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Studien über englische Kunst.
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geschildert hat. Das Kapitel über Gainsborough als
Lanbschafler, uüt welchem das Buch beginnt, gehört zu
den bestcn und feinsteu desselben; es ist voll von treffen-
den Apcryus und charakterisirt den Künstler in er-
schvpfender Weise. Es wird uns der Zusannuenhang
der Landschaftsmalerei Gainsborough's niit seiiiem Stil
im Porträt dargelegt, welcher sich bekanntlich stark an
van Dyck anlchnte, und es giebt Zeugniß von der
scharfen Auffassung unseres Autors, wenn er an einer-
Stelle bemerkt, daß Gainsborough auch den Forst „Krsut
Oornurä" (in der Nationalgalerie zu London) nüt dem
Kolorit van Dyck's gemalt hat. ° Jnteressant ist es, daß
der Meister die Landschaftsmalerei nur als Privatpassion
betrieb, und daß seine Leistungen auf diesem Gebiete fast
keine Käufer fandcn, sondern die Wände von „Lotioin-
bsr^ IIou8s", seinem stattlichen Wohnhause in Pall-
Mall, bis zum Tode Gainsborough's schmückten, weil
die damalige Zeit überhaupt wenig Sinn für die Land-
schaft besaß. Dennoch wurden diese vernachlässigtcn
Werke von den Kennern nicht ganz übersehen, und der
große Reynolds äußerte sich sogar einmal bei einer
feierlichen Gelcgenheit, daß Gainsborough der erste Land-
schafter seiner Zeit sei. Für England war dieser, in
seiner allZcmeinen Fassung wohl übertriebene, Ausspruch
ganz berechtigt; denn eigentlich hat Gainsborough in
seiner Heimat zuerst die große Landschaftsmalerei ein-
geführt und ist als Hanpt derselben anzusehen, so sehr
auch seine bedeutendsten unmittelbaren Nachfolger, Mor-
land und Wheatley, sich von seincm Stile entfernten.
George Morland (1764—1804), der Sohn eines
nicht verdienstlosen Malers, von welchem er Unterricht
in seiner Kuust erhielt, wendete sich anfangs dem Genre
zu und malte häusliche Familienscenen sowie Bilder
nach beliebten Erzählungcn der Zeit; später gewann der
landschaftliche Hintergrund auf seinen Gemälden immer
mehr an Bedeutung, obgleich noch iminer die Staffage
von Figuren und Thieren eine bedeutende Rolle spielte.
Seine Auffassnng war eine ganz realistische: er idealisirt
nicht, sondern schildcrt alles, wie cs sich ihm in der
Wirklichkeit darstellt, und findet, nach Art der Nieder-
länder, an den „ooinincm ttiin§s", an dem Leben der
kleinen Leute besonders Gefallen. Doch arbeitet er sich
nicht selten an der Schönheit und Kraft der Natur zur
Höhe einer vollen und glänzenden Wiedergabe derselben
empor, wie zwei seiner besten Bilder, „Ausziehende
Fischer" und „Die Reisenden", darthun. Jedenfalls
hätte er Bedeutenderes leisten können, wenn nicht seine
unordentliche Lebensweise, welcher er die Bckanntschaft
mit dem Schuldgefängnisse und seinen frühen Tod
verdankt, auf die Entwickelung seines reichen Talentes
hemmend eingewirkt haben würde. Dagegen hatWheatley
(1747—1801) unausgesetzt mit gleichem Fleiße gearbeitet
und sich stets so liebevoll in's Detail vertieft, wie Gains-
borough dies nur in seiner ersten Zeit gethan. Sein
hauptsächliches Verdienst liegt aber nicht in seinen land-
schaftlichen Oelgemälden, welche ihm im Jahre I79i
die Ehrc der wirklichen Mitgliedschaft an der Londoiier
Akädcmie eintrugen, sondern in seincn kleinen, studieN'
artigen Aquarcllen, welche bis heute einen großen
bewahrt habcn. Bei aller Jdealisirung verläßt Wheatleb
in diesen Aquarellen nirgends die Bahn der Natur »nd
verfällt nur selten dcr Sentimentalität, der Krankheck
seincr Zeit, in dem Maße, daß sie den Werth sei»»>
Arbeiten bceinträchtigt.
Sir Joshua Reynolds (>723—1792), de>'
König der englischen Maler, über den sein Vaterland
das Füllhorn aller Ehren ausgeschüttet hat, welche
einem Künstler bieten kann, ist neben Turner unstreitig de>'
auf dem Kontinente am meisten gekannte englische Malei'
Wir überlassen es dahcr dem Leser, den zutreffenden A»s'
führungen Wedmore's über die Malweise und über dn
hervorragendsten Werke von Neynolds zu folgen 'u»^
heben nur das interessante Detail hervor, daß bei Lcb'
zeiten des Meisters Reproduktionen seiner Arbeiten
allgcmein verbreitet und verkauft wurden, wie vergleich^
weise heute Photographien von „beliebten" Bildei'»'
Der Mezzotintostich war damals am meisten im SchwangO
und die englischen Stecher hattcn sich unbewußt zu eii»»
erstaunlicheu Virtuosität in dieser Manier herangebildet'
so geben denn auch die Stiche nach Reynolds nicht »»>
die Zeichnung, sondern auch die Farbe, ja die Pinse^
führung nüt überraschender Treue und Feinheit wiede>''
Reynolds selbst äußerte gelegentlich eines Stichcs »»»
Mc. Ardell nach einem seiner Bilder: „Durch dicst''
Ma»n wurde ich der Unsterblichkeit überliefert!" ^
der That stand der Mezzökintostich in dem letzten Viei»
des vorigen Jahrhunderts in England auf dem Gipn.
seiner Vollendung, und die Manier ist überhaupt h>^
ausschließlich von englischenKünstlern angewendet worve»'
Trotz ihrcr Unvollkommenheiten und unvermeidlicl)b>>
Mängel war sie für die Wiedergabe der Reynolds'sch»»
Bilder nach deren Malweise besonders geeignet,
auch auf dem Kontinente ist der Sammler recht f>'»"s
wenn er die nicht häufige Gelegenheit hat, ein MeZZ^)
tinto von Mc. Ardell, Iames Watson, I. Raph»>
Smith oder Valentine Green, den bedeutendsten Repra!>'»
tanten dieser Manier, in einem schönen Exemplare Z»
erwerben. -
Mit Stothard (1755—1834) verschafft
unser Äutor die Bekanntschaft eines Künstlers, wcl^
als der Ersten ciner sich dem echt englischen Genre
Jllustrationen zugewandt hat. Das britische Must'».^.
bewahrt mehr als 2000 Jllustrationen, zu denen er' ^
Zeichnung geliefert hat. Gleichsam zur Erholung »
dieser Werktagsarbeit ließ er sich auch in größere kü» ^
lerische Unternehmungen ein; er schmückte einige 8ui»>
Studien über englische Kunst.
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geschildert hat. Das Kapitel über Gainsborough als
Lanbschafler, uüt welchem das Buch beginnt, gehört zu
den bestcn und feinsteu desselben; es ist voll von treffen-
den Apcryus und charakterisirt den Künstler in er-
schvpfender Weise. Es wird uns der Zusannuenhang
der Landschaftsmalerei Gainsborough's niit seiiiem Stil
im Porträt dargelegt, welcher sich bekanntlich stark an
van Dyck anlchnte, und es giebt Zeugniß von der
scharfen Auffassung unseres Autors, wenn er an einer-
Stelle bemerkt, daß Gainsborough auch den Forst „Krsut
Oornurä" (in der Nationalgalerie zu London) nüt dem
Kolorit van Dyck's gemalt hat. ° Jnteressant ist es, daß
der Meister die Landschaftsmalerei nur als Privatpassion
betrieb, und daß seine Leistungen auf diesem Gebiete fast
keine Käufer fandcn, sondern die Wände von „Lotioin-
bsr^ IIou8s", seinem stattlichen Wohnhause in Pall-
Mall, bis zum Tode Gainsborough's schmückten, weil
die damalige Zeit überhaupt wenig Sinn für die Land-
schaft besaß. Dennoch wurden diese vernachlässigtcn
Werke von den Kennern nicht ganz übersehen, und der
große Reynolds äußerte sich sogar einmal bei einer
feierlichen Gelcgenheit, daß Gainsborough der erste Land-
schafter seiner Zeit sei. Für England war dieser, in
seiner allZcmeinen Fassung wohl übertriebene, Ausspruch
ganz berechtigt; denn eigentlich hat Gainsborough in
seiner Heimat zuerst die große Landschaftsmalerei ein-
geführt und ist als Hanpt derselben anzusehen, so sehr
auch seine bedeutendsten unmittelbaren Nachfolger, Mor-
land und Wheatley, sich von seincm Stile entfernten.
George Morland (1764—1804), der Sohn eines
nicht verdienstlosen Malers, von welchem er Unterricht
in seiner Kuust erhielt, wendete sich anfangs dem Genre
zu und malte häusliche Familienscenen sowie Bilder
nach beliebten Erzählungcn der Zeit; später gewann der
landschaftliche Hintergrund auf seinen Gemälden immer
mehr an Bedeutung, obgleich noch iminer die Staffage
von Figuren und Thieren eine bedeutende Rolle spielte.
Seine Auffassnng war eine ganz realistische: er idealisirt
nicht, sondern schildcrt alles, wie cs sich ihm in der
Wirklichkeit darstellt, und findet, nach Art der Nieder-
länder, an den „ooinincm ttiin§s", an dem Leben der
kleinen Leute besonders Gefallen. Doch arbeitet er sich
nicht selten an der Schönheit und Kraft der Natur zur
Höhe einer vollen und glänzenden Wiedergabe derselben
empor, wie zwei seiner besten Bilder, „Ausziehende
Fischer" und „Die Reisenden", darthun. Jedenfalls
hätte er Bedeutenderes leisten können, wenn nicht seine
unordentliche Lebensweise, welcher er die Bckanntschaft
mit dem Schuldgefängnisse und seinen frühen Tod
verdankt, auf die Entwickelung seines reichen Talentes
hemmend eingewirkt haben würde. Dagegen hatWheatley
(1747—1801) unausgesetzt mit gleichem Fleiße gearbeitet
und sich stets so liebevoll in's Detail vertieft, wie Gains-
borough dies nur in seiner ersten Zeit gethan. Sein
hauptsächliches Verdienst liegt aber nicht in seinen land-
schaftlichen Oelgemälden, welche ihm im Jahre I79i
die Ehrc der wirklichen Mitgliedschaft an der Londoiier
Akädcmie eintrugen, sondern in seincn kleinen, studieN'
artigen Aquarcllen, welche bis heute einen großen
bewahrt habcn. Bei aller Jdealisirung verläßt Wheatleb
in diesen Aquarellen nirgends die Bahn der Natur »nd
verfällt nur selten dcr Sentimentalität, der Krankheck
seincr Zeit, in dem Maße, daß sie den Werth sei»»>
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Sir Joshua Reynolds (>723—1792), de>'
König der englischen Maler, über den sein Vaterland
das Füllhorn aller Ehren ausgeschüttet hat, welche
einem Künstler bieten kann, ist neben Turner unstreitig de>'
auf dem Kontinente am meisten gekannte englische Malei'
Wir überlassen es dahcr dem Leser, den zutreffenden A»s'
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hervorragendsten Werke von Neynolds zu folgen 'u»^
heben nur das interessante Detail hervor, daß bei Lcb'
zeiten des Meisters Reproduktionen seiner Arbeiten
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weise heute Photographien von „beliebten" Bildei'»'
Der Mezzotintostich war damals am meisten im SchwangO
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erstaunlicheu Virtuosität in dieser Manier herangebildet'
so geben denn auch die Stiche nach Reynolds nicht »»>
die Zeichnung, sondern auch die Farbe, ja die Pinse^
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Reynolds selbst äußerte gelegentlich eines Stichcs »»»
Mc. Ardell nach einem seiner Bilder: „Durch dicst''
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der That stand der Mezzökintostich in dem letzten Viei»
des vorigen Jahrhunderts in England auf dem Gipn.
seiner Vollendung, und die Manier ist überhaupt h>^
ausschließlich von englischenKünstlern angewendet worve»'
Trotz ihrcr Unvollkommenheiten und unvermeidlicl)b>>
Mängel war sie für die Wiedergabe der Reynolds'sch»»
Bilder nach deren Malweise besonders geeignet,
auch auf dem Kontinente ist der Sammler recht f>'»"s
wenn er die nicht häufige Gelegenheit hat, ein MeZZ^)
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Smith oder Valentine Green, den bedeutendsten Repra!>'»
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Mit Stothard (1755—1834) verschafft
unser Äutor die Bekanntschaft eines Künstlers, wcl^
als der Ersten ciner sich dem echt englischen Genre
Jllustrationen zugewandt hat. Das britische Must'».^.
bewahrt mehr als 2000 Jllustrationen, zu denen er' ^
Zeichnung geliefert hat. Gleichsam zur Erholung »
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