Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Pazaurek, Gustav Edmund: Württembergische Glas- und Edelsteinschneider, [1]: eine Untersuchung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0271

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IDCit’ttembet’gtßbe Qtasz und £delfiein{cbnetdev

Sine Unteefucbung

oon

öuftao 6. Pasaut?ek

ein Buch vermag bis jetzt — meines Wissens — zu kün-
^ *■ den, daß ehedem in Württemberg auch Glasschneider
gelebt und gewirkt haben, und auch von den heimischen
Edelsteinschneidern, die ja fast vollständig mit denselben
technischen Voraussetzungen zu rechnen haben, wären
uns wohl kaum die beiden Biberacher Schaupp und
Natter wenigstens flüchtig als die einzigen Vertreter ihrer
Kunst überliefert worden, wenn die letztere nicht im
Auslande, namentlich in England und Rußland zu Ansehen
gelangt wäre.

Nun, eine allzu große Rolle hat Schwaben wenigstens
in der Vergangenheit auf dem Gebiete des Edelstein-
und Glasschnittes allerdings nicht gespielt. Mit Italien,
von wo die Hauptarbeiten guter Renaissance-Bergkrystall-
schneider zu uns über die Alpen kamen und namentlich
am Kaiserhofe Rudolfs II. in Prag bewundernde Aufnahme
fanden, kann es sich ebensowenig messen, wie mit
Böhmen, wo unter dem kaiserlichen Kammer-Edelstein-
schneider Caspar Lehmann aus Uelzen der Steinschnitt
wieder wie im Altertum oder im Orient auf das inzwischen
vollkommener gewordene Glasmaterial übertragen worden
ist (Privilegium von 1609) und von wo der Glasschnitt
sieghaft sich über das Riesengebirge oder den Böhmer-
wald in andere deutsche Gegenden, wie Nürnberg oder
Potsdam, nach Thüringen oder Braunschweig, ja bis nach
Holland ausbreitete. Daß „steinschneiden der werck-
lichsten und freyesten Kunst auff erden eine ist“, hat der
bekannte Joachimstaler Prediger Mathesius in seiner
„Sarepta“ (15. Predig von dem glaßmachen, 1562) fest-
zustellen nicht unterlassen und damit nur der großen
Schätzung Ausdruck gegeben, die eine der aller-
schwierigsten kunstgewerblichen Techniken gerade bei
seinen Zeitgenossen und besonders im damaligen Böhmen
fand. Auch im benachbarten Bayern -— abgesehen von
der Reichsstadt Nürnberg — wurde der Krystall- und
Gemmenschnitt gepflegt, und Kurfürst Maximilian I.
(1597—1651) soll sich auf diesem Gebiete sogar selbst
versucht haben. In der Reichsstadt Augsburg begegnet
uns in älterer Zeit als Steinschneider Daniel Grießbeck
im 2. Dezenium des 17. Jahrhunderts und dann Johannes
Heel (1637 geb.j, der aber später (1668—1709) seine
Tätigkeit nach Nürnberg verlegt.

Auf dem Gebiete des heutigen Württemberg ist es
bezeichnenderweise zunächst die alte, reiche schwäbische
Reichsstadt Ulm, in der die ersten Edelsteinschneider
nachgewiesen werden können. Im Wappenbuch der
Ulmer Goldschmiede erscheint ein Th o man Stain-
Schneider1), der 1543 Meister wird und 1574 stirbt;

9 „Steinschneider“ bedeutet hier ohne Zweifel: Edelstein-
schneider. Aber sonst muß man vorsichtig sein, da dieser Name
auch einen Operateur für Steinleiden bezeichnen könnte, wie uns
z. B. in gleichzeitigen Urkunden der Züricher Stadtwundarzt und
nebenbei Passionsspieldichter Jakob Rueff (f 1558) auch als

außer seiner Hausmarke wird uns nichts von ihm über-
liefert. Bald darauf taucht ebenda ein „Thoma
B i b e r a c h genannt stainschneider, der Jenger“ auf,
der 1571 Meister wird und 1598 stirbt; sein Goldschmiede-
Merkzeichen und Wappen ist nur durch zwei beigefügte
Punkte von dem seines älteren Namensvetters unter-
schieden. Und noch ein drittes Glied derselben Familie,
nämlich Hans Conrad Steinschneider (mit einem
aus H. C. S. gebildeten Markenmonogramm) erlangt das
Meisterrecht der Ulmer Goldschmiedezunft und zwar am
30. Juni 1575; auch er wird ein Biberacher genannt. ■—
Wenigstens von dem jüngeren Thomas läßt sich zum
Glück auch ein Werk nachweisen, wenn es auch nicht
für den Steinschnitt, sondern nur für den Steinschliff
charakteristisch ist; es ist dies das schöne, vermeil-
montierte Bergkrystall-Renaissancekreuz (Abb. 1), das ich
für das Stuttgarter Landesgewerbemuseum !) zu erwerben
vermochte.

Aber nicht nur in dem damals noch reicheren Ulm,
auch in der herzoglichen Hauptstadt Stuttgart lebte
ungefähr zur selben Zeit — nachweisbar zwischen 1577
und 1586 — ein Goldarbeiter, der ausdrücklich auch als
Steinschneider aufgeführt wird; es ist dies der weitgereiste
Hans Baumann (auch „Pawmann“), der Stuttgarter
Bürger und Juwelier ist; 1582 wird er in einen unan-
genehmen Prozeß verwickelt, dessen Akten sich uns im
Ludwigsburger Staatsarchiv3) erhalten haben. Es handelt
sich um einen Ring, in den er einen „Citrin . . so man
auch weiße Saphir oder Bohmmische Diamant nennet“,
versetzt hat; deshalb wird er denunziert, daß er nur Krystall
oder gar Glas in Gold fasse; aber, obwohl sich auch die
geschworenen Probier- und Schaumeister gegen den
Zugewanderten äußern, freigesprochen, da der „böhmische
Diamant“ kein Glas war, und dies nicht gegen die Ge-
pflogenheiten verstoße. Wir hören dabei nur, daß sich
„grosse herrn von Adel Vnnd Andere Fürneme Personen
etwann Allerley Stein Vnnd Sachen, alls von Ainhorn,
Ellendt Clawen, Krottenstain Vnnd dergleich, Inn Goldt“
fassen lassen, aber leider nichts von wirklichem Stein-
schnitt; und doch wird sich die Tätigkeit Baumanns
gewiß nicht allein auf die Fassung von Juwelen be-
schränkt haben, zumal dieser „Steinschneider“ auch für
die Herzogin arbeitet und vom Herzog sein Brustbild in

„Steinschneider“ überliefert wird, obwohl dieser sicherlich kunst-
gewerblich nicht tätig war. — Auch jener „Matthaeus zum Stein
Schneider Gesell von Aystaig“, der am 6. Februar 1730 das
Stuttgarter Bürgerrecht „kraft hochfürstl. Befehls“ bekommt, ge-
hört sicherlich nicht in den Kreis unserer Betrachtungen.

-) Abbildung im Jahresbericht für 1911, S. 45.

3) Herrn Archivdirektor Dr. v. Schneider, der mir die Württem-
bergischen Goldschmiedeakten aus den Archiven von Stuttgart
und Ludwigsburg in liberalster Weise zum Studium überließ,
danke ich auch an dieser Stelle verbindlichst.

267
 
Annotationen