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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 9
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0458

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Ausheilungen — Von Künftlern und Gelehrten

und zugleid) etwas Schöpferifches, ein Ahnen
vom Aufbau, das wie Stil wirkt. So müffen
die „Primitiven“ empfunden haben, als pe den
Goldgrund für die Landfcpaft aufgaben. Und
ein foldßer Mann — in den Dreißigern fd)on —
lebt mitten in der New Yorker Hlildnis!
ünter dem 3eid)en, ja dem 3epter des Eros
ßeßt Georgia O’Keeffe (Änderfon Galleries).
Aus wol)I qualvoll wunderbaren Erinnerungen
raufd)enden Blutes und klopfender Pulfe er-
peßen ihr feltfam packende, aufregende Gebilde,
teils in Form mächtig gefcßwellter, lebensdür-
ftender Blumen, ein buntgefügtes Bouquet ge-
malter Liebeslyrik, ßeurs du mal.
Beßerrfcßt, durd)dad)t, und dod) zugleid)
durchlebt und durchblutet pnd die nad) Größe
und Sd)lid)tl)eit ftrebenden Geftalten Bernhard
Karfiols (Galerie Brummer), Hlie eine Sepn-
fud)t nad) neuer, aber felbft zu erkämpfender
Klaffik faß geht es durch Tein Schaffen, eine
Sehnfud)t nach neuer Schönheit, ein Verlangen,
das gleichfam durch Einlangen nach ihr zur Cat
pd) verdichtet. Diefer ernfte Mann kämpft feit
Jahren um fein Ideal. Keine Konzeffionen hat
er je gemacht. So darf man Bedeutendes von
ihm erwarten.
3wei Vertreter „organifierter“ Landfchaft pnd
S. fjalpert (Kraushaar Galleries) und Sidney
Lauf man (Mr. Sterner’s Gallery). In beiden
lebt und wirkt ein Hlille, der den inneren Kern
der Natur herausreißen will, um ihn zu heben.
F. Morfe Rummel, ein Nachkomme des als
Erfinder des Morfetelegraphen bekannt gewor-
denen Malers Morfe, ßrebt in feinen Norwegi-
fd)en Landfd)aften in den Kingore Galleries
nad) Größe und zugleich Ruhe, ein Streben, das,
begreißicherweife durch unfere ganze 3eit geht
und vielleicht eine kommende Genefung von der
Hlildheit diefer 3eiten verkündigt. In feinen
Gemälden lebt etwas von dem Gefühl, das Selma
Lagerlöfs Romane ausßrömen, und ihre Art ift
der feinen verwandt. Mit Recht führt er Hlilliam
Blakes denkwürdige HIorte als Erklärung zu feinem
Katalog an: „Id) ftelle mein leiblicher Auge
ebenfowenig in Frage wie einFenßer. Id) fehe
hindurch, nicht mit ihm. So wird lebten Endes
alles Gefehene zu einem Gleichnis.
Bei El)rid) Bros fah man einige der „fym-
bolifchen Porträts“ des Hliener Leo Kafe, der
zur 3eit hier tätig ift. Das „fymbolifd)e“ ift
ihm aber fozufagen nur ein ßilfsmittel für den
Laien, ein Sdblüffel gleichfam, der das den meiften
Befchauern verfd)loffene Gebiet, in dem Rhyth-
mus, Farbe und Linie ein eignes Leben auf-
bauen, diefen erklären foll. Kalj ift künft!erifd)er
Former feinften Gefühles und unerbittlicher Pfy-
chologe zugleich, eine Art Freund des Porträts.
Aber auch er ift nach der Größe, nach dem
Bleibenden aus; auch in ihm lebt die Sehnfud)t
nad) der Fläche, die er mit neuen Lebenszeichen
erfüllen möchte.

Lebt er ganz in diefer unferer 3eit der Radio-
wellen und neuerklärter Hielten und 3eiträume,
fo fcheint der Ruße Savelin Sorin (bei
Knoedler) in feinem Suchen nad) Größe und
Einfachheit dem 3ug nad) Ingres hin fid) anzu-
fchließen. In feinen beften Bildniffen herrfd)t
das Skulpturale vor, dem pd) zu gleicher 3eit
aber ein vornehmer Farbengefchmack beigefeilt,
ein Gefchmack, der auf kühle Cöne geftellt ift.
* *
*
Ruffen, die diefe Saifon überhaupt Crumpf
waren (das Moskauer Stanislawski-Enfemble
fpielte hier viele HIochen vor ausverkauftem
FJaufe), gab es auch fonft viel zu fehen. Im
Brooklyner Mufeum war eine Gefamtausftellung
neuer ruffifcher Malerei und Bildhauerei arran-
giert worden, die für hier wie die Offenbarung
einer neuen Hielt wirkte. Gemeinfamer Volks-
charakter und befondere Perfönlichkeitswerte
übten gleichftarke Anziehung aus. Mutatis mu-
tandis könnte man hier wohl die Goethefchen
HIorte feiner Lußigen Perfon im Fauft-Vorfpiel
auf dem Cheater anführen: „Das Alter macht
nicht kindifd), wie man fpricht, es pndet uns
nur noch als wahre Kinder.“ Ja, wer fo noch
Kind fein oder es wieder werden könnte!
Der hier bereits bekannt gewefene Ruffe
Nid)olas Roerid), der Epiker der rufpfchen
Kunft, führte, kurz vor feiner Abreife nad) dem
Orient, wo er Cagore auffuchen wird, feine
neueften Arbeiten vor. Er fand in Amerika
Landfchaften, die feinem Sinn für Legenden-
malerei entfprachen. Er fah pe eben mit eigenen
Äugen, denen vielleicht ähnlich, die einft die
Rothäute zur Erfd)affung ihrer Naturfagen be-
fähigten. Ja, nur wer Äugen hat zu fehen, der
fleht wirklich, önd freilich, der peht, wie es
Blake ausgedrückt, nicht mit, fondern durch
fein körperliches Äuge, denn auch der Künßler
Fjimmelreid), pehe es iß in ihm! F.
dleimar
Die bereits angekündigte Äusftellung des Staat-
lichen Bauhaufes pndet Mitte Juli bis Ende Sep-
tember ftatt. Der Cermin für die Eröffnung der
Äusftellung und außerdem für die befondere Bau-
hauswochewird demnächftnoch bekanntgegeben.
Von Künftlern und Gelehrten
Der Privatdozent für neuere Kunftgefchichte
an der Hniverptät Graz, Dr. Fjans Fjeubad),
iß mit der ehrenamtlichen Leitung der fteier-
märkifchen Landesgalerie betraut worden. — In
London ftarb im Älter von 71 Jahren der For-
fcher der Miniaturmalerei Jofhua James Fofter.
Einige feiner Veröffentlichungen find „Britifche
Miniaturmaler“, „Gefpräche über englifche Mi-
niaturmaler“ und „Samuel Cooper und englifche
Miniaturmaler des 17. Jahrhunderts“.

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