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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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Berggruen, Oskar: Die Entwürfe zum Wiener Grillparzer-Denkmale
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0156

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303

Kunstliteratur.

und sein österreichisches Gemüth eingaben, und ihr dann
die Flügel seiner Phantasie ansetzte, um sich mit ihr
im modernen „romantischen Lande" zu tummeln; wir
finden daher, daß der Künstler in diesem Falle, um mit
Goethe zu sprechen, „zu antik gewesen" und daß er
seinen Stoff hätte „moderner lesen" sollen. Die zum
Symbole des tragischen Pathos und des lyrischen
Gemüthslebens erhobenen Darstellungen der Medca und
der Sappho in den erwähnten Gruppen zengen von
vollendeter künstlerischer Ueberwindung des Materials;
nur in der Medea glauben wir einen leisen theatralischen
Zug zu verspüren, der uus an diesem mit antiker
Schlichtheit behandelten Monumente nicht recht behagen
will. An der Figur des Dichters stören uns die Falten
der Gewandung, welche zwischeu den Knieen massenhaft,
gleich eineni kleinen Wasserfall, hervorquellen. Das
Hauptbedenkeu gegen diesen Entwurf bildet aber dessen
Material. Für ein in einem Garten aufzustellendes
Monument ist, nach unserer Ansicht, der Marmor
obligat. Von dem grünen Hintergrunde hebt sich eine
Marmorgestalt leicht und anmutyig ab, der Wechsel
von Licht und Schatten spielt reizvoll auf dem lichten,
edlen Material und durch das ganze Monument geht
ein belebender Hauch. Eine Bronzegestalt aber und
der durch dieselbe bedingte dunkle Sockel müssen von
vornherein des koloristischen Reizes entrathen, welchen
der grüne Hintergrund dem Marmor verleiht, das
Monument absorbirt die Lichtmassen, ohne sie auf solchem
Hintergrunde in der Silhouette zur gehörigen Geltung
zu bringen, und wenn mit der Zeit sich die Patina
einstellt, so wird der Effekt der Bronzefigur noch geringer.
Wie glücklich die Marmorfigur im Garten wirkt, das
hat gerade in Wien das reizvolle Kundmann'sche
Schubert-Denkmal ini Stadipark, unstreitig das ge-
lungenste neuere Monument, welches Wien besitzt,
schlagend dargethan.

Unter den übrigen Entwürfen verdient der mit
„Spero" bezeichnete besondere Erwähnung wegcn der
wohlerwogenen Komposition uno dcs großen plastischen
Zuges, der in demselben zum Ausdruck gelangt; die
Sockelfiguren sind trefflich durchgebildet und beleben das
im Ganzen etwas zu schwer gerathene Postament; mit
der sitzenden Dichtergestalt dagegcn konnten wir uns
nicht befreunden. Das Gleiche ist der Fall bei dem
mit der Devise: „Habsburg's Name glänze bei den
Sternen!" versehenen Entwurfe. Anch da ist die Haupt-
figur mißrathen; die Gruppen am Sockel dagegen, ins-
besondere die vordere, welche den siegreichen Rudolf von
Habsburg vor der Leiche des gefallenen Przemysl Otto-
kar darstellt, sind von ausnehmender Schönheit und
bekunden ein hervorragendes Talent. Zwei in ihrer An-
lage ähnliche Entwürfe unter den Bezeichnnngen: „Sei
esl" und „Llons u^itut inolsin!" würden wegen

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mancher gelungener Details interessiren, wenn nichl
Hauptfigur gar so unglücklich ausgefallen wäre, un°
wenn nicht überdies die vier auf den Sockelecken aust
gepflanztcn Kandelaber einen unangenehmen katafu^
artigen Eindruck hervorbrächten. Der Rest sei Schweig^'
Auf die Frage, welchen der erwähnten Entwü^
wir mit dem Preise gekrönt wissen möchten, können u'U
uns vor dem Ausspruche der Preisrichter natürlich niül^
einlassen; auf die Frage aber, welchen Entwurf uB
ausgeführt sehen wollten, müsscn wir gerade heruu^
sagen: keinen! So wie sie da stehen, ohne Abändernng^
will uns keincr der Entwürfe zusagen; bei zwei
drci dersclben aber würden bald größere, bald zering^
Modifikationen genügen, um eiu Werk zu schaffen, ^
würdig wäre des Dichters, dem die monunicntale HU'
digung gilt, und würdig der architektonischcn und dck^
rativen Verschönerung, welche die Stadt Wien in
letzten zwei Decennicn so glücklich erfahren hat.

Oskar Berggruen-


ümistlitkratilr.

Anleitung znm Stndium dcr Pcrspcktive und dercn
wendung vouG- F.Hetsch. Nach der dritten dänis^
Auflage deutsch bearbeitet von vr. I. Scholz. ^ip
zig, T. O. Weigel. 1877. 8.

Gruiidzügc dcr pcrspcktivischcnSchattciilchre vonG-^^
berger. Müuchen, Manz'sche Hofbuchhandlu^
1876. 8.

Die geringe Zahl derjenigen Maler, welche
eine deutliche Vorstellung von Perspektive haben, steh!
auffallendem Mißverhältniß zu der Zahl der Lehrbüch^
welche diese Hilfswissenschaft behandeln. Die Ursu"',
scheint uns darin zu liegen, Laß tie meisten Bücher
Perspektive mit einer gewissen Pevanterie vortragen- ^
Jm Großen und Ganzen sind die optischen
scheinungen, nüt welchen die Perspektive sich beschäs^^'
auch dem Anfänger in der Zeichenkunst bekannt, "
es bedarf in der That uur einer geringen Aufmerks^,
keit, um die Gesetze zu verstehen, auf welche jene
scheinungen sich zurückführen lassen.

Die direkte mündliche Unterweisung im

tivischen Zeichnen geschieht am besten augesichk^

hk'-

Natur; in einem Lehrbuche werden zweckmäßig gen'U'^^
Beispiele den Mangel unmittelbarer Jkaluranschuu"
ersetzen müssen. An einfacheu geometrischcn Fig'^
läßt sich nur die nackte Theorie uachweisen, welchd
jungen Künstler abschreckt, da er die allgemeinc
wendbarkeit der Regeln sich nicht vergegenwärtigcn kus
die Phantasie ihm nicht zu Hilfe kommt; die svst"^
Anwenduug jeber Regel auf anregende Beispiele ist
Hauptsache und zwar auf solche Beispiele, wclch^^
augenfälliger Weise deu Zusammenhaug zwischcn
 
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