucr hätt
vom Stuhl herab einen schwärmerischen und begeisterten
Vortrag, dem Alt und Jung in gläubiger Hingebung
lauscht. Wolfgang Müller von Königswinter sagt bei
der Beschreibung dieses Bildes bezeichnend: „Diese Ge-

schichtcn erinnern an die kantigen Granitgebirge und die
stillen Seen, welche sich zwischen jenen dahinziehen. Sie
sind schroff wie die ersten unv tief wie die zweiten. Wie
auf dem Antlitz des Wüsten-Arabers die Stille unv
Oede des endlosen heißen Sandes geschrieben stehen, so
sieht man auf diesen Stirnen die wilde Kraft der Polar-
gegenden. Selbst die Frömmigkeit hat hier einen andern
Charaktcr. Dieser Sektenglaube ist unbeugsame trotzige
Festigkeit." Bei Buvdeus iu Düsseldorf ist ein
wirkungsvoller Stich nach diesem Bilde erschienen, ven
Fritz Werner (der jetzige Maler) begonnen und H. Sagert
vollendet hat. Tideinand hat es später noch zweinial
gemalt, für die Nationalgalerie in Christiania und für
einen Privatmann in England. Auch von der „Braut-
fahrt auf deni Hardanger Fjord" (1848), einem ans-
gezeichneten Bilde, das er genieinschaftlich mit seineitt
Freund und Landsmann Hans Gude malte, mußte er
drei Wiederholungen liefern, die er allerdings etwas
veränderte. Die drei Gemälde befinden sich im Besitz
des Kunstvereins von Christiania, des Lord Ellesmere
in London und des Dr. Lessing in Berlin. — Das
„Norwegische Bauernleben" (1850), ein Chklus von
zehn Bildern, für den Speisesaal des Schlosses Oskars-
hall bei Christiania, schildert in höchst sinnigen und
poetisch gedachten Kompositionen das ganze menschlichV
Leben. nämlich 1. Knabe und Mädchen auf Ler Senne,
2. Die Brautwerbung, 3. Der Brautzug in die Kirche,
4. Familienglück (das erste Kind), 5. Familiensorge (das
kranke Kind), 6. Des Vaters Unterricht, 7. Nächtlicher
Fischfang auf dem Fjord, 8. Der Mutter Unterriäst,
9. Des jüngsten Sohnes Abschied, 10. Dcr einsaincn
Eltern Trost (das Lesen der Bibel). Die Bilder sind,
dem architektonischen Zwcck entsprechend, in ziemlich derber
und kräftiger Weise auf Zink gemalt. Die Kartons
derselben befinden sich im Besitz des Kunsthändlers
Eduard Schulte in Düsseldorf und bilden eine der
schönsten Zierden der Permanenten Ausstellung desselben.
Auch sind sie von Sonderland lithographirt worven nnv

mit einem schöncn Titelblatt von Kaspar Scheurcn unv

poetischem Text von Wolfgang Müller von Konigswinter
als Prachtalbum im Verlag des Herrn Schulte erschienen.
Jm Verein mit Gude malte Tidemand darauf: „Abeuv
auf einem norwegischen Binnensee" (Eigenthum der
Berliner Nationalgalerie) und „Nächtlicher Fischfang
(für den Kunstverein in Wien, beide 1851), sowie das
große und ganz vortreffliche „Leichenbegängniß am Sogin
Fjord (1852, im Besitz des Marquis von Lansvownc),
ein Bild, in welchem beide Meister ihre Befähigung
glänzend bekundeten, und „Norwegische Fischer" (lithv)
graphirt von A. Hann). — Allein schuf er dann wiedei^
„Gottesdienst in einer Dorfkirche" (1851, für den Mi-
nister Düe in Stockholm), — den mehrmals wiederhotlc>i
„Rath der Nachbarin" (1852), worin besonders vw
Alte zu rühmen ist, die der Mutter eines kranken Kindc
Rathschläge giebt, den „Brief aus Amerika" (18^ /
und die drei von Dirks lithographirten, anziehen
Gemälde, „Die Wittwe", „Wohlthätigkeit" (im Besiv
des Herzogs v. Hamilton) und „Der Großmutter Oc
ling" (Verlag von Ed. Schulte), deneu andere gem"
volle Darstellungen folgtcn: „ErzLhlende Großmutic
(1856) — „Der Mutter Unierricht" — „Familie
Heerd" — „Die Nachbarn" — „Der Blinde und ,ei-
Tochter". Ernster und kraftvoller wirkte „Der
wundete Bärenjäger" (1856, lithographirt von Feckeri--
 
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