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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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C. C. Newton's Bericht über die Schätze von Mykenä, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0259

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C. T. Newton's Bericht über die Schätze von Mykenä.

510

5i)g

allzu üppiges Wachslhum in Schranken hielten, als
° der Künstler die scheinbare Regellosigkeit der Natur
^dzuglejchen und sein Werk zu einem Ausdruck ver-
^Sener Ordnung zu gestalten suchte. Die Pflanzen-
^ Thiermuster des mykenischen Schatzes scheinen das
'3eb,,iß yon Naturcindrückcn zu sein, welche lebhaft
^'»»8 waren, um in einem ungebildeten Sinn die nach-
dl»e>ide FLHigkeit zu wecken, welche aber die ungeschulte
'-'»Nd noch unfähig war^ künstlerisch wiederzugeben.

. „Die Thierfigurcn, welche uns hier begegnen,
^den nur einen sehr kleinen Maßstab, da sie an Ge-
^»gen, Schciben und andern Zierrathen angebracht sind,
^che wohl zu gutem Theil auf Kleider genäht geweseu
»wgen; audere sind augenscheinlich Spangen oder
O'dulae. Unter den Thieren finden wir Hirsche, Leoparden,
^'gentlich auch Sphinxe und Greifen, aber das Lieb-
»gsthier ist der Löwe. Von diesen ist eine ganze An-
^ in Relief vorhanden, ungefähr 3 Zoll lang; ihre
' »hnen sind ganz glatt, ohne eine Andeutung von
»aren. Sie sind hingelagert, die Köpfe nach vorn in
, ? Haltung, welche bei ägyptischen Porzellanfiguren so
^»stg ist; von viesen mag dieser mykeuische Löwenthpus

dk»n


auch möglicherweise herstammen. Auch sind viele

»!i,

»»e von Vögeln, Hirschen und anderen Thieren da,

^ einander zugewandten Köpfen. Die menschliche
.. /stalt kommt nur sehr selten vor. Jch bemerkte einc
»nla in Gestalt einer Frauenfigur in langem Gewande,
^"ches außen nach den Füßen zu breiler wird und vom

Obe

sttid

gegen die Brust sich allmählich öffnet. Die Brüste

dvll und gleichen in dcr Form denen moderner
^»lscher Götterbihder. Jn ihreu ausgestreckten Händen
djo Fjgur eine Guirlande, über ihrem Haupte er-
^>»t xjn Blumenornament, und aus einem solcheu
chringi auch die gauze Gestalt. Ein anderes sehr
^lwürdiges Stück ist eine nackte FraucufigursAphrodite?)
«ner Taubc auf dem Kopfe; ciue zweite Taube sitzt
ihrer Schulter, im Begriff davouzufliegen. Die
. chandlung gcwisser Einzelheiten in dieser Figur, von
; chkr zwei Exemplare vorhanden sind, stimnit mit der-
Üh ^ stner barbarischen weiblichen Idole von Marnior
^ ^Ui, jn welchen Ludwig Roß Arbeiten der Karer
^»»ithete*). Vielleicht das allerinteressanteste dieser
. »»ucksachen ist ein Altar, denen ähnlich, welche auf
^hprischen Münzeu vorkommen. Jm unteren Theile
^sts Bauwerkes befindcn sich zwei schmale Thüren odcr
^.)chen nüt ciner Säule in jeder; einige Linien daruntcr
cine Alauer oder einen Fußboden bezeichnen.
kleinen Schmucksachen sind aus sehr dünnen Gold-
^'lchen gemacht, welche eher gepreßt als in die Form

^»hrt ^ llioß, Archäolog. Aufsätze l, L2 ff. Die Ansicht
keü , »'klmehr vou Thisrsch her, während Roß ihre Richtia-
°°S'»eifelt.

hineingehämmert zu sein scheinen. Steinerne Hohl-
formen, welche offenbar als Matrizen für diese Orna-
mente dienten, fand man in der Erde, bevor man an
die Gräber gelangte. Diese Formen haben große Aehn-
lichkeit mit den in Nimrud und in Kameiros auf Rhodos
gefundenen. Manche dieser kleinen Reliefs mögen
ursprüuglich paarweise gearbeitet worden sein, um Rücken
an Rücken mit einander verbunden zu werden. In einem
Falle ist diese Verbindung durch ein Stück Silber bewerk-
stelligt wordeu, welches zwischen die beiden Plältchen
gelegt ward.

„Ueber die Asche auf dem Boden des Frauengrabes
war eine ungeheure Menge von Reliefscheibeu ausge-
streut. Jhr Durchmesser ist wohl etwas größer als eine
englischc Krone, ihre Dicke geht uicht über die sehr dünner
Karteupappe hinaus. Die Kreise sind an ihren Rändern
meistens sehr scharf, als ob sie mit einem Stempel
herausgeschlagen wären. Die Bilder auf diesen Scheiben
uehmen fast das ganze Feld cin. Unter den beständig
wicderkehrenden Typen befinden sich ein Schmetterling,
naturalistischer behandelt als in der späteren griechischen
Kunst üblich ist, cin Tintenfisch, ein Labyrinth, eine
runde Blume (Rosette), cine Verbindung vou Spiral-
liuien. Die Asche, auf welcher diese Scheiben lagen,
inuß noch heiß gewesen sein, als letztere darauf gelegt wur-
deu, da einige von ihnen Spuren von Feuer aufweisen.

„Ferner eiue große Menge ruuder Knöpfe und
anderer Zierrathe, an welchen das Muster zuexst in ein
Stück Knochen geschuitzt worden ist, das dann mit Gold
überplattirt ward. Diese Muster sehcn auf den ersten
Blick byzautiuisch aus, ein Eindruck, der namentlich durch
ein gleicharmiges Kreuz, das sich unter ihnen befindet,
hervorgebracht wird. Aber ähnliche Muster kommen auch
auf, der Fayade des Midasgrabes in Phrygien vor.

„Diejenigen Zierrathe, welche sich mit Sicherheit als
Theile von Halsbändern bezeichnen lasscn, sind hohle
goldene Perlen und Lotosblumengehängc, aus sehr düunen
Platten herausgeklopft uud vou sehr roher Arbeit. Sie
haben eine breite Schlinge, uni damit an eine Schnur
oder Kette gehängt zu werden. Die Perlen sind aus
zwei Halbkugeln gebildet, welche lediglich zusammenge-
hämmert zu sein scheinen; wcnigstens findet sich keine
Spur von Löthmasse oder von Stiften. Dieselbe Art
von Perlen hat sich auch in Gräbern zu Jalysos auf
Rhodos gefunden. Andere solche Halsbandperlen aus
Ambra, sowie glatte Cylinder aus Amethyst, Sarder und
weißem oder dunkelblauem Glas kommen'in dem mykeni-
schen Schatze vor, aber nicht in solchen Massen wie in
den Gräbern zu Kameiros und Jalysos. Verschiedene
Goldplättchen mit einem Paar sich gegenüberstehender
Adler in Relief mögen auch wohl Gehänge von Hals-
bändern sein, da sie eine Schlingc haben.

(Schluß folgt.)
 
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