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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 12.1877

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C. C. Newton's Bericht über die Schätze von Mykenä, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5785#0276

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C. T. Newton's Bericht über die Schätze von Mokenä.

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andere ist ein sehr tiefer Becher mit kurzem Fuß, aber
ohne Henkel.

„3) Eine kleine alabasterne Schaufel in Gestalt
zweier verbundener Hände mit hohlen Handflächen, als
ob sie Wasser schöpfen sollten. Gefunden im Weiber-
grabe und vermuthlich bestimmt, Schönheitsmittel auf-
zunehmen. Jch möchte glauben, daß diese Gegenstände
von Alabaster fremde Einfuhrartikel sind, vielleicht aus
Sidon.

„4) Drei Streifen von Krystall, augenscheinlich
einst in irgend ein andres Material eingelegt. Die
Enden sind zugeschnitten, wie für einen Falz. Es sind
auch mehrere größere Krystallschleifen (Lnots) vorhanden,
welche Schliemann für Bekrönungen von Sceptern hält.

„5) Drei kleine Stücke ägyptisches Porzelan,
Troddeln, welche an Schlingen hängen. Von Glas
scheint nichts gefunden zu sein, ausgenommen die be-
reils erwähnten kleinen cylindrischen Stücke für Hals-
bänder.

„6) Zwei kleine längliche Schachteln von dünnem
Bronzeblech, voll von Stücken zerfallenen Holzes, an-
scheineud von irgend einer Nadelholzgattung-

„7) Ein Streifen Elfenbein mit derselben ge-
schnitzten Borte darauf, wie sie einst die Thür eines der
Schatzhäuser schmückte.

„8) Zwei Wagschalen von Goldblech, offenbar
zu gebrechlich für den Gebrauch des wirklichen Lebens.
Die Schalen sind solche Scheiben, wie ich sie schon be-
schrieben habe. Eine Wage hat eine Blume, die andre
einen Schmetterling als Bild. Jst darin eine An-
spielung auf die Psychostasie oder Seelenwägung ent-
halten? Und ist der Schmetterling hier, wie in der
späteren griechischeu Kunst, ein Bild der Seele?*)

„Einer der eigenthümlichsten Züge in dem Bilve,
das der mykenische Schatz gewährt, ist die fast aus-
schließliche Verwenduug von Golv und Silber in der
dekorativen Melallarbeit. Kupfer, das augenscheiu-
lich in Menge vorhanden war, wurde bloß für Kriegs-
geräthe gebraucht. Für das Studium der bloßen
Metalltechnik verdienen die Waffen, die großen Kessel
(^.L/4^rLs) und andere Gefäße der Sammlung volle
Beachtung. Jn diesen Gefäßen, welche schon um ihrer
Größe und ihrer trefflichen Erhaltung willen bemerkens-
werth sind, finden wir dieselbe Art von Sphyrelaton,
wie bei den Goldsachen. So weit ich es feststellen
konnte, ist kein Theil angelöthet, sondern wo die eine
Kupferplatte für das Gefäß nicht ausreichte, ist eine
zweite daran genagelt.

„Jch habe hiermit die hauptsächlichsten Eigenthüm-
lichkeiten des mykenischen Schatzes bezeichnet, so weit

*) Schwerlich. Der Name für den Schmetterling
ist erst verhältnißmäßig spät nachweislich und die betreffende
Allegorie der ganzen ülteren üunst unbekannt.

ich sie aus der durch die freundliche Güte des Herr"
Evstratistdis*) mir gezeigten Auswahl cntnehweN
konnte. Doch muß man bedenken, daß diese Auswahl
ebeu nur eine Blüthenlese ist; es würde wohl Monate
erfordern, die Masse der Gegenstände,' welche die
Magazine der Nationalbank anfüllen, gründlich und
vollständig zu untersuchen. Ferner wird man die Fu»d-
gegenstände aus den Gräbern selbst mit den Resten vdN
Töpferwerken und andern merkwürdigen AlterthümerN
vergleichen miissen, welche sich in der Erde zwischen der
Basis des Sleinkreises und den Gräbcrn darunter g^
funden habeu; desgleichen müssen auch die SkulvtureN
auf den Grabsteinen selbst in Betracht gezogeN
werden. Diese Reliefs zeigen die gleiche kindliäst
Schwäche der Ausführung, welche ich bei den Gold-
arbeiten hervorhob, unb ich sehe keinen Grund, waru>n
sie nicht Arbeiten derselben Schule und derselben Z^
sein sollten. Die Gegenstände sind folgenve:

„1) Eine Figur auf einem Wagen welcher in vollel»
Laufe von einem Pferde gezogen wird, dessen SchwaB
in die Luft emporgeworfen ist, wie bei einem Hundei
davor enteilt ein Flüchtiger.

„2) Eine zweite Wagengruppe; davor ein Angreistk
mit einem Speer.

„3) Wagengruppe; darunter ein Löwe, der ein grv^
ßes vierfüßiges Thier verfolgt.

„4) Jn der Mitte der Platte ein senkrechter Streifen,
jederseits Schlangen oder ein Schlangenmuster.

Diese Grabsteine sind in längliche Abtheilungen g^
schieden, der Art, wie sie Pausanias in seiner Beschrei-
bung von Kunstwerken als (Streifen) bezeichnet-

Die Gruppen uehmen eines dieser langen Felder ein,
während die andern mit Spiral- oder WellenmusterN,
wie sie auch bei ven Goldsachen sich finben, angefülli
sind. Das Material dieser Reliefs ist ein grobe>'
bröckeliger Stein, ber sich für Skulptur sehr wenig ei<st
net. Sie gemahnen auf den ersten Blick an die Grab^
steine, welche neuerdings von Zannoni in der Certosn
von Bologna aufgefunven worden sind*), nur daß diest
letztereu meines Erachtens einer viel späteren Zeit aN
gehören.

„Dieser Bericht über Schliemann's Entdeckuug^
auf der mykcnischen Akropolis kann nicht füglich schließet'
ohne eine Meinungsäußerung über das vermuthlich^

'*) Des ebenso kundigen wie liberalen Vorstandes d»r
Alterthümer (kPvpo; r<öv in Griechenla»d

**) Vgl. G. Hirschfeld, Arch. Zeitnng1871, S.7 ff.pBrizie,
Lullstt. cksll' inst. 1872, S.12 ff., 76 ff., 1»8ff., 177 ff., 2v2st'
Eine Publikation der höchst merkwürdigen Funde durch de>>
Entdecker Zannoni selbst ist eben jetzt im Erscheinsn begrifst'U'
Einige Proben bei 6oorackini, Leavi arobsoloAiei tatti äa
siA. .4. Xrlloaläi Vsli prssso Lolo^nu. Lolo°:na I8l<'

'l'uv. xm. XIV
 
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